Klaus Schmalzl hat jüngst einen Artikel über eine Studie zu Wünschen für die Zukunft gelesen. Junge Menschen, so stand da, würden sich zunehmend nach einem Leben mit Trauschein und Kindern sehnen. Dass Klaus Schmalzl (55) sich darüber gefreut hat, ist klar. Der Mann ist Ehe- und Familienberater. Mehr noch. Er ist Diözesanrichter im Bischöflichen Offizialat und Fachreferent für die Eheberatung in der Diözese Würzburg.
Die Ehe ist quasi sein Beruf. Sein Leben. Er selbst ist auch verheiratet. Seit 32 Jahren. Hat drei mittlerweile erwachsene Kinder, weiß, wovon er spricht, wenn es um Hektik, um Alltag, um den Spagat zwischen Beruf und Haushalt mit Kindern geht. Schmalzl hört zu, nickt, fragt, ordnet ein. Er kann sich nicht nur in die Gefühle der Menschen, die ihm gegenübersitzen, hineinversetzen. Er tut es auch. Immer wieder. Seit vielen Jahren. In wie viele Beziehungsgeschichten er in all den Jahren schon eingetaucht ist, kann er nicht in Zahlen fassen. Oft hört der Experte ein und dieselbe Geschichte eines Paares in zwei Versionen, die unterschiedlicher nicht sein könnten. Es sind oft gegensätzliche Lebenswahrnehmungen, die mit starkem Willen und Gefühlen am Ende doch wieder zu einer Geschichte verschmelzen können. Können.
„Manchmal, das muss man ganz klar sagen, ist eine Rettung der Ehe nicht möglich, bleibt als einzige Lösung des Konflikts tatsächlich nur die Scheidung“, sagt Schmalzl. Eine tiefe Traurigkeit mache sich dann oft breit, fülle das Beratungszimmer förmlich aus. Dann gelte es, Mut zu machen für das Neue, das nach der Zeit der Trauer kommen kann. Wer glaubt, dass am Scheitern einer Ehe immer ein Seitensprung oder eine neue Liebe schuld ist, irrt. „Die Fälle halten sich die Waage. Es kommen viele Paare, die keinen neuen Partner oder Partnerin an ihrer Seite haben, die schon vorher gemerkt haben, dass etwas enorm schief läuft.“
Meistens passieren die Krisen in der Mitte des Lebens. Rushhour des Lebens nennt Schmalzl diese Zeit. Die Lebensphase, in der einen der Beruf voll in Anspruch nimmt, die Kinder klein und noch hilfsbedürftig, die Eltern alt und unter Umständen schon hilfsbedürftig sind. Die Zeit, in der klar wird, dass man vielleicht keine Kinder bekommen kann – und das schön geplante Leben von heute auf morgen zerplatzt wie eine Seifenblase. Dazu kommen die enorm hohen Ansprüche an sich selbst, befeuert durch eine Gesellschaft, die scheinbar nicht mehr innehalten kann, die in rasender Geschwindigkeit fordert und fordert.
Sich in diesem Strudel als Paar zu verlieren, ist ganz und gar nicht ungewöhnlich. „Zu hören, dass sie nicht die Einzigen sind, denen das passiert, hat meist schon eine sehr beruhigende Wirkung auf die Paare“, weiß Schmalzl. Immer Hand in Hand bedingungslos glücklich durchs Leben zu spazieren – das sei in den meisten Fällen mehr Traum denn Wirklichkeit. „Eine Hochzeit und eine Ehe sollten genau deshalb nicht vorab komplett verklärt werden. Diesen hohen Ansprüchen kann kein Mensch gerecht werden“, sagt Schmalzl. Und kein Mensch sollte solchen Anforderungen ausgesetzt sein.
Es braucht Zeit und Raum, damit zwei Menschen nebeneinander, miteinander und vor allem aneinander wachsen können. Manchmal gibt es aber einen Stillstand. Wenn scheinbar nichts mehr vorangeht in der Partnerschaft. Man nur noch auf Gemeinsamkeiten zurückblicken kann, aber keine mehr hat. Oder es gibt ein Ungleichgewicht. Der eine schießt auf seinem Weg nach oben, lässt den anderen unten zurück. Spätestens dann ist es Zeit, miteinander zu reden. „Wut und Ärger müssen sich Bahn brechen dürfen, ein ordentlicher Ehekrach ist nichts Verwerfliches“, sagt Schmalzl.
„Ich bereue keinen Krach, den ich meiner Frau gemacht habe – und ich möchte keinen Zirkus, den sie mir gemacht hat, missen“, meint der Ehe-Experte.
Nur so lasse sich verhindern, dass man still und leise und womöglich mit viel unterdrücktem Zorn die Tür zum gemeinsamen Weg verschließt. „Wir neigen dazu, die Schuld von uns zu weisen. Wer sich aber selbst fragt, was war mein Beitrag, dass diese Ehe am Scheitern ist, der ist auf dem richtigen Weg.“ Manchmal lässt sich diese verschlossene Tür nach einer Eheberatung wieder öffnen. Manchmal, wenn man sehr spät dran ist mit der Erkenntnis, aktiv etwas tun zu müssen, bleibt sie aber auch verschlossen. Dann ist das Ehekonto, von dem Schmalzl gerne spricht, so weit ins Minus gerutscht, dass der Berater nur noch bedauernd den Kopf schütteln kann. Einzahlen auf dieses Konto ist deshalb wichtig. Und zwar regelmäßig und von Anfang an. Jeder kann das auf seine Weise tun.
Ob das die Organisation eines gemeinsamen Kinobesuchs ist, der Paare mit kleinen Kindern oft schon vor eine fast unlösbare Aufgabe stellt, ob das ein wöchentlicher fester Abend ist, der dem Paar heilig ist, oder die Ausübung eines gemeinsamen Hobbys – auch das Bemühen darum kann man schon als Einzahlung verbuchen, denn es zeigt dem Partner die Wertschätzung seiner Person.
Kommt es zu Konflikten, sollte man die Lösung nicht auf die lange Bank schieben, sich den Fragen und Vorwürfen des anderen stellen. Das hört sich einfach an. Und ist in Wirklichkeit doch oft so schwer. Klaus Schmalzl nickt. „Ja, schon, aber Reibung erzeugt auch Wärme. Und die hält eine Beziehung letztlich am Leben.“ Vor allem dann, wenn die Kinder aus dem Haus sind, plötzlich Leere herrscht. Viele Paare stehen sich dann seit Jahren der Alltagshektik plötzlich wieder alleine und direkt gegenüber – und ihnen fehlen nicht nur die Worte, sondern auch die Gefühle füreinander. Es ist nichts da, das sie durch ihr neues Leben zu zweit tragen könnte.
Deshalb müsse eine Beziehung rechtzeitig und immer wieder neu und ehrlich hinterfragt werden. Das ist, so sagt Schmalzl, manchmal unbequem. Aber: „Jede Liebe, aus der einmal eine Ehe entstanden ist, ist es wert, dass man für sie kämpft.“
Klaus Schmalzl
Seit Juli 2015 ist Klaus Schmalzl (55) Fachreferent für die Ehe-, Familien- und Lebensberatung in der Diözese Würzburg. Er studierte Diplomtheologie sowie Realschullehramt, war unter anderem Pastoralassistent in Hessenthal-Mespelbrunn und in der Jugendarbeit tätig. 1998 wurde er Diözesanrichter. Seit 1992 arbeitet er als Ehe-, Familien- und Lebensberater. FOTO: M. Hauck, POW