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Würzburg: Wo einst in Würzburg grenzenlos das Bier in die Krüge floss

Würzburg

Wo einst in Würzburg grenzenlos das Bier in die Krüge floss

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    Uwe Dolata hält den Krug an die Stelle, von der aus einst das Bier in die Krüge der Bürgerbräu-Mitarbeiter floss. 
    Uwe Dolata hält den Krug an die Stelle, von der aus einst das Bier in die Krüge der Bürgerbräu-Mitarbeiter floss.  Foto: Eva-Maria Bast

    Uwe Dolata hat Pech: So lange er sein leeres Bierglas auch an das ehemalige Fenster hält – kein Tropfen des kühlen Gerstensafts fließt hinein. Kein Wunder: Das Fenster ist zugemauert, das Pförtnerhäuschen verwaist. Bier wird hier schon lange nicht mehr gebraut, stattdessen Kultur gemacht, auch Uwe Dolata und seine Frau Silvia sind hier aktiv. Vor ein paar Jahrzehnten war das noch anders: Wer mit seinem Bierkrug zu diesem Fenster ging, hatte durchaus Chancen, nicht enttäuscht zu werden. Denn auf dem Gelände war das Würzburger Bürgerbräu beheimatet, dem Uwe Dolata bescheinigt, seinerzeit „eine der modernsten Brauereien Europas“ gewesen zu sein.

    „In dem Gebäude direkt neben dem Pförtnerhäuschen befand sich das Sudhaus“, nähert er sich dem Geheimnis. „Und von diesem gab es eine Leitung in das kleine Pförtnerhäuschen. Durch die Leitung floss das noch obergärige Bier in die Gläser der Mitarbeiter. Denn der Pförtner hatte nicht nur die Aufgabe, Gäste und Lieferanten zu begrüßen, nein, er schenkte auch ganztägig den nicht endenden Haustrunk an die Mitarbeiter aus. Und Dolata weiß noch mehr: „Jeder Brauereimitarbeiter trug einen Krug am Gürtel und hatte das Recht, sich so viel Bier zu holen, wie er nur wollte.“

    Ihren Bierkrug hatten die Brauerei-Mitarbeiter immer am Mann

    Ein Zeitzeuge habe ihm berichtet, dass der „Krug immer am Mann“ war und so mancher auch mit einem Rausch nach Hause kam. „Der Bierausschank war tatsächlich unbegrenzt und es wurde auch während der Arbeitszeit schon mal über den Durst getrunken. Der Krug war zunächst am Gürtel, befüllt wurde er dann irgendwo abgestellt und störte nicht.“ Das Bier, das die Mitarbeiter nicht tranken, landete im Kühlhaus, das ist jenes Gebäude, das den Hof Richtung Osten abgrenzt. Hier wurde Eis hergestellt und das Bier in einer Wanne gekühlt. „Das ganze Haus war schon elektrisch versorgt“, sagt Dolata. „Und das 1896, als es in Würzburg noch kein Elektrizitätswerk gab.“

    Die Geschichte des Unternehmens „Bürgerbräu“ beginnt im Jahr 1809, als der Winzer und Schultheiß Kilian Lauck in Zell am Main eine Bierbraukonzession erwirbt und das einstige Weinhändlerpalais zur Brauerei umbaut. 1815 wird sein „Brauhaus Zell am Main“ eröffnet und 1832 von Michael Böhnlein übernommen. Der schlägt schon eine erste Brücke in die Würzburger Zellerau, indem er in der Frankfurter Straße einen Lagerkeller bauen lässt. Gebraut wird nach wie vor in Zell am Main. Das ändert sich, als die Familie Kinzinger ins Spiel kommt: Karl Anton Kinzinger kauft die Brauerei im Jahr 1840 gemeinsam mit einem Mann namens Wiskemann, modernisiert und verkauft sie schließlich 1877 an Johann Baptist Kinzinger und Gustav d’ Henglière. Nach und nach zieht die Brauerei bis 1966 ganz nach Würzburg und nennt sich von da ab „Bürgerliches Brauhaus Zell-Würzburg Kinzinger & d’Henglière“.

    Würzburg war im 19. Jahrhundert eine echte Bierstadt

    Würzburg ist zu jener Zeit eine echte Bierstadt: Im 19. Jahrhundert befinden sich hier zwölf Brauereien. „Auch gibt es mehr öffentliche Bierkneipen als Weinschenken“, wie Dr. Christian Naser in einem Aufsatz über die Geschichte der Brauerei schreibt. Kein Wunder, dass der Laden brummt und das Unternehmen wächst – zumal das Bier nicht nur in Unterfranken schmeckt: Das Würzburger Bürgerbräu ist die erste Brauerei Bayerns, die in die USA exportiert. Doch der Erste Weltkrieg und die darauffolgende Weltwirtschaftskrise macht den Brauereien schwer zu schaffen, viele müssen nun schließen, kostet eine Maß Bier 1923 doch stolze 520 Milliarden Mark – und keiner hat Geld.

    Der Zweite Weltkrieg tut ein Übriges: Nach Kriegsende gibt es in Würzburg nur noch zwei Brauereien: das Würzburger Hofbräu und das Bürgerbräu. 1972 übernimmt der Brauereiriese „Patrizier Bräu Nürnberg“ und investiert 1984 eine halbe Million Mark. 1986 feiert man noch 100 Jahre Würzburger Brautradition, doch schon drei Jahre später, am 19. Dezember 1989 wird im Bürgerbräu zum letzten Mal gebraut, nachdem es schon Monate zuvor Gerüchte über eine oder eine bevorstehende Insolvenz gegeben hatte. Die Stadt erwirbt das Gelände und weite Teile liegen im Dornröschenschlaf, aber nach erfolgter Privatisierung blüht das Areal nun zu einem Kulturzentrum auf. Spätestens seit diesem Zeitpunkt ist das Fenster am Pförtnerhäuschen zugemauert und es fließt kein Bier mehr in die Gläser von Brauereimitarbeitern.

    Stattdessen fließen jede Menge Ideen aus den Köpfen all jener, die hier arbeiten. Denn aus der ehemaligen Brauerei ist ein Kulturzentrum geworden, ein Ort für kreative Menschen. Hier passiert Kunst, hier findet Austausch statt. Und wer Durst bekommt, wird ebenfalls nicht enttäuscht: Ein Café gibt’s schließlich auch und im Sommer ist sogar der Innenhof bestuhlt. Dann kann man hier sitzen und mit Blick auf das ehemalige Sudhaus Getränke konsumieren. Bier gibt’s hier auch wieder – sein Glas muss aber niemand selbst mitbringen.

    Text: Eva-Maria Bast

    Der Text stammt aus dem Buch „Würzburger Geheimnisse - Band 2“ von Eva-Maria Bast, das in Kooperation mit der Main-Post entstand. Das Buch enthält 50 Geschichten zu historischen Geschehnissen und Orten. Präsentiert werden die Begebenheiten jeweils von Würzburger Bürgern.

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