CDU und CSU hätten ein „unwürdiges Schauspiel“ aufgeführt, sagt FDP-Bezirkschef Karsten Klein. Die hart umkämpfte Einigung der Unionsoberen auf einen Asylkompromiss stößt bei Parteienvertretern in der Region auf Kritik. Derweil hängt es an der SPD sowie an Österreich und Italien, ob die Idee von Transitzentren zur Zurückweisung von Flüchtlingen, die bereits in anderen EU-Ländern einen Asylantrag gestellt haben, auch umgesetzt werden kann.
Wie zuvor schon Partei-Vize Dorothee Bär (Ebelsbach) und CSU-Vorstandsmitglied Anja Weisgerber (Schwebheim) begrüßt auch ihre Bundestagskollegin Andrea Lindholz (Goldbach) die Einigung in Berlin. Die Transitzentren könnten einen wesentlichen Beitrag leisten, um die „Sekundärmigration“ nach Deutschland zu reduzieren, sagt die Vorsitzende des Innenausschusses. Die Unionsfraktion habe sich nicht auseinanderdividieren lassen, so Lindholz, „weder durch strittige Detailfragen noch durch persönliche Befindlichkeiten“. Deshalb habe man diese „pragmatische Lösung“ gefunden.
Schmitt: „Amoklauf gegen Angela Merkel“
Lindholz' CSU-Parteifreund Thomas Schmitt (Würzburg) sieht das anders. Die Einigung zu feiern, sei grotesk. „Da ist man dankbar, ein Feuer gelöscht zu haben, nachdem man wochenlang selbst auf dem Schlauch stand“, so der Würzburger Stadtrat. Er habe die unionsinterne Debatte „wie viele andere Wertkonservative und Liberale in der CSU“ ebenso beklemmend wie verheerend empfunden. Das nun erzielte Ergebnis rechtfertige es nicht, die politische Kultur aufs Spiel zu setzen, so wie es Horst Seehofer getan habe. Dem CSU-Chef, den er lange für seinen mäßigenden Einfluss auf Scharfmacher in der Partei verteidigt hat, wirft er nun einen „Amoklauf“ gegen Angela Merkel vor. Seine Delegiertenstimme werde Seehofer jedenfalls nicht mehr bekommen. Schmitt: „Ich habe fertig mit dem Kerl.“ An einen Austritt aus der CSU denke er aber nicht, so der 60-Jährige, „denn nicht ich, sondern andere müssen diese Situation verantworten“.
SPD-Bezirkschef Bernd Rützel (Gemünden) ist erleichtert ob der Einigung von CDU und CSU. Er hoffe, dass das „Kasperletheater“ nun ein Ende habe und die Koalition endlich arbeiten könne. Seehofer sei nun als Innenminister inhaltlich gefordert. „Die Überschriften im Einigungspapier müssen mit Leben gefüllt werden“, so Rützel. Noch warte man auf die im Koalitionsvertrag vereinbarten Ankerzentren, da sei plötzlich von Transitzzentren die Rede. Die SPD habe es mit einer Bewertung der Vorschläge nicht eilig, so der Bundestagsabgeordnete, man lasse sich von der Union nicht unter Druck setzen. Wichtig sei ihm, die Errungenschaften eines Europas ohne Schlagbäume dauerhaft zu sichern.
- Abrechnung über Merkels Politik im Bundestag erwartet
Klein: „Diese unmögliche Show hilft nur der AfD“
Karsten Klein (Aschaffenburg), der Vorsitzende der Unterfranken-FDP, glaubt, dass die „abstoßende Art der Debatte“ in CDU und CSU dem Wirtschaftsstandort Deutschland massiv geschadet hat. Die CSU habe ganz Deutschland „allein aus Angst um den Machterhalt in Bayern“ in Geiselhaft genommen. An diesem Schauspiel werde man noch lange zu knabbern haben. Diese „unmögliche Show“, so Bundestagsabgeordneter Klein, helfe nur der AfD. Und er fürchte, dass auch der nun gefundene Kompromiss („inhaltlich nichts Neues“), nicht viel ändert. „Der persönliche Konflikt Seehofer-Merkel bleibt dauerhaft eine Belastung für die Bundesregierung.“

Richtig wütend ist auch Manuela Rottmann (Hammelburg), Bezirksvorsitzende der Grünen. Zum einen sei das „Ausrollen von Stacheldraht und Aufstellen von Containern an der Grenze“ lediglich eine Scheinlösung und kein Konzept für Humanität und Ordnung im Umgang mit Flüchtlingen. Genau dieses aber lasse der Innenminister ebenso vermissen wie das Anpacken der tatsächlichen Probleme vor Ort. Wohnungsnot, die Entwicklung des ländlichen Raums oder die innere Sicherheit fielen alle in Seehofers Ressort. „Aber da passiert nichts.“ Zum Zweiten ärgert die Bundestagsabgeordnete Rottmann die „Verrohung der politischen Verfahren“ durch die CSU. Das Agieren mit Drohungen, Ultimaten, Erpressung und persönlicher Verachtung („da hat Seehofer alle Masken fallen lassen“) beschädige die Politik insgesamt. „Und dann wundern wir uns, dass sich die Leute von der Demokratie abwenden.“
Schuchardt: Fokus auf wirtschaftlich notwendige Zuwanderung richten
Der Würzburger Oberbürgermeister Christian Schuchardt ist das bekannteste CDU-Mitglied in Bayern. Er hält sich mit Urteilen über die handelnden Personen zurück, gibt sich derweil nachdenklich. Um Grenzen dauerhaft zu schließen, müsse man eine „Mauer der Inhumanität“ bauen. Dies aber wolle niemand. Deshalb fordert Schuchardt von allen Parteien einen Perspektivwechsel auf die Frage, „wie gestalten unser Land und Europa auch wirtschaftlich vernünftige und notwendige Zuwanderung“. Nur durch diesen Fokuswechsel werde man „von der getriebenen zur gestaltenden Kraft“.