Kiwi hat es eilig. Die junge Schäferhündin stürmt ins dunkle Zimmer, rennt einmal um den Tisch und schnüffelt neugierig in allen Ecken, bis sie schließlich die auf dem Boden kauernde Person erkennt. Sie bellt laut. Ann-Kathrin Döblinger, das vermeintliche Opfer, reagiert schnell und belohnt Kiwi dafür, dass sie den Fund von sich aus durch Bellen angezeigt hat.
Spezielle Ausbildung zum Einsatz in Trümmern
Döblinger leitet die Rettungshundestaffel im Rotkreuz-Kreisverband Kitzingen. Gemeinsam mit ihren Würzburger Kollegen trainieren sie in der dortigen Feuerwehrschule. Um nach einem Erdbeben oder einer Explosion in den Trümmern nach verschütteten Personen suchen und sie retten zu können, bilden sie ihre Hunde für solche schwierigen Einsätze speziell aus.
Aufmerksam hören der Iraner Hamid Rahnama und seine drei Kollegen den Gesprächen zu. Amir Shafiee übersetzt für sie ins Persische. Schon zum vierten Mal besucht eine iranische Delegation die deutschen Kollegen. Das gemeinsame Training in Würzburg ist eine von mehreren Stationen während ihres elf Tage langen Aufenthalts in Bayern.
Das Projekt zwischen dem Deutschen Roten Kreuz (DRK) und dem Iranischen Roten Halbmond (IRH) zum Aufbau einer Rettungshundestaffel besteht inzwischen seit 15 Jahren. Tragischer Auslöser dieser Zusammenarbeit war das verheerende Erdbeben 2003 in der Provinz Kerman im Südosten des Irans, das die historische Stadt Bam fast vollständig zerstörte.
Projekt von Rotem Kreuz und Rotem Halbmond
Rahnama arbeitete damals in Karadsch als Fotograf. Als der junge Iraner von diesem Projekt hörte, wurde er neugierig: "Ein Freund hatte mir erzählt, dass der Rote Halbmond eine neue Einheit mit Rettungshunden aufbauen möchte." Den 43-Jährigen begeistert die Partnerschaft von Mensch und Tier: "Du arbeitest eng mit einem Lebewesen zusammen und baust eine Verbindung zu ihm auf. Ich bin sehr glücklich, dass ich dabei geblieben bin."

Es sei für ihn eine einzigartige und besondere Erfahrung, dass er durch seine Arbeit Leben retten könne. Heute leitet Rahnama die Rettungshundeausbildung im Iran. "Wenn Sigrid und Mark uns besuchen, bringen sie uns die neuesten Informationen über die Arbeit mit den Hunden mit. Wir haben praktisch unser gesamtes Wissen von den beiden." Mittlerweile hätten auch sie ein Niveau erreicht, "auf dem wir gegenseitig viel voneinander lernen können".
Hunde haben im Iran einen anderen Stellenwert
Sigrid Höfer aus Markt Einersheim führt die Ausbildung im deutsch-iranischen Projekt an.
Mark Hofmann verantwortet beim DRK für das Projekt. "Die Hingabe der iranischen Rettungshundeführer in ihrer Arbeit mit den Hunden ist beeindruckend", findet er. Weil der Hund in dem muslimischen Land einen anderen Stellenwert habe, würden die iranischen Rettungshundeführer nach eigenen Ansätzen suchen, um eine enge Bindung zwischen Mensch und Tier zu fördern."Wir können gegenseitig viel voneinander lernen."
Hamid Rahnama, Rettungshundeausbilder
"Viele können sich gar nicht vorstellen, dass es Rettungshunde im Iran gibt, eben weil es ein muslimisches Land ist", sagt Amir Shafiee. Hunde werden als unrein angesehen. Mit ihnen Gassi zu gehen, ist in der Hauptstadt Teheran verboten. "Es gibt dieses Gesetz, aber auch einige Leute, die es trotzdem tun. Ein Hund ist im Iran kein Tabu. Das hat sich in den letzten zehn Jahren verändert." Dazu habe auch die Rettungshundestaffel beigetragen.
Shafiee arbeitet seit 2007 als Assistent für das DRK im Iran. Dort gebe es eine lange Reihe an verheerenden Erdbeben: in Rudbar 1990, in Bam 2003, in Täbris 2012 oder in Kermanschah 2017. "Die Hunde haben uns nach dem Beben in Kermanschah sehr geholfen. In den Trümmern haben sie noch sechs Personen lebend gefunden."

Einen Hund zu halten, ist im Iran aus genannten Gründen nicht selbstverständlich. "In Deutschland hat jeder Helfer seinen Hund und lebt mit ihm. Zum Training treffen sich alle einmal in der Woche." Die iranischen Hunde gehören dagegen dem Roten Halbmond. "Wir versorgen sie und trainieren mit ihnen während unserer Arbeitszeit", erklärt Rahnama den Unterschied.
Zusammenarbeit funktioniert trotz Unterschiede
Anders als seine ehrenamtlich tätigen Kollegen in Deutschland ist Rettungshundeführer sein Beruf. Daher imponiert es ihm, wie gut die Zusammenarbeit der beiden Seiten funktioniere. Das sieht auch Höfer so: "Es ist beeindruckend, wie viel Fingerspitzengefühl die iranischen Kollegen mittlerweile an den Tag legen, um eine Bindung zum Hund aufzubauen."
Pluto will trotzdem nicht weiter. Er soll einen Tunnel erkunden und zwei Menschen aufspüren. Es ist dunkel, stickig und eng. Als er im Schacht plötzlich keinen Boden unter seinen Pfoten spürt, weicht er vor der Stufe ängstlich zurück. Hundeführerin Jeanette Sterk aus Großlangheim hilft ihrem fünf Jahre alten Labradorrüden mit einem kleinen Lichthalsband. Er nimmt die Witterung wieder auf und bellt: Er hat die vermeintlichen Opfer gefunden.
Beide Seiten können voneinander lernen
Für den Würzburger Peter Hentschel war die deutsch-iranische Übung in der Feuerwehrschule ein Erfolg: "Wir haben gut miteinander gearbeitet und voneinander gelernt." Für ihn war das Treffen zugleich ein Wiedersehen: Mit seiner Labradorhündin Milva war er im November in den Iran gereist. Die Gastfreundschaft und das Land überwältigten ihn.

Projektleiter Hofmann sieht die deutschen Hundeführer inzwischen nicht mehr nur als Lehrer, ebenso könnten sie von ihren iranischen Kollegen lernen. "Sie sind sehr flexibel und bleiben auch in schwierigen Situationen cool. Das bewundere ich." Hamid Rahnama lächelt. Das Verhältnis beider Seiten ist gewachsen, dass sie sich manchmal auch ohne Übersetzer verstehen.