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WÜRZBURG: Wie Würzburger aus Schweden, Mexico und Iran Weihnachten feiern

WÜRZBURG

Wie Würzburger aus Schweden, Mexico und Iran Weihnachten feiern

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    Die Main-Post hat zwei Würzburgerinnen und einen Veitshöchheimer eingeladen, gemeinsam über Weihnachten zu plaudern: die schwedische Übersetzerin Gundhild Brembs, den mexikanischen Grafik-Designer Fernando Juárez Sánchez und die Altenpflegerin Fatime Shabani aus dem Iran. Es war eine lustig-traurige Runde, mit Einsichten in die Feste anderer Länder und der Erkenntnis, dass die Weihnachtsgeschichte immer noch sehr aktuell ist. mit schönen Erinnerungen,

    Herr Sánchez, Sie sind vor zehn Jahren aus Mexico-City nach Unterfranken gekommen. Wie feiern Sie dieses Weihnachten?

    Sánchez: Wie ganz normale Deutsche. In Mexiko feiern wir ganz anders. Das Jesuskind wird in ein Tuch gewickelt, wir beten für das neugeborene Baby, wir singen ein Kinderlied und dann wiegen wir es in unserem Arm, küssen es, und streuen Süßigkeiten darüber und dann stellen wir es in die Krippe. Das ist am 24. Dezember.

    Wie machen das die Schweden?

    Gunhild Brembs: Wir gehen am 1. Feiertag in die Kirche, sehr früh, von sechs bis sieben, und feiern da die Mette, die protestantische. Und an Heiligabend verteilen wir die Geschenke. Da kommt der Vater oder ein Nachbar als Weihnachtsmann verkleidet und fragt: „Gibt es hier liebe Kinder?“ (Natürlich gibt es hier viele liebe Kinder.) Dann werden die Geschenke verteilt. Die liegen nicht unter dem Baum wie hier.

    Sie feiern Weihnachten in Würzburg?

    Brembs: Ja. Aber ohne Weihnachtsmann. Wenn wir hier in der Familie feiern, liegen die Geschenke unter dem Baum, wie die ordentliche Tradition bei den Deutschen ist.

    Vermissen Sie die schwedische Weihnacht?

    Brembs: Ja, schon: diese Frühmette. Da bin ich mit meiner Mutter hin, oft lag viel Schnee, es war kalt, und da sind wir manchmal gelaufen, zwei, drei Kilometer, oder sind mit einem Spezialschlitten gefahren. Das war ganz toll. Da kommst du zur Kirche, da sind Fackeln aufgestellt – viel Licht in dem Dunklen. Das vermisse ich.

    Und die Kakteen zu Weihnachten? Fehlen die nicht?

    Sánchez: Ich habe einen Weihnachtsbaum wie jeder. Aber Weihnachten in Mexiko fängt 15 Tag vor dem Heiligen Abend. Das heißt Posadas bei uns. Die symbolisieren Maria und Josef. Die haben an jedes Haus geklopft und um Unterkunft gebeten. Das machen wir an jedem dieser 15 Tage. An jedem Tag gibt es eine Party, da feiern wir das neue Leben.

    Shabani: Bei uns im Iran gibt es das nicht. Unser großes Fest ist Nowruz, das Neujahrsfest im März. Das ist eine sehr, sehr alte Tradition in Persien. Am letzten Mittwoch des alten Jahres machen wir eine große Feier. Wir sind damals eine große Familie daheim gewesen, wir haben einen großen Hof gehabt. Wir haben ein Feuer gemacht, und jeder sprang darüber.

    Brembs: Uih!

    Shabani: Ja, das war nicht so gefährlich. Das ist eine tolle Tradition. Die Farbe des Feuers ist sehr schön. Jeder sagt: „Ich gebe meine ganze Krankheit in dieses Feuer und das Feuer gibt mir Kraft“.

    Aber jetzt leben Sie in Deutschland.

    Shabani: Das machen wir hier genauso.

    Sánchez: Echt?

    Shabani: Ja! Wir gehen in den Garten ...

    Brembs: Das macht ihr wirklich?

    Shabani: (Lacht) Das machen wir wirklich. (Beruhigt:) Wir machen nur ein kleines Feuer. Das ist ein schöner Tag. Die ganze Familie kommt zusammen, wir essen zusammen. Und am Ende des alten Jahres feiern wir sehr heftig, drei, vier Tage lang dauert das. Jeder besucht jeden und kriegt Geschenke, besonders die Kinder. Die Kinder kriegen wahnsinnig viele Geschenke. Damals habe ich auch viele bekommen. Großeltern und Eltern bereiten wunderschöne Essen und Geschenke vor.

