Seine Jugendzeit verbrachte er als Flüchtling in einem völlig fremden Land mit einer ihm völlig fremden Kultur: Als 13-jähriger Jude floh Werner Michael Blumenthal mit seiner Familie vor den Nazis aus Berlin nach Shanghai. Dass er heute Deutschland wieder liebt, sei ein „Wunder“, erklärte der Direktor des Jüdischen Museums in Berlin, der am Samstag im Würzburger Rathaus die General Lucius D. Clay Medaille des Verbands der Deutsch-Amerikanischen Clubs (VDAC) erhielt.
Lange war Deutschland für Blumenthal ein missliebiges Land. „Mit 13 Jahren war ich einfach nur froh, hier raus zu sein.“ Im Alter von 21 Jahren emigrierte er mit seiner Familie in die USA und wurde bald US-Staatsbürger. Zu jener Zeit habe er es sich nie träumen lassen, je wieder einen Fuß nach Deutschland zu setzen, gibt er zu. „Am Abend meines Lebens bin ich froh, noch etwas beitragen zu können zur demokratischen Entwicklung dieses Landes“, so der 87-Jährige nach der Verleihung der Medaille. Anlass für den VDAC, die Auszeichnung in Würzburg zu organisieren, war der deutsch-amerikanische Tag, der jährlich an das deutsche Erbe Amerikas erinnert.
Heute präsentiert sich Deutschland als „Leuchtturm innerhalb einer demokratischen EU“, lobte der ehemalige Berater der amerikanischen Präsidenten John F. Kennedy und Jimmy Carter. Das sei aus der Sicht des jüdischen Flüchtlings von 1939 erstaunlich. Wie er in seinen Memoiren „In achtzig Jahren um die Welt“ aufgezeigt habe, lehrte ihn jedoch sein Leben, dass in der Geschichte „alles möglich“ sei.
Wie ein farbenreicher Teppich, so kommt Blumenthal sein eigenes Leben voller „bunter Jobs“ vor. Er war Wirtschaftsprofessor und Manager. Wirtschaftspolitischer Berater und Finanzminister. Er ist Buchautor und Museumsdirektor. Geplant war dies alles so nicht. Im Gegenteil. Sehr viel im Leben, so Blumenthal, hänge vom Zufall ab – vor allem von jenem Zufall, wer politisch gerade die Hand am Ruder habe. Sowohl in Amerika als auch in Deutschland hätten in den vergangenen 100 Jahren nicht immer die richtigen politischen Führungskräfte die Hand am Ruder gehabt.
In seinem Rückblick auf Blumenthals bewegtes Leben kam Laudator Fred Irwin, Ehrenpräsident der amerikanischen Handelskammer Deutschland, zu dem Schluss: „Werner Michael Blumenthal macht Mut, an sich selbst zu glauben.“ Dass die Stadt seiner Kindheit trotz allem, was er dort an Schlimmen erfahren habe, nun wieder Teil seines Lebens geworden ist, zeuge von seiner enormen Offenheit, so der Amerikaner, der 2011 mit der General Lucius D. Clay Medaille ausgezeichnet wurde.
Blumenthal ist gewohnt, sich immer wieder neu zu orientieren. So ließ er sich auch auf die Herausforderung ein, das Jüdische Museum in Berlin zu leiten. In dieser Funktion, so Fred Irwin, setze sich Blumenthal dafür ein, dass die Welt ein Stück gerechter wird: „Und Hass und Vorurteile abgebaut werden.“
Dass Blumenthal in Würzburg ausgezeichnet wird, ist in vielfacher Weise stimmig, legte Oberbürgermeister Georg Rosenthal dar: „Diese Stad hat eine außerordentlich reiche jüdische Geschichte.“ Bis zum Jahr 1147 lasse die sich zurückverfolgen. Im 13. Jahrhundert war Würzburg eines der großen Siedlungszentren jüdischer Menschen in Europa. Eine Hochburg jüdischer Gelehrsamkeit und Bildung sei die Stadt am Main damals gewesen. Im 19. Jahrhundert kam es zu einer zweiten Blüte jüdischen Lebens. Rabbiner von europäischem Rang waren damals in Würzburg zu Hause. Rosenthal: „Die Nazis haben vieles dieser Kultur zerstört.“
An die Rolle Unterfrankens bei der Verteidigung der Nato-Staaten am damaligen Eisernen Vorhang erinnerte Regierungspräsident Paul Beinhofer. Als „Frontregion“ hatte Unterfranken einen sehr hohen amerikanischen Truppenanteil – vor allem in Würzburg, Schweinfurt und Wildflecken. „Daraus sind viele tragfähige und noch immer andauernde Beziehungen im öffentlichen und privaten Bereich entstanden“, sagte Beinhofer. Diese Beziehungen zwischen Deutschland und Amerika seien geprägt von den gemeinsamen Werten der Achtung der Freiheit und der Demokratie. Es sei das Bestreben aller, sie auch nach dem Truppenabzug fortbestehen zu lassen.