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WÜRZBURG: Würzburg liest 2018: Jehuda Amichai neu entdecken

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Würzburg liest 2018: Jehuda Amichai neu entdecken

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    Jehuda Amichai wird bei Würzburg liest ein Buch 2018 gelesen.
    Jehuda Amichai wird bei Würzburg liest ein Buch 2018 gelesen. Foto: Foto: Königshausen & Neumann

    Als 2014 die Aktionsgemeinschaft „Würzburg liest ein Buch“, zu der sich die Buchhandlungen Dreizehneinhalb, Knodt, Neuer Weg und Schöningh zusammengeschlossen hatten, zum ersten Mal zu einer Leseaktion in der ganzen Stadt aufrief, wusste niemand, ob dieses Format Anklang finden würde. Doch mit Leonhard Franks „Die Jünger Jesu“ hatte man einen Text ausgewählt, der sehr viele Menschen in der Stadt mobilisierte.

    Nicht anders war es zwei Jahre später, als die Würzburger eingeladen wurden, die Novelle „Der Aufruhr um den Junker Ernst“ von Jakob Wassermann zu lesen. Wieder gab es über 100 Lesungen, Diskussionen, Ausstellungen, Führungen und vieles mehr.

    Nächstes Jahr geht es in die dritte Runde mit dem Roman „Nicht von jetzt, nicht von hier“ des in Würzburg geborenen Schriftstellers Jehudi Amichai. Die Planungen dafür haben bereits begonnen.

    Kandidat für den Nobelpreis

    Wenn die offizielle Präsentation der Roman-Neuauflage im Toskanasaal der Residenz ein Indiz für die bevorstehende Resonanz der Leseaktion gewesen sein sollte, dann dürfte einem abermals überwältigenden Erfolg kaum etwas im Wege stehen. Der Saal im Neumann-Schloss war nämlich bis auf den letzten Platz gefüllt.

    Und niemand brauchte sein Kommen bereuen. Denn obwohl Amichai, der 1924 in Würzburg als Ludwig Pfeuffer geboren wurde und 1935 mit seiner Familie nach Palästina emigrierte, später mehrfach auf der Liste für den Literatur-Nobelpreis stand, ist er in seiner Heimatstadt eher nur Eingeweihten ein Begriff. Bei der Buchvorstellung konnte man viel Wissenswertes über den Schriftsteller erfahren, der in Israel als der Nationaldichter schlechthin gilt und mit höchsten Auszeichnungen geschmückt wurde.

    Eine Straße ohne Adresse

    In Würzburg erinnert seit dem Jahr 2004 eine Straße – allerdings eine ohne Postadresse (was er mit Leonhard Frank gemein hat) – an ihn. Und als die Stadt Würzburg 1981 erstmals einen Kulturpreis vergab, wählte sie Amichai als Preisträger aus. Der berühmte Schriftsteller reiste damals aus Jerusalem, wo er seit 1936/37 lebte, in die Stadt seiner Kindheit, um die Auszeichnung entgegenzunehmen.

    Nach Würzburg, das er im Buch Weinburg nennt, führte ihn auch seine gedankliche Reise in dem 1963 erschienenen Roman „Nicht von jetzt, nicht von hier“. Es ist der einziger Roman Amichais, dessen Ruhm sich in erster Linie auf seine Lyrik begründete.

    Neue Taschenausgabe für „Würzburg liest“

    Erstmals seit 1989 erscheint der Roman jetzt eigens für die Leseaktion wieder in einer Taschenbuchausgabe im Würzburger Verlag Königshausen&Neumann, hob Uni-Vizepräsident Wolfgang Riedel hervor und machte in seiner Eigenschaft als Literaturprofessor gleich noch ein paar Anmerkungen. In dem autobiografisch zu verstehenden Roman gehe es um die Sehnsucht nach dem Kindheitsparadies der Heimatstadt, aber auch um Hass und Rachegefühle, weil durch den Holocaust dieser Sehnsuchtsort vernichtet wurde.

