Gemeinhin fristen Regenwürmer ein kaum beachtetes Dasein unter der Erde. Wenn es um die Bewältigung des Klimawandels in der Landwirtschaft geht, gehören die schleimigen Gesellen jedoch zu heimlichen Stars. Beim Feldtag, zu dem die Regierung von Unterfranken und das Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten Kitzingen-Würzburg (AELF) nach Sonderhofen eingeladen hatten, spielte der Regenwurm deshalb die Hauptrolle.

Franz Walch, Landwirt aus Sonderhofen, hat lange schon Freundschaft geschlossen mit den Regenwürmern. Seit Jahren bewirtschaftet er seine Felder so, dass sich die Würmer wohlfühlen. Das heißt: Auf den Feldern, die nicht mit Wintergetreide bestellt sind, wachsen in der kalten Jahreszeit Zwischenfrüchte, die den Stickstoffdünger im Oberboden festhalten und ihn für die folgende Kultur wieder zur Verfügung stellen. Im Winter erfrieren die Pflanzen größtenteils. Der Pflug kommt allenfalls im Herbst zum Einsatz.

Vor der Aussaat im Frühjahr wird der Bewuchs nur oberflächlich zerkleinert und das Saatkorn direkt in die gemulchte Fläche abgelegt. Mulchsaat nennt sich das Verfahren, das dem Regenwurm einen reich gedeckten Tisch hinterlässt. Er macht sich über die halb verrotteten Pflanzenreste her und nimmt sie mit in seine Wohnröhren, erklärt die Regenwurmexpertin Roswitha Walter vom Institut für Agrarökologie an der Landesanstalt für Landwirtschaft (LfL) in Freising.

In den Röhren verlassen die verdauten Pflanzen den Wurm in Form von wertvollem Kompost. Der organische Dünger trägt dazu bei, dass große Mengen klimaschädliches CO2 im Humus des Ackerbodens gebunden werden. Wenn die Bedingungen passen, siedeln mehr 150 Regenwürmer auf einem Quadratmeter Ackerfläche.

Die Röhren, die der Regenwurm bei seinen morgendlichen Ausflügen hinterlässt, sorgen außerdem für Belüftung und eine gründliche Durchwurzelung des Bodens. Mehr noch: Durch die Wurmröhren kann Regenwasser schnell in tiefe Bodenschichten vordringen und wird dort für lange Zeit gespeichert. Das verdeutlicht Fred Fürstenfeld, ehemaliger Chef des Bodengesundheitsdienstes in Ochsenfurt, anhand eines Grabenschnitts. Bis in zwei Meter Tiefe sind die Wurmgänge deutlich erkennbar.
Regenwasser verschwindet in den Wurmlöchern wie in einem Gully
Den Effekt veranschaulicht Thomas Karl mit einem Versuch: Auf einer kleinen Testfläche simuliert er einen Sturzregen mit 45 Litern pro Quadratmeter in kürzester Zeit. Wie in einem Gully verschwindet das Wasser innerhalb einer Minute in den Regenwurmröhren. Auf der Vergleichsfläche, die vor der Aussaat mit dem Grubber und der Egge bearbeitet wurde, dauert es über fünf Minuten, bis das Wasser versickert ist. Die Bodenbearbeitung hat die Wurmdrainagen zerstört.

Bei einem realen Starkregen wäre dort der Großteil des Wassers oberflächlich abgeflossen, hätte große Mengen Lößboden mitgerissen und im schlimmsten Fall die nächstgelegene Ortschaft mit Schlamm überzogen. "Der Trend der normalen Sommerniederschläge geht nach unten", sagt Anton Lesch vom AELF, "aber die Zahl der Starkregenereignisse und Hitzetage steigt." Deshalb sei es essenziell, möglichst viel des Regenwassers an Ort und Stelle versickern zu lassen. Unschätzbare Hilfe kommt dabei vom Regenwurm.


Franz Walch praktiziert die Mulchsaat seit vielen Jahren mit Erfolg. Doch ausgerechnet bei der Zuckerrübe, der Hauptfrucht des Ochsenfurter Gaus, stößt das Verfahren an Grenzen, weil die Rübe Verunkrautung nicht toleriert. Immer mildere Winter sind dafür verantwortlich, dass Zwischenfrüchte oder Ausfallgetreide aus dem Vorjahr nicht mehr zuverlässig abfrieren. Deshalb sei es nötig, Glyphosat zu spritzen, sagt Walch. Der Landwirt wendet das Herbizid, das nach wenigen Tagen seine Wirkung verliert, unmittelbar nach der Aussaat an, um konkurrierende Unkräuter vor dem Auflaufen der Rüben zu beseitigen.

"Glyphosat ist auch für den Bodenschutz wichtig", sagt Franz Walch, "weniger Glyphosat heißt weniger Humusaufbau und weniger Wasserspeicherung." Deshalb begrüßt er, dass das lange innerhalb der EU diskutierte Glyphosatverbot vom Tisch sei und das Mittel, wenn auch unter strengen Auflagen, weiter verwendet werden darf.
"Allesreiniger" sind im Pflanzenschutz nicht mehr akzeptabel
Bestärkt wird Franz Walch darin von Klaus Gehring, stellvertretender Leiter am Institut für Pfanzenschutz am LfL. "Direktsaat halte ich bei der Rübe ohne Glyphosat für unmöglich", so Gehring. Gleichwohl sieht der Pflanzenschutzexperte noch viel Potenzial, den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln weiter zu reduzieren. Breitbandherbizide, wie sie vor kurzem noch von der Industrie als "Allesreiniger" beworben wurden, seien nicht mehr akzeptabel. Stattdessen müsse es darum gehen, gezielt die Beikräuter zu entfernen, die der Hauptkultur schaden.
"Wir brauchen mehr Präzision beim Einsatz von Pflanzenschutzmitteln", fordert Gehring deshalb. Mit der heute verbreiteten Technik hält er eine Reduktion um zehn bis 20 Prozent ohne Ertragseinbußen für realistisch. Weiteres Potenzial bieten neue Techniken wie das Spot-Spraying-Verfahren, bei dem einzelne Unkräuter von einem Kameraauge erkannt und gezielt mit einer minimalen Aufwandmenge besprüht werden.