    Und was machen Sie hier an Weihnachten?

    Shabani: Ich feiere auch sehr schön. Baum habe ich keinen. Aber ich versuche, alles, was sonst dazu gehört, auf den Tisch zu stellen. Ein Teil von uns ist deutsch, meine Tochter ist mit einem Deutschen, einem Unterfranken verheiratet, dann muss Weihnachtsstimmung auch sein. Wir stellen unsere Geschenke meiner Tochter unter den Baum, dann wird wie in Deutschland gefeiert. Ich freue mich wahnsinnig darüber. Von aserbeidschanischer Seite feiere ich, da sind die Wurzeln meiner Familie, von persischer Seite feiere ich, und von deutscher Seite feiere ich. Ich bin immer beim Feiern. (Gelächter)

    Herr Sánchez, so weit weg von zu Hause, – ist an Weihnachten das Heimweh nicht besonders schlimm?

    Sánchez: Jain. In Deutschland ist es so ruhig – ich wünsche mir ein bisschen mehr Musik. In Mexico ist es kalt, nicht so kalt wie in Deutschland, fünf Grad in Mexico, und trotzdem gehen die Leute raus, machen Musik, und die Nachbarn in der Straße versammeln sich, singen und tanzen und essen zusammen. Das ist das Schöne an der ganzen Sache. In Deutschland ist das nicht so.

    Brembs: In Schweden ist Weihnachten auch viel lustiger als hier. Da werden viele Kinderlieder gesungen am Heiligen Abend und um den Baum herumgetanzt. Am Baum hängen Süßigkeiten und Äpfel und so was. Und um 15 Uhr wird im Fernsehen ein Zeichentrickfilm mit Donald Duck gezeigt. Da sitzt die ganze Familie davor. 20 Tage nach Weihnachten wird dann der Baum geplündert, die Süßigkeiten runtergerissen, und der Baum wird rausgeschmissen. Familie, Verwandte, Nachbarn feiern dann zusammen und singen lustige Lieder. Da wird Weihnachten hinausgetragen, sozusagen.

    Sánchez: Das ist lustig! Das ist wie in der Ikea-Werbung.

    Brembs: Genau!

    Gibt's Ikea auch in Mexico?

    Sánchez: (Lacht) Ich weiß nicht. Ich glaube nicht.

    Brembs: In Mexico-City bestimmt. (Gelächter). Ikea gibt's doch überall!

    Shabani: Wenn wir unser Neujahrsfest feiern, dekorieren wir einen Tisch mit sieben Sachen, die mit „S“ anfangen.

    Süßigkeiten?

    Shabani: Süßigkeiten gehören dazu. Und gefärbte Eier müssen dabei sein. Die fangen zwar nicht mit „S“ an, stehen aber für das neue Leben. Die stehen für das neue Leben.

    Brembs: Das ist ja wie bei uns Weihnachten. Das steht auch für neues Leben.

    Was hat es mit den sieben Sachen au sich?

    Shabani: Für jede gibt es eine alte Geschichte, aber leider habe ich die vergessen. (Gelächter)

    Sie leben seit 20 Jahren in Deutschland. Haben Sie Heimweh?

    Shabani: Immer. Immer. Ich glaube keinem Menschen, der sagt, er habe kein Heimweh. Wir haben immer Heimweh.

    Brembs: Ich denke, es hat auch damit zu tun, aus welchem Grund man weggeht.

    Shabani: Kann sein. Solche Gefühle habe ich besonders an besonderen Tagen, so wie jetzt an Weihnachten.

    Sie sind aus dem Iran geflüchtet.

    Shabani: Ja. Wahrscheinlich habe ich deswegen dieses Heimweh. Man kann sich nicht ändern. Dieses Heimweh ist immer da, immer in dir drinnen. Ob es dir gut geht, ob es dir schlecht geht, es ist einfach da. Du kannst deine Heimat nicht so einfach vergessen. Das will ich auch nicht. Das ist meine Heimat.

    Geht es Ihnen ebenso, Herr Sánchez?

    Sánchez: Nicht so sehr. Ich habe natürlich Heimweh. Und wenn das Wetter so schlecht ist wie jetzt, denke ich, ah, in Mexico sind es jetzt 16 Grad. Aber ich bin jedes Jahr in Mexico, deswegen ist mein Heimweh nicht so stark.

    Ihre ganze Familie lebt in Mexico?

    Sánchez: Ja. Außer einer Schwester, die lebt in Kalifornien, und mein Bruder lebt in Kanada.

    Brembs: Und wie bist du hergekommen, wenn ich fragen darf?

    Sánchez: Liebe.

    Brembs und Shabani: Aaaah!