    Elisabeth Stein-Salomon, Vorsitzende des „Würzburg liest ein Buch“ e.V., der die Leseaktion veranstaltet, wünscht sich für die dritte Leseaktion vom 19. bis 29. April 2018 wieder eine große Bandbreite von Veranstaltungen. Trotz seiner weltweiten Bedeutung sei Amichais Werk in sowohl in Deutschland als auch in Würzburg noch zu wenig präsent: „Das soll sich jetzt ändern“, so die Buchhändlerin.

    Ein Treffen mit Jehuda Amichai

    Burkard Hose, der Vorsitzende der mitveranstaltenden Gesellschaft für christlich-jüdische Zusammenarbeit, hatte sich mit Schauspieler Rainer Appel zusammengetan, um Amichais Biografie zu erklären. Als er als Theologiestudent zum ersten Mal mit dem Schriftseller zusammentraf, habe er ihn vorher gar nicht gekannt. Ihm sei lediglich erzählt worden, dass Amichai der bedeutendste Lyriker des modernen Israel sei. Er sei dann auf einen Mann getroffen, der „von hier war, aber irgendwie auch nicht“, sagte er in Anlehnung an den Romantitel.

    Appel las aus dem Amichai-Text „Mein Judentum“, in dem er vom jüdischen Leben in Würzburg erzählt. Er habe hier die Feindseligkeit der nichtjüdischen Welt gespürt, schreibt er, aber diese Feindseligkeit habe sein Zugehörigkeitsgefühl zum Judentum nur noch verstärkt.

    Lyrik für den Alltag der Menschen

    Bei späteren Treffen sei ihm ein bescheidener Mann begegnet, für den das Alltägliche alles andere als banal war, berichtete Hose. Das habe sich auch in seiner Lyrik niedergeschlagen, die für viele Menschen alltagstauglich und damit auch Lebenhilfe geworden ist – bis heute. Sein jüdischer Glaube sei stets untrennbar mit ihm verbunden gewesen, doch habe Amichai „auch mit dem Frommen gehadert“, so Hose. Sein Leben lang aber sei Amichai denen entkommen, die sich seiner bemächtigen wollten. Er sei stets unabhängig, aber nicht bindungslos geblieben.

    Mit Amichai Würzburg neu entdecken

    Hans Steidle, Stadtheimatpfleger und Autor, fühlte sich bei der Lektüre des Romans angesichts seiner Bildmächtigkeit an den frühen Günter Grass erinnert, berichtete er. Schon dies mache den Roman lesenswert, auch wenn er nicht immer ganz einfach geschrieben sei. Man könne mit dem Buch aber auch durch die Stadt gehen und dabei die Geschichte und die Spuren der Vergangenheit sehen. Für Amichai ist Würzburg/Weinburg aber auch die Kulisse für Menschen, die er kannte und die ermordet wurden, was Rainer Appel mit einem Ausschnitt aus dem Roman unterstrich. Das wirft für den Autor die Frage auf, wie in einer so schönen Stadt und Landschaft die Menschen so grausam sein konnten. Steidles Fazit: „Man kann in dem Roman eine Wirklichkeit erkennen, die man so in Würzburg nicht mehr kennt, die man aber kennenlernen sollte“.

    Klaviermusik passend zum Buch

    Zu dieser Wirklichkeit gehören auch die Klänge, die Rudi Ramming am Flügel beitrug. Zentrales Stück war die Komposition des Würzburgers Gernot Tschirwitz mit dem Titel „Ein Meister aus Deutschland“ nach dem Gedicht „Todesfuge“ von Paul Celan. Es ist ein hochemotionales und technisch äußerst anspruchsvolles Stück und die Beklemmung im Saal war förmlich spürbar. Mit versöhnlichen, romantisch anmutenden Klängen aus Erich Wolfgang Korngolds „Märchenbildern“ entließ der Pianist die zahlreichen Besucher, die nach fast zwei lehrreichen Stunden viel Wissenswertes mit nach Hause nehmen konnten.

    Neues von „Würzburg liest“: Wer immer auf den neuesten Stand der Leseaktion 2018 gebracht werden möchte, kann sich unter der E-Mail- Adresse info@wuerzburg-liest.de anmelden und erhält dann regel- mäßige Informationen.

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