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WÜRZBURG: Wo Frauen halb so viel wert sind

WÜRZBURG

Wo Frauen halb so viel wert sind

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    Ein Stück mit politischer Brisanz: „In Gegenwart des Windes“ wird in Würzburg inszeniert von der Exiliranerin Niloofar Beyzaie.
    Ein Stück mit politischer Brisanz: „In Gegenwart des Windes“ wird in Würzburg inszeniert von der Exiliranerin Niloofar Beyzaie. Foto: Foto: Vahid Monjezi

    Der brisanten Frage, inwieweit eine Gesellschaft, die jahrzehntelang einen totalitären Staat zulässt, schuld an den Verbrechen dieses Staats ist, geht in ihrer Produktion „In Gegenwart des Windes“ die Frankfurter Theatergruppe „Daritsche“ nach. Das Drei-Mann-Stück in persischer Sprache mit deutschen Übertiteln ist im Würzburger Theater ensemble zu sehen. Der Eintritt ist frei, denn neben deutschem Publikum sind vor allem iranische Flüchtlinge als Zuschauer angesprochen.

    Die erste Szene des Stücks beginnt harmonisch, wird bald ziemlich unfreundlich und endet in einem handfesten Konflikt. Im Mittelpunkt stehen drei Menschen, die über die Vorteile der Versöhnung reden. „Die drei sind die einzigen Überlebenden einer Katastrophe und sollen danach suchen, wer am Tod der anderen schuldig ist“, erzählt Regisseurin Niloofar Beyzaie, die mit „In Gegenwart des Windes“ ein Stück ihres Vaters Bahram Beyzaie inszeniert. Alle drei sind sich einig, dass sie selbst keinerlei Schuld tragen. Aber wer ist wohl humanistischer? Über diese Frage entbrennt zwischen zweien von ihnen ein erbitterter zu Konkurrenzkampf.

    Solcherart Entsolidarisierung zählt für Niloofar Beyzaie zu den größten Hindernissen im Kampf um bessere Verhältnisse. Die Masken tragenden Schauspieler in dem 1969 verfassten Stück verraten einander, um Vorteile zu erlangen. So kann sich nichts verbessern, meint die Theaterfrau mit Blick auf die totalitären Strukturen im Iran. „Das Undemokratische dort fängt schon bei der Gesetzgebung an“, betont sie. Das iranische Grundgesetz kennt keine Gleichberechtigung: „Im Zivilrecht, das von Koran und islamischen Gesetzen übernommen wurde, haben zwei Frauen die gleiche Stimme wie ein Mann.“

    Der Abend im Theater ensemble will auch an das brutale Vorgehen der iranischen Regierung gegen Oppositionelle erinnern. „In den letzten 32 Jahren wurden tausende Dissidenten hingerichtet, erhängt oder starben unter grausamster Folter“, sagt die Regisseurin. Selbst harmlose Vergehen würden hart bestraft. So dürfen sich Frauen seit der islamischen Revolution vor 37 Jahren nicht ohne Kopfbedeckung in der Öffentlichkeit zeigen: „Frauen dürfen also nicht über ihren eigenen Körper bestimmen. Das Tragen des Kopftuchs ist gesetzlich verankert, und wer die Gesetze nicht befolgt, landet im Gefängnis.“

    Das Thema wurde in den vergangenen Monaten wieder aktuell, soll doch die iranische Polizei im Mai acht Menschen wegen „unislamischer Taten“ verhaftet haben. Darunter waren Frauen, die im Internet Fotos von sich veröffentlicht haben sollen, auf denen ihre Haare zu sehen waren. Eine von ihnen war das Social-Network-Model Elham Arab. Über ihre Theaterarbeit setzt sich Niloofar Beyzaie seit Jahren aktiv für Frauen ein, die in den vom politischen Islam regierten Ländern unterdrückt werden. Weitere zentrale Themen der 1967 geborenen Regisseurin sind „Das Fremdsein“ und „Das Leid des Individuums in der Masse“.

    Niloofar Beyzaie lebt seit 1985 in Deutschland im Exil. 1994 gründete sie nach dem Abschluss ihres theaterwissenschaftlichen Studiums in Frankfurt die freie Theatergruppe Daritsche. Ihre Theaterstücke wurden bisher über 300 Mal in ganz Europa, USA und in Kanada aufgeführt und sorgten auch für Aufmerksamkeit in der iranischen Presse.

    Die Schauspieler von „Daritsche“ (deutsch: Guckloch) weisen mit ihren Aufführungen auch darauf hin, wie viele Künstlerinnen und Künstler aus totalitären Regimen ins Exil vertrieben werden. Avantgardistisches Theater ist in Staaten wie dem Iran unmöglich. Gleichzeitig macht das Ensemble bewusst, wie wertvoll Demokratie ist. „Das deutsche Grundgesetz sieht alle Menschen als gleichberechtigt an, Glaube, Zugehörigkeit oder Geschlecht spielen keine Rolle“, so Niloofar Beyzaie. Natürlich sei auch in Deutschland nicht alles ideal: „Aber hier hast du als Individuum, als Partei oder Organisation das Recht, gegen eventuell bestehende Ungereimtheiten zu protestieren.“

    Das Gastspiel findet Freitag bis Sonntag, 28. bis 30. Oktober, statt. Beginn der Vorstellung ist jeweils um 20 Uhr. Der Eintritt ist frei. Die Produktion im Theater ensemble (Bürgerbräu- Gelände) wird über die Stiftung „Demokratie leben!“ gefördert.

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