Glaskästen oder Steinhäuser? Glatte Fassaden oder Schnörkel? Architektur scheidet die Geister, große Bauprojekte lösen regelmäßig Kontroversen aus. „Umso wichtiger ist es, dass miteinander diskutiert wird“, sagt Architekt Rainer Kriebel. Eine Möglichkeit, sich über Architektur zu informieren, aber auch, über aktuelle Baukultur zu diskutieren, bietet der Würzburger „Treffpunkt Architektur“, in dem sich 15 unterfränkische Architekten- und Ingenieurverbände zusammengeschlossen haben.
Seit 2002 gibt es die Plattform, die von der Bayerischen Architektenkammer mit 20 000 Euro jährlich unterstützt wird. Anfangs hatte der Treffpunkt in der Würzburger Herrnstraße auch einen festen Ort, an dem Ausstellungen, Vorträge, Diskussionen und Fachtagungen stattfanden. „Den gaben wir vor vier Jahren auf, weil es uns sinnvoller erschien, unsere Themen an unterschiedlichen Orten der Stadt zu präsentieren“, sagt Kriebel, der sich im sechsköpfigen Treuhänderkreis des Treffpunkts engagiert. In diesem Gremium wird zweimal im Jahr entschieden, welche Themen in kommenden Halbjahr auf der Agenda stehen und wo die Veranstaltungen realisiert werden sollen.
Ungewöhnliche Ausstellung
Ein vom „Treffpunkt“ oft bespielter Ort ist das „einraum.atelier“ in der Würzburger Laufergasse. Hier präsentierte Architekt Matthias Braun kürzlich seine Ausstellung „Zwischenraum“. Sämtliche Kosten der dreitägigen Werkschau wurden aus dem von der Architektenkammer zur Verfügung gestellten Budget bestritten. Die Ausstellung selbst war insofern ungewöhnlich, als sich Matthias Braun, bekannt für die Balthasar Neumann-Badewanne in Randersacker, an der Grenze zwischen Architektur und Kunst bewegt. Damit unterscheidet er sich von Kollegen, die ausschließlich baukulturell tätig sind.
Den „Treffpunkt“ selbst schätzt Braun als Netzwerk. Vor Konkurrenz durch seine Kollegen hat er keine Angst. „Als Architekt muss man kooperieren, zum Beispiel mit Fachingenieuren“, sagt er: „Einzelkämpfer kommen nicht weit.“ Eine Ansicht, der seine Kollegin Katrin Hansmann beipflichtet.
Die Ingenieurin ist Landschaftsarchitektin und ebenfalls im Treuhänderkreis des „Treffpunkts“ aktiv. Bei unterschiedlichen Projekten muss sie mit Planern und Ingenieuren kooperieren. Jeder Auftrag ist anders. Jeder stellt neue Anforderungen. Jeder konfrontiert aber auch mit neuen Fragen die andere Branche betreffend. Der „Treffpunkt“ führt die Fäden zusammen und schafft es, gegenseitiges Verständnis zu wecken.
In den 14 Jahren seit Gründung des „Treffpunkts“ veränderte sich das Themenspektrum kontinuierlich. Am Anfang war „Barrierefreies Bauen“ ein großes Thema. Hierzu gibt es auch nach wie vor regelmäßige Beratungsstunden. „Wobei die von Architekten kaum noch nachgefragt werden, die wissen inzwischen Bescheid“, erklärt Kriebel. Nur bei Spezialfragen, so Michael Hetterich, der ebenfalls dem Treuhänderkreis des „Treffpunkts“ angehört, wird hier Rat eingeholt: „Barrierefreiheit bedeutet ja keinesfalls nur, ein Gebäude rollstuhlgerecht zu machen. Es geht auch um die Bedürfnisse blinder oder gehörloser Menschen.“ Und die könnten einander diametral entgegenstehen.
Beratung für Privatpersonen
Interessant ist das Beratungsangebot, das am 29. Juni von 14 bis 16 Uhr das nächste Mal bei der Regierung von Unterfranken stattfindet, weiterhin für Privatpersonen. Hausbesitzer zum Beispiel können sich bei Berater Armin Kraus, Architekt aus Gemünden, erkundigen, wie sie ihr Haus, etwa nach der Pflegebedürftigkeit eines Familienmitglieds, barrierefrei umgestalten können. Kraus informiert zudem, welche Fördermöglichkeiten es dafür gibt.
Fasst man das Thema „Barrierefreiheit“ weiter, ist es nach Ansicht von Würzburgs Architekten im Übrigen keineswegs obsolet geworden. Durch Flüchtlingsunterkünfte, betonen sie, werden heute ganz neue architektonische Barrieren zwischen Migranten und Einheimischen geschaffen. Womit Flüchtlinge derzeit baulich abgefertigt werden, stößt bei den Architekten auf Kritik. „Das hat mit Baukultur nichts zu tun“, sagt Kriebel. Dabei geht es auch anders, zeigte eine „Treffpunkt“-Veranstaltung, bei der im März über ein kultursensibles, auf die Bedürfnisse von Migranten ausgerichtetes Bauen diskutiert wurde.
Im Mittelpunkt stand die kühne Vision des jungen Architekten Fabian Reuter. Der begann in Würzburg, Architektur zu studieren, setzte seine Studien in Berlin fort und landete schließlich im schottischen Glasgow. Dort befasste er sich in seiner Masterarbeit mit ungewöhnlichen architektonischen Antworten auf den Zuzug von Migranten.
Neues Veranstaltungsformat
Mit einem neuen Format will der „Treffpunkt Architektur“ am 16. September an den Start gehen. „Wir möchten Architektur und Musik verbinden“, verrät Rainer Kriebel. Auf diesen Termin dürfen sich alle Ba-rockfans, Freunde der Würzburger Residenz sowie Jazzliebhaber freuen. Drei Jazzmusiker werden die Gäste durch die Residenz geleiten und die barocken Räume dadurch auf besondere Weise erlebbar machen.
Dieses Veranstaltungsformat soll künftig alljährlich im Herbst organisiert werden. Jedes Mal soll ein spezieller Raum in Würzburg im Mittelpunkt stehen. „Es kann zum Beispiel sein, dass wir uns einmal hinunter in die Kanalisation begeben“, so Kriebel. Oder hinein in eine Gemeinschaftsunterkunft.