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Wenn ganz normale Träume platzen

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Wenn ganz normale Träume platzen

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    Die seelisch kranken Bewohner des Agnes-Sapper-Hauses bereiten unter Anleitung von Margarete Götzner
täglich ihr Mittagessen zu.
    Die seelisch kranken Bewohner des Agnes-Sapper-Hauses bereiten unter Anleitung von Margarete Götzner täglich ihr Mittagessen zu. Foto: FOTO TAP

    Vor 20 Jahren wurde das Haus des Diakonischen Werks Würzburg als unterfränkische Modelleinrichtung gegründet, und noch immer hat es weit über Unterfranken hinaus Modellcharakter. Bis zu fünf Jahre haben Menschen mit schweren seelischen Problemen Zeit, sich im Agnes-Sapper-Haus zu rehabilitieren. Wer es danach nicht schafft, allein zu wohnen, kann in eine betreute Wohngemeinschaft ziehen.

    Karin Jordan, die 1990 in die Reha-Einrichtung kam, gehört nach Auskunft von Einrichtungsleiter Arthur Hentschel zu jenen Klienten, die am längsten von den 30 haupt- und ehrenamtlichen Mitarbeitern betreut werden. Dass eine derart lange Unterstützung notwendig sein könnte, hätten die Gründer der Einrichtung im Jahr 1985 nicht gedacht. Sie gingen davon aus, dass nach fünf Jahren hauswirtschaftlichem Training, Gesprächsgruppenangeboten, Ergotherapie und psychosozialer Beratung ein Großteil der psychisch Kranken eigenständig wohnen und sich beruflich wieder eingliedern kann.

    Viele neue Erfahrungen

    In dieser Hinsicht, so Hentschel, musste das Agnes-Sapper-Haus in den vergangenen zwei Jahrzehnten vieles dazulernen. So wissen die Betreuer heute, dass kaum ein psychisch Kranker nach der Rehabilitation den Sprung in den ersten Arbeitsmarkt schafft. Von 100 Betreuten, so Hentschel, ist vielleicht einer dabei, der einen regulären Job ergattert.

    Karin Jordan gehört heute zu jenen ambulant betreuten Klienten, die stundenweise in einer Tagesstätte für psychisch Kranke arbeiten. Ein regulärer Job würde sie überfordern, aber dieses Ziel haben inzwischen weder Karin Jordan noch ihre Betreuer. Für alle ist es bereits ein Erfolg, dass die 50-Jährige seit rund zehn Jahren mit zwei anderen Frauen weitgehend selbständig in einer Wohngemeinschaft lebt, ohne dass es zu schweren psychischen Krisen kam.

    Von Anfang an war die Zahl der Plätze auf 21 festgelegt, eine Ausweitung scheint trotz des nachweislich hohen Bedarfs derzeit unrealisierbarer denn je. Dem Verband der bayerischen Bezirke zufolge soll die Zahl der stationären Plätze für seelisch Kranke im Freistaat in den kommenden Jahren im Gegenteil um 20 Prozent reduziert werden. In Unterfranken allerdings wird die aktuelle Heimplatzzahl zunächst wohl beibehalten, da es in der Region keine Großeinrichtungen für chronisch psychisch Kranke gibt.

    Sorgen machen dem Team des Sapper-Hauses die seit 1995 gedeckelten Pflegesätze. Einrichtungen wie die des Diakonischen Werks seien nur noch bei einer "Top-Belegung" überlebensfähig. In den vergangenen drei Jahren war das Agnes-Sapper-Haus auch sehr gut ausgelastet.

    Probleme mit neuen Gesetzen

    Einige neue Gesetze lassen den Einrichtungsleiter befürchten, dass die Belegung zurückgehen könnte. So bekommen ab heuer alle seelisch Kranken, die neu in ein Heim oder eine Rehabilitationseinrichtung ziehen, nur noch den Mindestsatz von 88 Euro Taschengeld im Monat. Bisher erhielten Menschen, die sich durch ihre Berufsunfähigkeitsrente oder andere Einkünfte an den Heimkosten beteiligten, bis zu 130 Euro Taschengeld.

    Die Taschengeldkürzung könnte einige Menschen mit Psychose oder Schizophrenie davon abhalten, in das Agnes-Sapper-Haus zu ziehen. Zu befürchten sei weiter, dass sich die Eltern der Betroffenen in Zukunft wieder stärker an den Kosten beteiligen müssen. Die in den vergangenen beiden Jahren extrem gute Auslastung des Hauses, so Sozialpädagoge Bernd Schütt, sei vermutlich auch darauf zurückzuführen, dass Eltern seit 2003 pauschal nur noch 25 Euro monatlich zu den Heimkosten zuschießen müssen.

    Wunsch: Mehr betreutes Wohnen

    Großer Wunsch zum 20. Geburtstag, der am 8. Juli im Luisenbau gefeiert wird, ist die Ausweitung des betreuten Wohnens. Seit 1991 wurden 17 Plätze in Wohngemeinschaften geschaffen. Der Bedarf von seelisch erkrankten Menschen nach betreutem Wohnen in Würzburg ist laut Hentschel damit jedoch bei weitem nicht gedeckt.

    Das Agnes-Sapper-Haus ist unter Tel. (09 31) 79 70 40 zu erreichen.

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