Den zweiten Advent verbrachte ich in diesem Jahr in Innsbruck, das mir seit meinem Studium vor 42 Jahren sehr vertraut und zur zweiten Heimat geworden ist. Der Gang über den zentralen "Weihnachtsmarkt" bot das gleiche Bild wie in allen Städten. Menschenmassen schoben sich regelrecht durch die Altstadt bis hinauf zur Annasäule in der Maria-Theresien-Straße – vorbei an den zahlreichen Buden und Verkaufsständen mit ihren vielfältigen Angeboten.
Umso erstaunter war ich, als ich am Rand der Maria-Theresien-Straße einen Plakatständer sah, auf dem der Hinweis zum Segnungsgottesdienst in der unmittelbar danebenliegenden Spitalkirche zu lesen war. Als ich das Portal öffnete, traute ich meinen Augen nicht: Ich sah ein dicht besetztes Gotteshaus. Lieder und Texte wurden vorgetragen. Viele Menschen gingen nach vorne, wo zwei Priester jedem einzelnen die Hände auflegten und einen persönlichen Segen zusprachen. Es gibt also nach wie vor Menschen, die sich im Advent aufmachen und die Nähe zu Gott suchen, der uns zumeist – wie die Weihnachtsbotschaft berichtet – in ungewöhnlicher Umgebung und in unverhofften Situationen entgegenkommt.
All das verbinde ich seit Kindesbeinen mit der Adventszeit. Die erwartungsfrohe Zeit mit ihren gewachsenen Bräuchen hat sich mir eingeprägt: Wie wir als Kinder Moos im Wald holten und Stroh besorgten und im Laufe der Adventswochen die Krippe aufbauten. Die zu Herzen gehenden Melodien, die ansprechenden, zum Nachdenken anregenden Texte und Erzählungen, der Schein der vielen Lichter von Adventsbögen und Kerzen in ausgestellten Laternen ebenso wie am Adventskranz – all das kündet von einer Welt, die Menschen zusammenbringt und Geborgenheit schenkt. Dazu gehörten auch die frühmorgendlichen "Rorate-Gottesdienste" im Kerzenschein.
Die bewusst gestaltete Adventszeit hat mich von klein auf fasziniert, hat die Zeit für mich wertvoll gemacht und mich geprägt. Als Pfarrer war es mir deshalb ein großes Anliegen, mit den Menschen in meiner Gemeinde bewusst die Zeit des Adventes zu gestalten, um so das Herz weit werden zu lassen, damit Weihnachten und die damit beginnende Weihnachtszeit zu einem frohen Fest werden konnten. Denn wir spüren: Gott kommt uns entgegen.
Diese Botschaft war und ist für mich der Kern der Adventszeit, wie ich sie schon als Kind erlebte. Diese Botschaft ermutigt, bestärkt und erfreut Menschen auch in unseren Tagen, wie ich es am zweiten Advent dieses Jahres in Innsbruck erleben konnte. Trotz des Markt-Rummels sind Menschen offen für die eigentliche Botschaft des Advents.
Von Herzen wünsche ich allen, dass sie ihrem Herzen die Chance geben, sich zu öffnen und zu ahnen: Gott kommt uns entgegen! Ein gesegnetes und frohes Weihnachtsfest!
Clemens Bieber ist Vorsitzender Caritasverband für die Diözese Würzburg.
In der Kolumne "Würzburger Adventskalender" schreiben Menschen aus der Region Würzburg Anekdoten und Gedanken rund um Advent und Weihnachtsfest.