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WÜRZBURG/SCHWEINFURT: Wie Ärztehäuser Gemeinden helfen sollen

WÜRZBURG/SCHWEINFURT

Wie Ärztehäuser Gemeinden helfen sollen

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    In vielen Bereichen ist die Gemeinde Kürnach eine Art Musterknabe in Unterfranken: attraktive Verkehrslage zwischen Würzburg und Schweinfurt, günstigeres Wohnen als in der teuren Großstadt, gute Infrastruktur. Die Folge: Während anderswo die Landflucht im Gange ist, stieg in der Boomgemeinde vor den Toren Würzburgs die Einwohnerzahl überdurchschnittlich schnell.

    Aber das verschärft ein Problem, das vielen Gemeinden in Unterfranken Sorge bereitet: Es gibt immer weniger Hausärzte. Die, die noch tätig sind, arbeiten bis ins hohe Alter, ehe sie doch in Ruhestand gehen – ohne einen Nachfolger gefunden zu haben. Und dann müssen Praxen schließen.

    Risiko der Existenzgründung

    Dabei sorgen eigentlich große Krankenhäuser in der Region und die medizinische Fakultät der Universität Würzburg für genügend Ärzte-Nachwuchs. „Möglicherweise scheuen viele Kollegen das Risiko einer Praxisgründung“, vermutet der Mediziner Dr. Etienne Loho. Er ist mit der Gemeinde Kürnach im Gespräch zu dem Thema.

    Versorgungsengpass

    Denn Kürnach mit mehr als 5000 Einwohnern droht – wenn nicht bald ein Nachfolger für einen der zwei in Ruhestand gegangenen niedergelassenen Mediziner gefunden wird – nicht nur ein zeitweiliger Versorgungsengpass. „Wir suchen seit fast zwei Jahren – vergeblich“, sagt Bürgermeister Thomas Eberth. Im August lief die Ausschreibungsfrist ergebnislos aus. Findet sich bis Ende März 2019 kein Interessierter, dürfte die Kassenärztliche Vereinigung die Zulassung zur Niederlassung eines Mediziners an einen anderen Standort vergeben.

    Ein Ärztehaus am Ortsrand

    Seit kurzem liegt dem Kürnacher Gemeinderat eine Alternative vor, die immer mehr Kommunen als Ausweg sehen: Oralchirurg Loho will am Ortsrand ein sogenanntes Ärztehaus bauen, verkehrsgünstig, mit genug Parkplätzen. Dort könnten neben einem Hausarzt mehrere Mediziner verschiedener Sparten Platz finden – wie beispielsweise in Ochsenfurt, wo solch ein Ärztehaus seit Jahren etabliert ist.

    Loho erläuterte vor kurzem im Gemeinderat: Ins Ärztehaus könnten neben ihm selbst nach derzeitiger Planung ein Allgemeinarzt, ein Augenarzt, ein Kinderarzt sowie Kieferchirurg und Kieferorthopäde einziehen. Am benachbarten Dienstleistungsgebäude hätten unter anderem ein zahntechnisches Labor sowie eine Apotheke Interesse.

    Ein Drittel will aufhören

    Wie angespannt die Situation ist, zeigt beispielhaft eine Untersuchung, die im Frühjahr 2018 im Landratsamt Würzburg vorgestellt wurde: 81 Hausärzte sind in Stadt und Landkreis Würzburg 60 Jahre oder älter. Die Befragung in Kooperation mit dem Hausärzteverband, der Kassenärztlichen Vereinigung und dem Ärztlichen Kreisverband ergab: Konkrete Pläne, ihre Praxen in den nächsten fünf Jahren abzugeben, hat mehr als ein Drittel aller Befragten. Davon gibt mehr als jeder Zweite (56,8 Prozent) an, dass die Suche nach einem Nachfolger bisher erfolglos blieb. Fast zwei Drittel der befragten Ärzte, die ihre Praxen abgeben möchten, sprechen zudem von Unterstützungsbedarf bei der Nachfolgeregelung.

