Siemens Konzernchef Klaus Kleinfeld lobte den ausgehandelten Deal seinerzeit als „Superbeispiel für die Zusammenarbeit zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern“. Für den hiesigen Betriebsrat Rudi Baumeister ist diese Aussage mittlerweile so etwas wie „ein Wortbruch auf höchster Ebene“.
Siemens plane jetzt nämlich, die Sparte VDO entweder separat an die Börse zu bringen oder gar zu verkaufen. Ein potenzieller Käufer des Standortes Würzburg wäre nicht gezwungen, sich an den damals erstrittenen Ergänzungstarifvertrag zu halten, sagt Baumeister.
Schon am Gründonnerstag sollen sich drei Manager des Großkunden für VDO-Fensterheber, der Firma Brose aus Coburg, in den Werkshallen umgesehen haben. Für Baumeister und seine Betriebsratskollegen ergibt es auf einmal Sinn, dass sich die Arbeitgeberseite schon seit Wochen gegen Verhandlungen über die Übergangsregelung für die Zeit nach 2010 gesperrt hat.
Siemens hatte bereits angekündigt dass im Gesamtbetrieb VDO etwa 1000 Leute an fünf Standorten bundesweit gehen müssten. Würzburg war davon aber ausdrücklich ausgenommen. Allerdings verlangten die Konzernherren im Gegenzug die Steigerung der Produktivität um fünf Prozent. Dies sei aber bei einem gleichen Auftragsvolumen automatisch nur mit Personalabbau zu machen, so Rudi Baumeister gegenüber dieser Zeitung.
Standort vor der Zerschlagung?
Nächste Woche soll die Gesellschafterversammlung der Firma Brose über ein Kaufangebot entscheiden. Übernächste Woche dann sondiert der Siemens-Aufsichtsrat, ob VDO an Brose, den Reifenhersteller Continental oder gar an Finanzinvestoren veräußert wird. Bei einem Verkauf sieht der Betriebsrat seinen Standort vor der Zerschlagung.
Bei Informationsveranstaltungen am Donnerstag konnten die Betriebsräte die Belegschaft gerade noch von spontanen Arbeitsniederlegungen abhalten. „Die Leute wären am liebsten aufgestanden und heimgegangen,“ berichtet Rudi Baumeister. Sie fühlen sich betrogen, weil sie 2005 auf Lohn verzichtet hatten, um ihre Arbeitsplätze zu sichern.
Ernüchtert zeigt sich Landrat Waldemar Zorn, der sich vor zwei Jahren vehement für den Erhalt des Standorts eingesetzt hatte. Im vergangenen Jahr erst hatte Zorn Siemens-VDO besucht. „Da ist mir ganz klar versichert worden, dass der Standort erhalten bleibt“, sagt er, „davon gehe ich auch heute noch aus“. Über den Wert einer solchen Versicherung zweifelt aber selbst der Landrat. „Die Verantwortlichen in Konzernspitzen sind an den Befindlichkeiten von Kommunalpolitikern nicht interessiert“, stellt er fest.
„Der Konzern würde der Belegschaft in den Rücken fallen“, sagt der stellvertretende Vorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion, Walter Kolbow, der sich 2005 ebenfalls kräftig für die Mitarbeiter eingesetzt hatte. Er fordert Vertrauensschutz für den vereinbarten Verzicht auf Kündigungen, auch für den Fall eines Verkaufs. „So weit die Politik das kann, schmeißen wir uns dafür in die Waagschale.“
Wenn es zum Verlust von Arbeitsplätzen käme, würde das ohnehin angeschlagene Vertrauen in den Siemens-Konzern weiteren Schaden nehmen. Aus dem Urlaub am Bodensee hat er sich mit dem Betriebsrat in Verbindung gesetzt und Briefe an Klaus Kleinfeld und Siemens-Aufsichtsratschef Heinrich von Pierer geschrieben. Aus dem Würzburger Rathaus war am Freitag keine Stellungnahme mehr zu erhalten.
Für Landrat Waldemar Zorn wiegen vor allem die Einzelschicksale der langjährig Beschäftigen schwer. Viele von ihnen sind in einem Altern, in dem sie trotz hoher Qualifikation kaum noch Chancen auf dem ersten Arbeitsmarkt haben.