    Sánchez: Meine Frau ist Deutsche. Wir haben uns in Mexico kennengelernt. Eigentlich wollte ich nur drei Monate in Deutschland bleiben, ich wollte nur Urlaub machen, das war im Sommer, ein Supersommer, 99, ...

    Brembs: ... heiß, wie in Mexico ...

    Sánchez: Genau! Da habe ich gesagt: So warm wie in Mexico, super Bier, tolles Essen – ich bleibe hier. (Gelächter)

    Bei Ihnen war es auch die Liebe, Frau Brembs?

    Brembs: Ja. Natürlich.

    Sonst wären Sie nie aus Schweden weggegangen?

    Brembs: Nein. Es ging darum, wo wir uns ansiedeln. Mein Mann wollte Beamter werden, er konnte nicht nach Schweden. Dann musste ich halt nach Deutschland.

    Eine große Entscheidung ...

    Brembs: Aber man weiß vorher nicht, ob man das kann. Es ist schon schwer, die Heimat zu verlassen. Das merkt man erst, wenn man einige Zeit weg ist. So ging es mir wenigstens. Dann merkt man, was fehlt, und was man gerne hätte. Natürlich fahre ich sehr oft nach Schweden, dann ist es nicht so schlimm. Aber ich muss schon sagen: Wenn ich wählen müsste, würde ich sofort nach Schweden gehen. Ich würde das alles hier aufgeben.

    Was ist so toll an Schweden?

    Brembs: Ich weiß nicht, ob das was mit „toll“ zu tun hat. Ich habe meine ganze Kindheit, meine Jugendzeit dort gehabt, du kennst da alles, die ganzen Kinderlieder, was du gelesen hast, die Schule, die Tradition ...

    Shabani: Der Duft!

    Brembs: Genau!

    Shabani: Wenn ich einen Apfel esse, dieser Duft macht mich wahnsinnig. Das ist leider so. Gunhild und Fernando hatten eine Wahl gehabt. Wenn ihr zurück wollt, könnt ihr das. Wir hatten keine Wahl. Wir mussten unsere Heimat verlassen, auf eine schlimme Art und Weise. Wir haben nie gewusst, wo wir landen. Wir haben nur gewusst, wir müssen weg. Mein Mann und ich haben es mit drei Kindern und einem Koffer bis in die Türkei geschafft. In der Türkei mussten wir sogar den Koffer lassen. Wir durften nichts mitnehmen. Das war so schwer.

    Wie ging das weiter?

    Shabani: Wir haben Monate in der Türkei warten müssen, bis die Grenze von Deutschland geöffnet war. Dann hat der Mann, dem man Geld gibt – wie heißt der auf Deutsch?

    Brembs: Schleuser.

    Shabani: Danke. Der hat dann gesagt, jetzt kann ich euch rüber schaffen. Aber wir waren nie sicher. Wir haben immer gedacht, jetzt kriegen wir Schwierigkeiten mit der Polizei in der Türkei. Das war eine sehr schlimme Zeit. Als wir mit dem Flugzeug in Deutschland gelandet sind, wussten wir gar nicht, wohin jetzt. Wir dachten, wir seien in Schweden. Erst als der Flugzeugkapitän sagte, wir sind am Flughafen in Frankfurt ... Und wir konnten kein Deutsch, nur ein bisschen englisch. Dann wussten wir, o Gott, wir sind jetzt raus aus der Türkei, wir sind jetzt in einem freien Land. Das war der 3. März 1988, um zwei Uhr Mittag.

    Brembs: Das weißt du noch?

    Shabani: Ja. Seitdem bin ich diesem Land und diesen Leuten wahnsinnig dankbar. Die haben uns mit offenen Armen einfach aufgenommen. Als Flüchtling in der Türkei hast du es nicht einfach, weg von zu Hause, weg von der Freiheit, du hast im Dunkeln gelebt, durftest nie raus gehen, du hast keinen Ausweis gehabt ... Wir haben in einem Loch gelebt mit unseren drei Kindern, wir haben ihnen nur gesagt: Leise reden! Dabei sind wir temperamentvolle Menschen im Iran, wir sind sehr laut, wir sind sehr fröhlich. Wenn wir miteinander reden, denken die Leute, die unsere Sprache nicht sprechen, wir streiten uns. (Gelächter)

    Sánchez: Das ist in Mexico genauso!

    Shabani: Egal, wo wir hingehen, wir sind einfach laut. (Gelächter)

    Brembs: Ich habe im Felix-Fechenbach-Haus einmal euer Neujahrsfest mitgefeiert. Das war unglaublich! Unglaublich!

    Shabani: Ich lade euch das nächste Mal alle ein. Dann machen wir richtig Krach! (Gelächter)

    Herr Sánchez, ist es etwas Besonderes, hierzulande spanische Laute zu hören? Versetzt Sie das nach Mexico?