    Die Situation ist in ganz Unterfranken ähnlich. In Oberfranken fehlen sogar in Städten wie Hof oder Coburg genügend Fachärzte. Bundesweit sind knapp 30 Prozent aller niedergelassenen Ärzte und Psychotherapeuten älter als 60 Jahre, bei den Hausärzten beträgt dieser Anteil rund 34 Prozent.

    Insgesamt liegt das Durchschnittsalter der Hausärzte in Deutschland bei 55,2 Jahren – im Jahr 2008 waren es noch 52,2 Jahre –, Tendenz steigend. Die düstere Prognose lautet, dass im Jahr 2030 rund 11 000 Hausärzte in Deutschland fehlen werden.

    8000 Standorte

    Das erste Ärztehaus wurde 1968 im hessischen Neu-Isenburg eröffnet. Inzwischen existieren nach Schätzungen der Deutschen Apotheker- und Ärztebank (die solche Projekte häufig finanziert) bundesweit etwa 8000 solcher Gesundheitsstandorte – davon etwa 20 Prozent in Kleinstädten und kleineren Gemeinden

    In Unterfranken boomt die Gründung von Ärztehäusern – auch als Ersatz für schließende Kliniken. Haßfurt beispielsweise hat ebenso eines wie Gerolzhofen. Aktuell will man auch in Margetshöchheim und Güntersleben (Lkr. Würzburg), Zellingen (Lkr. Main-Spessart) oder Ostheim vor der Rhön (Lkr. Rhön-Grabfeld) so dem Ärztemangel begegnen.

    Mehrere Arztpraxen verschiedener Fachrichtung arbeiten unter einem Dach, ergänzt durch artverwandte Angebote wie Apotheke, Physiotherapie, Optiker oder Hörgeräte-Akustiker. Bei der Frage nach den relevanten Faktoren für die Gründung eines Ärztehauses nannten bei einer bundesweiten Untersuchung der Apo-Bank 65 Prozent der Gründer solcher Ärztehäuser Synergieeffekte bei Kosten und Einnahmen sowie die Möglichkeit, Netzwerke zu bilden.

    Kosten zu teilen ist einer der Vorteile

    Für das Projekt spreche die Möglichkeit zum fachlichen Austausch, verschiedene medizinische Fachrichtungen zu bündeln, aber auch Kosten zu sparen, machte Loho im Kürnacher Gemeinderat deutlich, der selbst als Oralchirurg eine Praxis dort eröffnen will: Man könne sich technische Geräte, Empfangs-, Warte- und Sanitärbereiche oder Schulungsräume bis hin zu Personal teilen, also Kosten, die viele Ärzte von einer Praxisgründung abhalten.

    Keine mühsame Parkplatzsuche

    Das habe auch Vorteile für Patienten und den Standort: „Die Patienten sparen sich manche Fahrt zum Facharzt nach Würzburg und die mühsame Suche nach einem Parkplatz“, weiß er. „Das ist gerade für ältere Patienten und solche mit Handicap ein nicht zu unterschätzendes Thema.“

    Kürnachs Bürgermeister Eberth steht hinter den Plänen: „Eine gute ärztliche Versorgung – die womöglich auch für Bürger aus Nachbar-Orten interessant wird – ist künftig ein wichtiger Standortfaktor für eine Gemeinde. Der kann darüber mitentscheiden, ob Menschen hierher kommen und hier leben wollen.“

    Der Würzburger Loho, derzeit noch Oberstabsarzt bei der Bundeswehr, steckt mitten in den Planungen für das, was er seinen „Lebenstraum“ nennt. Sollte das Projekt im Gemeinderat seinen Segen bekommen, könnte dort im kommenden Jahr mit dem Bau begonnen werden – und binnen zwei Jahren könnten die ersten Patienten behandelt werden.

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