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Würzburg: Würzburger Adventskalender: Familiäre Leitkultur

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Würzburger Adventskalender: Familiäre Leitkultur

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    Würzburger Adventskalender: Familiäre Leitkultur
    Würzburger Adventskalender: Familiäre Leitkultur Foto: Symbolfoto Christin Klose, dpa

    Oh je, die Main-Post fragt an, ob ich für die Adventsrubrik persönliche Erlebnisse zum Thema Weihnachten mit maximal 2800 Zeichen schicken kann. Ich will auf keinen Fall was zum Thema "Viren unterm Weihnachtsbaum" verfassen, das können wir alle nicht mehr lesen, aber wie in der Kaffeewerbung ist es bei uns eben auch nicht, trotz prominenten Nachnamens. Sie kennen doch den Spot, dieses Jahr wieder süßlich-verklärend, penetrant mit Dean Martins "Let it Snow"-Version unterlegt?

    Wenn ich an die echte Familie Jacobs denke, so ist die ganz anders: Die lebt weit verstreut und trifft sich (wenn nicht gerade eine Pandemie herrscht) regelmäßig zu den Festtagen, um mit unerbittlichem Willen fragwürdige Familientraditionen zu pflegen. Ja, bei uns gibt es in Sachen Weihnachten eine strenge Leitkultur, die in Teilstücken auch in anderen Haushalten bekannt sein dürfte: Drei Haselnüsse für Aschenbrödel im linearen Fernsehen, gestresster Familienstreit vor der Kirche, religionskritische Debatte in der Kirche, komplette Familienversöhnung über alle Religionen und Konfessionen hinweg nach der Kirche, Kartoffelsalat mit Würstchen, ein Glöckchen und das gruppendynamisch wirksame "Oh, wie schön!" im Wohnzimmer, selbst wenn die Tanne offensichtlich die letzte Krücke im Wald war.

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    Spannend wird es für mich, wenn das von meiner Schwester aus dem Jahr 1984 in sechsfacher Form handschriftlich raubkopierte Weihnachtsgesangsbuch gezückt wird. Niemand singt mit so viel Masochismus so schräg wie meine Familie, selbst die Haustiere steigen da jaulend mit ein. In besonderen Jahren gibt es im Anschluss dann noch ein improvisiertes Krippenspiel zur Belustigung der Enkelkinder, zumal der Opa auch schon mal den Esel machen musste, da ja nicht jeder von uns eine Maria oder der Erzengel sein kann.

    Dies ist dann der Zeitpunkt, wo sich die Kompatibilität angeheirateter Partner sowie deren mitgebrachter Familienangehöriger offenbart. Wer Weihnachten bei uns mental verkraftet, der übersteht  alle zukünftigen Ehekrisen und Familienprobleme. Manch einer von den neuen Familienangehörigen entwickelte nach anfänglicher Zurückhaltung echte Fundamentalismen: Als mein 80-jähriger Vater zuletzt vorschlug, es auch mal mit veganen Würstchen zu versuchen, da die klimafreundlicher wären, war ausgerechnet mein weltgewandter, im Ausland lebender Schwager sein größter Kritiker: "Wie kannst Du nur, das entspricht nicht unserer Familientradition!" hieß es da empört. Früher hat der Mann übrigens noch Karpfen in Wien gegessen, heute ist er der lauteste Möchtegern-Bariton unseres Familienchores.

    Apropos Singen: "Let it Snow" haben wir auch im Repertoire. Für Zuhörer wäre der Song in der "Familienversion" zwar nicht zu erkennen, aber wenn Sie mich fragen: Dean Martin kann da trotzdem nicht mithalten.

    Text: Kathrin Jacobs

    Kathrin Jacobs ist Fachbereichsleiterin Kultur der Stadt Würzburg.

    In der Kolumne "Würzburger Adventskalender" schreiben Menschen aus der Region Würzburg Anekdoten und Gedanken rund um Advent und Weihnachtsfest.

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