Immer mehr Modefans achten darauf, dass das, was sie kaufen, unter guten Bedingungen produziert wurde. Faire Löhne und Fabriken, in denen es sich möglichst stressfrei arbeiten lässt, wurden zu wichtigen Kriterien einer nachhaltigen Textilproduktion. Sie sind allerdings nicht die Einzigen. „Ein anderer, ebenfalls sehr wichtiger Aspekt ist der sogenannte Wasserfußabdruck“, sagt Christopher Conrad, der den Lehrstuhl für Fernerkundung an der Würzburger Universität stellvertretend leitet.
In einem aktuellen Forschungsprojekt geht Conrad der Frage nach, wie viel Wasser benötigt wird, um in Pakistan Baumwolle zu produzieren, und was getan werden kann, um dieses effizienter einzusetzen. Diese Frage ist in dem trockenen Land in Südasien von Bedeutung, denn sauberes Wasser ist hier in vielen Regionen Mangelware. Es regnet fast nur während des kurzen Südwestmonsuns im Juli und August. „Wissenschaftlern zufolge wird bei der Baumwollproduktion dennoch nicht sehr effizient mit Wasser umgegangen“, sagt der Professor für Geographische Fernerkundung.
Welche Baumwollfelder innerhalb eines 280 000 Hektar großen Areals wann und wie bebaut werden, das untersuchen aktuell pakistanische Studenten, die von Conrad vor Ort ausgebildet wurden. In diesem Frühjahr hatte es in Lahore eine Hitzewelle mit 45 Grad – zehn Grad mehr als der Durchschnitt. Während die Studenten vor Ort die Lage erkunden, sammeln Conrad und sein Team in Würzburg Satellitendaten, um die Stichproben der Studierenden durch flächendeckende Informationen aus dem Weltall zu ergänzen. Ziel ist es, zuverlässige Karten zu kreieren, aus denen abzulesen ist, in welchen Gebieten Pakistans ein gutes „Ernteertragsniveau“, so der landwirtschaftliche Fachbegriff, bei möglichst geringem Wasserverbrauch erreicht wird.
Das klingt simpel, stellt für die Wissenschaftler jedoch eine immense Herausforderung dar. Denn die benötigten Datenmengen sind gigantisch: „Wir sprechen von Terrabyte.“ Verwendet werden Satellitendaten aus dem Europäischen Erdbeobachtungsprogramm Copernikus. Daneben fließen Daten aus dem Satellitensystem RapidEye sowie Bilder des deutschen Erdbeobachtungssatelliten TerraSAR-X ein.
Daten aus dem All alleine nützen aber nicht viel. Sie müssen geschickt aufbereitet werden, damit man tatsächlich etwas mit ihnen anfangen kann. Auch muss der Computer „lernen“, was er mit den Daten machen soll – das kann er nicht von alleine verstehen. Die Informationen, die neun Monate lang vor Ort in Pakistan über die Produktionsbedingungen auf den Äckern und die Produktivität der landwirtschaftlichen Flächen gesammelt werden, dienen genau dazu, den Rechner künstlich intelligent zu machen, so Conrad: „Damit wird er von uns gefüttert.“
Bis 2018 werden die Computer nun rechnen, danach sollen sie die Karten ausspucken – die dann noch einmal mit den gesammelten Daten abgeglichen werden. Dieses aufwendige Verfahren erhöht die Qualität und Zuverlässigkeit der Ergebnisse, so Conrad: „Schließlich irren sich auch Rechner.“ Ist all dies geschehen, werden den pakistanischen Behörden und Experten monatliche und saisonale Karten präsentiert, die zeigen, wo Erntemenge und Wasserverbrauch in einem guten und wo sie in einem weniger guten Verhältnis stehen.
Aufgabe der Fachleute vor Ort ist es dann, nachzuschauen, warum in manchen Gebieten etwas im Argen liegt. Das kann unterschiedliche Ursachen haben. Es kann zum Beispiel daran liegen, dass sich bestimmte Böden nicht gut für den Anbau von Baumwolle eignen. Oder dass die Bewässerungstechnik nicht effizient genug ist.
Eingebettet sind die Würzburger Untersuchungen in einen deutschlandweiten Forschungsverbund namens „Globale Ressource Wasser“ (GROW) des Bundesforschungsministeriums. GROW will den weltweiten Wassermangel bekämpfen. Denn der wird nicht nur von den Menschen in Deutschland mitverursacht. Er hat auch Auswirkungen auf uns. Schließlich kann Wasserknappheit ganze politische Systeme aus dem Gleichgewicht bringen.
GROW ist breit angelegt und in verschiedene Forschungsprojekte unterteilt. „Innovative Impulse zur Verringerung des Wasserfußabdrucks der globalen Baumwoll-Textilindustrie in Richtung UN-Nachhaltigkeitsziele“ (InoCottonGROW) heißt das Teilprojekt, in dem sich die Würzburger Forscher engagieren. Geleitet wird es von Frank-Andreas Weber vom Forschungsinstitut für Wasser- und Abfallwirtschaft an der RTWH Aachen.
Weber zufolge werden in Pakistan über 14 000 Liter Wasser benötigt, um ein Kilogramm Baumwolle etwa für eine Jeans zu erzeugen. Laut dem WWF fließen jedes Jahr weltweit über 250 Kubikkilometer Wasser in den Baumwollanbau. Diese Menge würde rein rechnerisch ausreichen, um jeden Menschen auf der Erde jeden Tag mit 120 Liter frischem Wasser zu versorgen.
Ob das, was bei InoCottonGROW herauskommt, am Ende von den pakistanischen Behördenmitarbeitern, von Landwirtschaftsverbänden und lokalen Bauern beherzigt wird, können Conrad und seine Kollegen nicht mehr beeinflussen. Auch können sich die Würzburger Fernerkundler nur wünschen, dass deutsche Textilproduzenten das Kriterium „Nachhaltiges Wassermanagement“ in Zukunft stärker berücksichtigen und bewusst Baumwolle aus effizient bewässerten Feldern ankaufen. Verbraucher wiederum müssten gleichzeitig dafür sensibilisiert werden, beim Kauf von T-Shirts, Pullovern und Jeans auch auf den „Wasserfußabdruck“ zu achten.
Ein Erfolgsfaktor für das Würzburger Teilprojekt ist der Einbezug der Menschen vor Ort. Länderübergreifende Projekte wie „InoCottonGrow“ funktionieren nach Conrads Überzeugung nur auf Augenhöhe mit jenen, die am Ende von dem Projekt profitieren oder die später Empfehlungen ausgeben und Anpassungsstrategien implementieren sollen. Damit die Zusammenarbeit über sprachliche und kulturelle Unterschiede hinweg klappt, ist wiederum interkulturelle Kompetenz notwendig.
Um die zu fördern, gibt es seit dem Wintersemester in Würzburg einen internationalen Masterstudiengang zur Fernerkundung. Das Interesse daran ist ausgesprochen groß, so der Geograph: „Wir hatten zum Start 80 Bewerbungen.“ 15 Studierende wurden ausgewählt. Sie stammen unter anderem aus Produktionsländern: Bangladesch, Kolumbien, Ägypten und Indien.