Spannend bis zur letzten Silbe verlief der Vorlesewettbewerb der Landkreisschulen am Dienstagnachmittag im Seminarraum der Würzburger Buchhandlung Neuer Weg. Wer von den Favoriten „besser“ gelesen hatte, war überhaupt nicht zu entscheiden. Doch die Jury beriet fast eine halbe Stunde über die sieben Kandidaten. So war die spannende Frage genau genommen: Wofür würden sich die Leseschiedsrichter entscheiden?
Laut der Jury-Vorlage, die der Branchenverband „Börsenverein des deutschen Buchhandels“ bundesweit an die 7000 teilnehmenden Schulen ausgegeben hatte, kommt es auf Lesetechnik, Textgestaltung und Textverständnis an. In Würzburg dagegen zeigte sich: Die Schiedsrichter müssen beschließen, ob das Lernen wichtiger ist oder das Können. Ist der Fleiß höher zu bewerten oder die Improvisation? Wie soll man überhaupt mit Talent und Begabungen umgehen?
Die Antwort lautete auf jeden Fall: Spielerisch sollte man mit solch einem schwierigen Thema umgehen. Oder, wie Moderatorin Britta Kiersch vor der Preisverleihung sagte: „Schade, dass es nur einen einzigen ersten Sieger gibt. Aber wir haben heute viele verschiedene Bücher und neue Leute kennen gelernt.“
Angetreten waren mit ihren Lieblingsbüchern drei Mädchen und vier Jungen im Alter um zwölf Jahre. In alphabetischer Reihenfolge: Anastasia Derheim von der Mittelschule Höchberg, Timo Försch von der Mittelschule Gerbrunn, Enis Kadriu von der Mittelschule Gaukönigshofen als weitestgereister Kandidat, Nora Lamm von der Mittelschule Unterpleichfeld, Robert Pazmany von der Realschule Ochsenfurt, Falko Schmitt vom Gymnasium Veitshöchheim und Narmin Tagizade als kurzfristige Nachrückerin von der Mittelschule Veitshöchheim.
Zufällig hatte das Los die beiden letzten auch auf die letzten Startplätze gesetzt, und da gab es einen echten Finalwettbewerb. Das heißt: Norah Lamm zählte mit zu dieser Spitzengruppe dreier sehr unterschiedlicher Vorleserpersönlichkeiten. Lamm, die aus Katja Brandis „Woodwalkers“ las, demonstrierte Eigenschaften, die etwa in der Mitte zwischen den beiden anderen Bewerbern lag.
Narmin Tagizade hatte sich schon auf die Inhaltsangabe minutiös vorbereitet, hatte ihre Einführung offensichtlich vorformuliert, auswendig gelernt und dann die Lektion beherzigt: Sieh deinem Publikum in die Augen. Für ihre Rezitation aus Henriette Wichs „Das geheimnisvolle Spukhaus“ hatte sie eine sehr schöne Sprachmelodie einstudiert.
Eher als Naturtalent trat anschließend Falko Schmitt auf. Der verteilte bei seiner Geschichte aus einer Berliner Mietskaserne verschiedene Stimmen auf seine Figuren, glitt nach seinen Spitzenleistungen aber mehrmals aus und vernuschelte drei, vier Wörter hintereinander.
Ein Elfjähriger, eine Zwölfjährige: Wie wollte man solch vollkommen unterschiedliche Herangehensweisen nun miteinander vergleichen?
Abhilfe war vorprogrammiert. Denn nach dem ersten Wettbewerbsdurchgang mit selbst gewählter Lektüre kam ein zweiter: jeweils eineinhalb Seiten aus „Gertrude grenzenlos“, einem neuen Kinderbuch über den Alltag in der DDR von Judith Burger. Damit musste sich Narmin erst langsam vertraut machen, während Falko scheinbar riskant loslegte. Tatsächlich aber entging er bei der neuen Herausforderung einer Gefahr, der er vorher erlegen war: Überinszenierung. Während er in der ersten Runde nach Kabinettsstückchen manchmal kurz unverständlich wurde, behielt er jetzt hochkonzentriert die Nerven und seine klare Aussprache.
Falko Schmitt wird den Landkreis demnächst beim Unterfrankenwettbewerb vertreten. Dessen Gewinner probiert sein Können auf Bayernebene, und der beste bayerische Nachwuchsrezitator geht im Frühsommer für drei Tage nach Berlin.