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Würzburg: Wiedersehen nach 33 Jahren: Lebensretterin trifft Schützling von einst

Würzburg

Wiedersehen nach 33 Jahren: Lebensretterin trifft Schützling von einst

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    Ärztin Bärbel Krumme und John Gasangwa aus Ruanda auf Krummes Terrasse in Würzburg: Ein emotionales Treffen. Foto: Angie Wolf
    Ärztin Bärbel Krumme und John Gasangwa aus Ruanda auf Krummes Terrasse in Würzburg: Ein emotionales Treffen. Foto: Angie Wolf

    Es ist eine unglaubliche Geschichte, die vor 33 Jahren in Uganda passierte. "Als ich drei Jahre alt war, attackierten Soldaten unser Dorf in Uganda. Ich und Hunderte andere Menschen flüchteten sich für drei Tage nach Nakaseke ins District Hospital, im dem Leute der deutschen Hilfsorganisation Cap Anamur arbeiteten." Doch auch dieses wurde angegriffen. Wie John Gasangwa später erfuhr, stellte sich eine deutsche Frau, Bärbel Krumme, in den Eingang und rief: „Wenn ihr diese Menschen töten wollt, müsst ihr erst mich töten!" Die Soldaten zogen sich zurück. "Frau Krumme hat mein Leben gerettet", zeigt sich Gasangwa überwältigt. Nun - mehr als 30 Jahre später - steht er vor ihr und kann sich persönlich dafür bedanken.

    Für ein paar Tage weilt der heute 36-Jährige in Würzburg, versucht mit Krumme die Vergangenheit aufzuarbeiten. Für beide ist es ein emotionales Treffen. "Es macht mich froh, zu sehen, dass es ihm gut geht, und er eine gute Ausbildung genießen konnte", sagt die in Würzburg lebende Ärztin, die seit Kurzem in Rente ist. Das sei alles andere als selbstverständlich. Denn Gasangwa war ein Flüchtlingskind aus Ruanda, das mit seiner Mutter in Uganda - nahe Nakaseke im Luweero-District - Zuflucht gefunden hatte. Doch auch hier wurde die Familie in politische Unruhen verwickelt. 

    Bürgerkrieg im Luweero District

    Es sei eine schwierige Zeit gewesen während des Bürgerkrieges im Luweero District, erzählt Krumme . "Die Menschen wurden immer wieder von Truppen bedroht, die der damalige Ministerpräsident Milton Obote zur Bekämpfung der Untergrundbewegung von Yoweri Museveni in die Region geschickt hatte." Viele mussten ihre Felder oder ihr Vieh verlassen und sich verstecken. "Es gab gewaltsame Übergriffe in den Dörfern und viele Tote. Wir, das Team von Cap Anamur/ Deutsche Notärzte e.V., die im District Hospital lebten und arbeiteten, wurden vielfach Zeugen davon."

    "Es gab gewaltsame Übergriffe in den Dörfern und viele Tote."

    Bärbel Krumme, ehemalige Ärztin in Krisengebieten

    Viele Menschen suchten Schutz im Hospital. Zweimal habe ihr Team die  Erstürmung des Krankenhauses verhindern können, "weil wir uns vor die Schutzsuchenden in die Eingänge stellten, einmal aber nicht". Dieses eine Mal sei sie dann zu Fuß mit den vielen Menschen ins Soldaten-Quartier gegangen und habe von dort aus mit einer Teamkollegin einen Shuttle aufrechterhalten. "Wir fuhren mit dem Auto hin und her, um die Menschen mit frischem Trinkwasser zu versorgen und die Kinder mit Nahrung", erzählt Krumme.

    Bärbel Krumme war über Jahre hinweg als Ärztin in Krisengebieten tätig. Foto: Angie Wolf
    Bärbel Krumme war über Jahre hinweg als Ärztin in Krisengebieten tätig. Foto: Angie Wolf

    Keine Zeit für Angst 

    Es sei eine sehr bedrohliche Situation gewesen, bei der die Männer von den Frauen und Kindern getrennt wurden. "Die Menschen waren auf das Schlimmste gefasst. Abends haben wir aus dem Hospital Laternen geholt und das Soldaten-Quartier beleuchtet." Das beunruhigte das Militär, weil es nun von Weitem sichtbar war. "Nach Einbruch der Dämmerung durften wir alle Gefangenen wieder ins Hospital zurückführen", erinnert sich die 75-Jährige.

