(vh) Wie beeinflusst das Abschneiden einer Mannschaft bei der Fußball-WM die Aktienkurse des Landes? Und warum schauen viele Menschen so gerne todtraurige Filme wie „Schindlers Liste“? Auf diese Fragen kann Holger Schramm Antwort geben. Der 38-Jährige ist seit dem Wintersemester Professor für Medien- und Wirtschaftskommunikation am Institut Mensch-Computer-Medien der Universität Würzburg.
Im Bereich der „Wirtschaftskommunikation“ forscht Schramm beispielsweise zum Erfolg von Werbung; in der Medienkommunikation beschäftigt er sich mit Sport, Musik und Unterhaltungsphänomenen.
So untersucht Schramm die Werbekampagnen von Unternehmen: Wie hoch darf die Informationsdichte sein, bevor die Nutzer überfordert sind? Was bleibt am Ende in den Köpfen hängen? Als die Schweiz bei der Fußball-WM 2006 dramatisch ausgeschieden war, untersuchte Schramm, wie sich die Stimmung in der Gesellschaft veränderte.
Dabei konnte er einen Stimmungseinbruch feststellen, der weit über den Sport hinaus ging: „Die Zufriedenheit mit der Regierung ließ plötzlich nach. Auch wurde die wirtschaftliche Lage deutlich schlechter eingeschätzt“, erklärte Schramm laut dem Nachrichtendienst der Universität.
Der entgegengesetzte Effekt zeigt sich, wenn eine Mannschaft überraschend gewinnt: Dann steige in der Bevölkerung das Selbstvertrauen, die Menschen blicken optimistischer in die Zukunft, die wirtschaftliche Lage werde besser eingeschätzt, so Schramm. Das beeinflusse das Investitionsverhalten und könne gar zu einem Aktienboom führen.
Ein weiterer Forschungsbereich Schramms sind „emotionale Phänomene bei der Mediennutzung“. Dazu gehört das „Sad Film“-Paradoxon, also die Frage, wieso Menschen tieftraurige Filme genießen, obwohl sie dabei mehrere Taschentücher klatschnass heulen. „Die psychologischen Mechanismen, die da ablaufen, sind denen ähnlich, die bei Fans von Horrorfilmen zu beobachten sind“, sagte Schramm laut Uni-Pressestelle. Auch die verspüren eine Art Genuss, obwohl sie sich am liebsten hinter dem Kinosessel verkriechen würden.
Ein weiteres Medien-Phänomen ist zu beobachten, wo Menschen sich mit Nachrichtensprechern oder Schauspielern so stark identifizieren, dass sie am Ende glauben, es bestünde eine Art freundschaftliches Verhältnis zu ihnen. Das beginnt beim Zuschauer, der dem Tagesschau-Sprecher ebenfalls einen „Guten Abend“ wünscht, und endet beim Stalker, der sich für den idealen Partner einer Schauspielerin hält. Schramm untersucht, wer anfällig für solche Identifikationsprozesse ist und welche Faktoren die Entwicklung begünstigen.