Am dritten Adventssonntag klingelt das Telefon. Eine kindliche Stimme ruft "Haaallooo!". Wer ist denn da? "Die Alma!", ruft unsere vierjährige Enkelin fröhlich. Und sprudelt los: "Oma, die Blume blüht schon, und es ist doch noch gar nicht Weihnachten!"
Gleich fällt mir ein, welche Blume Alma meint. Ende November schenkte ich ihr einen Ritterstern, eine Amaryllis, die mit kurzem Stiel und fest verschlossener Knospe unscheinbar in ihrem Plastiktopf steckte. Ich versprach Alma, dass das ein wunderschöner Stern werden würde bis Weihnachten. Und jetzt war es schon so weit. "Wie viele Blüten hat denn dein Ritterstern?" – Stille. Ihre Mutter kommentiert: "Jetzt muss Alma hoch in ihr Kinderzimmer laufen, um die Blüten zu zählen…".
Kurz darauf wieder die Kinderstimme: "Oma, vier große Blüten hat meine Blume! Und alle sind so schön rosa!" Almas Lieblingsfarbe, die Begeisterung ist umso größer. "Du musst mal zu uns kommen, Oma, damit du die Blume auch sehen kannst!" Das schaffen wir vor Weihnachten leider nicht mehr.
Ich schlage vor: "Mama kann doch ein Foto von dir und dem Ritterstern machen und uns schicken." Am nächsten Morgen kommt per Whatsapp das Foto: Alma im Schlafanzug selig lächelnd neben ihrem rosaroten Ritterstern. Welch große Freude für uns Großeltern, die die vier weit entfernt lebenden Enkel viel zu selten sehen können.
In der Adventszeit verbinden Stern-Traditionen unsere Familien, von Hamburg bis in den Odenwald. Pünktlich zum ersten Advent leuchtet in unserem Treppenhaus ein großer gelber Herrnhuter Stern, vor 30 Jahren das Geschenk einer Freundin aus Potsdam. Früher war es jedes Jahr die Aufgabe meines Sohnes, den Stern zusammenzustecken und aufzuhängen. In der dunklen Jahreszeit leuchtet dieser Stern mir Geborgenheit und Zuversicht entgegen, wenn ich von der Arbeit nach Hause komme. Auch meinen Kindern habe ich Herrnhuter Sterne geschenkt, als Leuchtspur der Familienbande in dieser besonderen Zeit.
Eine andere Tradition hat meine Mutter, Liebhaberin von Pflanzen und Blumen, ins Leben gerufen. Seit meiner Kindheit brachten eine ganze Reihe von rot und grün leuchtenden Weihnachtssternen auf der Fensterbank im Wohnzimmer Farbe und Vorfreude aufs Fest in unser Elternhaus in Maidbronn. Und viele Jahre schenkte sie meiner Schwester und mir zum ersten Advent einen großen roten Weihnachtsstern. Jetzt bringen wir ihr die blühenden Weihnachtsboten als Geschenk und sie freut sich, dass wir ihre Tradition in unseren Häusern fortführen. Die kleine Alma wird die Liebe zu den Blumen, das Staunen über die Kraft der Natur, die aus unscheinbarem Grün wunderbare Blüten hervorbringen kann, in der vierten Generation weitertragen.
Text: Eva-Maria Schorno
Eva-Maria Schorno leitet seit 13 Jahren die Presse- und Öffentlichkeitsarbeit am Landratsamt Würzburg.
In der Kolumne „Würzburger Adventskalender“ schreiben Menschen aus der Region Würzburg Anekdoten und Gedanken rund um Advent und Weihnachtsfest.