    Angst habe sie in dieser Zeit nicht gehabt. Brenzlige Situationen, ja, die habe es gegeben, aber "für Angst gab es einfach keine Zeit. Wir waren immer damit beschäftigt, zu helfen und zu versorgen". Als Heldentat sieht sie das keineswegs. Eher sogar als etwas Normales, Alltägliches. "Mein Onkel war Schiffsarzt und hat mir als kleines Mädchen von seinen Reisen erzählt. Das hat mich beeindruckt und mein Fernweh geweckt. Und ein Helfersyndrom hatte ich schon immer", sagt die Frau, die im Laufe ihres Arbeitslebens immer wieder in Krisengebieten unterwegs war.  

    Vater war Opfer des Genozids in Ruanda

    Dass sie allerdings heute gemeinsam mit Gasangwa in Würzburg auf ihrer Terrasse sitzt, ein Mitbringsel, eine Kette aus Ruanda, um den Hals trägt, beruht auf einem großen Zufall.  

    Nach dem Leid, das Gasangwa schon als kleines Kind in Uganda miterlebte, reiste er als 13-Jähriger zurück nach Ruanda und musste erfahren, dass sein Vater Opfer des dortigen Genozids geworden war. Schon zuvor hatte der Junge zu Gott gebetet und versprochen, "dass, wenn Gott mir eine Ausbildung schenkt, ich den Rest meines Lebens diene, indem ich anderen Menschen helfe".  

    Durch eine Hilfsorganisation, die ihn in Ruanda aufgriff, bekam Gasangwa die Möglichkeit, das College zu besuchen, später erhielt er ein Stipendium für ein Studium in Colorado/USA. Er arbeitete für verschiedene Hilfsorganisationen und schloss seinen "Master of Business" im Jahr 2011 ab. Auf einer Hilfsmission lernte er vor neun Jahren Rupert Neudeck kennen, den Mitbegründer von Cap Anamur. "Er fragte mich über mein Leben aus, und durch Zufall kamen wir auf meine Kindheit in Uganda und den Vorfall im Nakaseke-Krankenhaus." Gasangwa erfuhr, dass Neudeck die Ärztin Krumme kannte und sogar wusste, wo sie lebt. "Ich war überwältigt und nahm sofort Kontakt zu ihr auf."  

    "Ich möchte meinem Land helfen, auf eigenen Beinen zu stehen."

    John Gasangwa aus Ruanda

    Eigene Hilfsorganisation gegründet  

    "Seitdem schreiben wir uns regelmäßig und erzählen uns von unseren Leben", erklärt Krumme, die sehr berührt war, als sie die erste Mail von Gasangwa erhielt. Ihr Blick sagt, wie stolz sie auf den "Jungen" ist, den sie damals im Krankenhaus beschützte.

    Nachdenklich: John Gasangwa aus Ruanda hat viel erlebt und seine eigene Hilfsorganisation gegründet. Foto: Angie Wolf
    Nachdenklich: John Gasangwa aus Ruanda hat viel erlebt und seine eigene Hilfsorganisation gegründet. Foto: Angie Wolf

    Kurz nach seinem Studium gründete der 36-Jährige auch seine eigene Hilfsorganisation "Arise Rwanda". "Ich möchte meinem Land helfen, auf eigenen Beinen zu stehen", sagt er. Und löst damit auch das Versprechen ein, "das ich Gott gegeben habe". Projekte in den Bereichen Bildung, sauberes Wasser und auch Existenzgründung durch Kleinkredite stehen derzeit im Fokus.

    Für die Zukunft wünscht er sich, dass er seine Organisation weiter ausbauen kann, "auch würde ich gerne vermehrt an Universitäten unterrichten". Was das Private angeht: Eine Familie wäre toll, "aber erstmal muss ich die richtige Frau dafür finden". Mit Bärbel Krumme indes würde er sehr gerne nochmal an den Ort des Geschehens ins Uganda reisen: "Ich plane ein Buch über meine Erlebnisse zu schreiben", sagt er.      

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