    Sánchez: Von Mexico bis nach Feuerland sprechen wir alle Spanisch. Aber wir sind alle unterschiedlich. Wenn ich mit einem Peruaner spreche, ist das auch Spanisch, aber doch etwas anderes. Nur im Ausland sind wir alle gleich. In Mexico nicht.

    Brembs: Wie, nicht alle gleich?

    Sánchez: Da sind wir dann Mexikaner und Peruaner, Spanier oder Bolivianer.

    Brembs: Ich glaube, das ist in jedem Land so. Wenn wir im Ausland sind, sind wir sehr schwedisch, alle zusammen. Aber wenn wir dann in Schweden sind, gibt es die Nordschweden, mit denen kannst du ja gar nichts anfangen, oder die Stockholmer, da fährt man sofort raus, die kann man vergessen, und die von der Südküste kannst du nicht verstehen, das sind ja Dänen.

    Sánchez: Das ist ja sogar in Bayern so, mit den Franken und den Bayern. Oder mit den Oberfranken und den Unterfranken.

    Werdet ihr an Weihnachten Kontakt zu den Familien zuhause haben?

    Sánchez: Ich telefoniere. Das ist ein Muss. Ich muss meine Mutter anrufen, dann meinen Vater, dann meine Schwester, dann meine andere Schwester (Gelächter), dann meinen Bruder, dann meine Tante, ich muss so viel telefonieren, dann verbindet mich die Tante mit meiner Cousine ... Dann reden wir über die Vorbereitung für das Essen und so weiter.

    Brembs: Das ist schön.

    Ist es Pflicht oder ist es schön?

    Sánchez: Es ist schön.

    Brembs: So lange meine Eltern lebten, habe ich sie angerufen. Natürlich.

    Frau Shabani, haben Sie noch Kontakt in den Iran?

    Shabani: Logisch. Meine ganze Familie, außer meinen Kindern und meinem Mann, ist noch dort. Unsere engen Verwandten, das sind so 50, 60 Leute. Wenn wir das Neujahrsfest feiern, sitze ich nur am Telefon. Das ist eine schöne Zeit. Man hört von jedem, was sie zuhause machen, was sie gekocht haben. Ich möchte einfach wissen, was sie tun. Ich habe nicht viel zu erzählen, aber die erzählen viel zu viel. Vom Besuch bei der Tante, und die hat 50 Enkelkinder und und und. Das ist wie eine Manie.

    Sánchez: Das ist bei uns genauso. Das Komische ist: Ich rufe meine Eltern an. Und acht Stunden später rufen die mich an, „he, hallo, was hast du gemacht? Was hast du gegessen?“

    Haben Sie einen Wunsch zu Weihnachten?

    Sánchez: Ich bin wunschlos glücklich. Vielleicht Liebe und Gesundheit.

    Brembs: Dass man gesund bleibt.

    Sánchez: Das ist das Wichtigste.

    Und Sie, Frau Shabani?

    Shabani: Ich wünsche mir seit 20 Jahren, dass wir die Feiertage daheim feiern können. Ich wünsche mir von ganzem Herzen, eines Tages, solche schöne Feiertage, solche wunderbare Tage, bei mir daheim – ich meine, hier bin ich schon daheim, aber nicht richtig zuhause – einfach mit dem Rest der Familie zusammen um einen Tisch sitzen und feiern.

    Brembs: Du hast jetzt einen deutschen Pass. Kannst du nicht hin?

    Shabani: Das ist ein Risiko. Wir trauen uns immer noch nicht. Die Angst, was wir damals mitgemacht haben, ist innerlich drinnen. Du kannst es einfach nicht lockerlassen. Das Risiko ist zu groß. Ich habe einmal meine Familie fast verloren. Meinen Kindern kann ich das nicht antun. Ich habe es meiner Mutter angetan. Und es ist seitdem nicht eine Stunde vergangen, ohne dass ich sie nicht vor Augen hatte, wie ich weggegangen bin. (Fatime Shabani hat Tränen in den Augen. Gunhild Brembs streichelt ihr den Rücken). Ich wünsche mir Gesundheit für meine Familie, für meine Kinder, und ich wünsche mir Frieden. Was braucht man mehr? Wenn man Frieden hat, geht alles.

    Sánchez: Das stimmt.

    Shabani: Danke der Main-Post, dass sie mir die Gelegenheit gegeben hat, das zu sagen.

    Gerne! Frohe Weihnachten Ihnen allen!

    Brembs: God Jul!

    Sánchez: Feliz navidad!

    Shabani: Ede schoma mobarak!

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