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Würzburg: Würzburger Forscherin rät: Viel Fett, fast keine Kohlenhydrate!

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Würzburger Forscherin rät: Viel Fett, fast keine Kohlenhydrate!

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    Viel Fett, wenig Kohlenhydrate: Ulrike Kämmerer, Professorin an der Uniklinik in Würzburg, forscht seit Jahren, wie weit eine ketogene Diät im Kampf gegen Krebs und anderen Krankheiten hilft.
    Viel Fett, wenig Kohlenhydrate: Ulrike Kämmerer, Professorin an der Uniklinik in Würzburg, forscht seit Jahren, wie weit eine ketogene Diät im Kampf gegen Krebs und anderen Krankheiten hilft. Foto: Patty Varasano

    Wenig Kohlenhydrate, dafür viel Fett: Sogenannte Low-Carb-Diäten können beim Abnehmen helfen oder Sportlern bei der Leistungssteigerung. Doch die Effekte sind umstritten. Die radikalste Form ist eine ketogene Diät, bei der fast komplett auf Kohlenhydrate verzichtet wird. Der Name stammt von den Ketonkörpern: organische Verbindungen, die bei dieser Ernährungsweise verstärkt gebildet werden und den Stoffwechsel verändern. Professorin Ulrike Kämmerer vom Uniklinikum Würzburg forscht seit Jahren zur "Keto-Diät" und ist überzeugt: Sie könne vielen Patienten bei verschiedensten Krankheiten helfen. International, sagt die Humanbiologin, nehme das Thema derzeit enorm an Fahrt auf, fast wöchentlich gebe es neue Studien. Sie selbst forscht seit 1996 an der  Frauenklinik und beschäftigt sich seit 2006 schwerpunktmäßig mit dem Thema Tumorstoffwechsel und ketogene Diät. Kämmerer arbeitet mit Zellkulturen, betreut aber auch klinische Studien wie die "KOLIBRI-Studie", die an der Rehaklinik in Bad Kissingen mit Brustkrebspatientinnen durchgeführt wurde.

    Frage: Frau Kämmerer, ernähren Sie sich eigentlich selbst ketogen?

    Ulrike Kämmerer: Ja, seit zehn Jahren. Also zu 60 Prozent im Jahr, den Rest „low carb“, also mit wenig Kohlenhydraten.

    Und warum? Was hat Sie dazu veranlasst?

    Kämmerer: Die Erkenntnisse aus der Grundlagenforschung, die wir 2006 durch Zellkulturversuche und Publikationen hatten, wollten wir auch Patienten anbieten. Ich konnte mir aber nicht vorstellen, dass man so fettreich essen kann, ohne zu leiden. Ich komme aus der Müsli- und Wenig-Fett-Fraktion. Deshalb wollte ich es selbst ausprobieren.

    Mit welchem Ergebnis?

    Kämmerer: Ich habe festgestellt: Gelenkprobleme verschwinden, Müdigkeit ist weg, die Leistungsfähigkeit steigt deutlich – auch beim Bergsteigen zum Beispiel. Auch Allergien und Heuschnupfen hat man dann nicht.

    Das sind alles eigene Erfahrungen?

    Kämmerer: Ja, sonst hätte ich es nicht weitergemacht. Wobei ich keine ernstzunehmende Krankheit hatte, sondern nur Alltagszwickwehwehchen. Ich wollte ausprobieren, ob wir eine solche Diät den Patienten zumuten können. Und habe festgestellt: Sie schmeckt, ist gut machbar und mir ging’s deutlich besser. 

    Fett, so hat es immer geheißen, ist schlecht. Dafür sind Obst und Gemüse gesund. Und auf diese Kohlenhydrate sollen wir jetzt verzichten?

    Kämmerer: Das stimmt nicht ganz. Es wird nur Zucker- und Stärkereiches vermieden. In der ketogenen Diät für Patienten ist viel Gemüse drin: Blattgemüse und stärkearme Gemüse wie Brokkoli, Blumenkohl, Sellerie, Salate. Das wird sogar in größeren Mengen gegessen als in der Standardernährung. Und beim Obst müssen wir kohlenhydratarmes Beerenobst nehmen: Himbeeren, Blaubeeren, Erdbeeren oder Johannisbeeren. Auch Avocado geht gut. Sie ist extrem fettreich.

    Ulrike Kämmerer mit Zellkulturen in ihrem Labor an der Würzburger Uniklinik.
    Ulrike Kämmerer mit Zellkulturen in ihrem Labor an der Würzburger Uniklinik. Foto: Patty Varasano

    Was unterscheidet denn die ketogene Ernährung von der Low-Carb-Diät?

    Kämmerer: Die ketogene Diät stellt den Stoffwechsel im Körper komplett auf Fastenstoffwechsel um. Das schaffe ich nur, wenn ich mindestens 80 Prozent der Energie durch Fett zu mir nehme. Low carb bedeutet, nur weniger Kohlenhydrate und etwas mehr Fett zu sich zu nehmen. Die ketogene Diät ist praktisch die extremste Form einer Low-carb-Ernährung. Die Grundidee ist: Der Stoffwechsel muss sich ändern, nur dann erzielt man eine Wirkung.

    Für wen kommt diese Art von Ernährung in Frage?

    Kämmerer: Medizinisch eingesetzt wird sie in der Epilepsie, vor allem bei Kindern. Hier bringt man es auf bis zu 50 Prozent Anfallsfreiheit. Ketone greifen in den Hirnstoffwechsel ein. Deshalb ist die ketogene Ernährung sinnvoll bei neurodegenerativen Erkrankungen wie Alzheimer, Parkinson oder ALS. Und schließlich bei Krebserkrankungen, wozu wir hier am Klinikum forschen.

    Klingt nach einem Wundermittel. Gibt’s dafür wissenschaftliche Belege?

    Kämmerer: Ja, allerdings nicht für „Wunder“. Beispiel Krebs. Dazu erschien gerade erst eine Studie aus dem Iran, wonach Frauen mit Brustkrebs durch ketogene Diät größere Überlebenschancen haben. Durch die Umstellung ihres Stoffwechsels sind die Patienten körperlich fitter, verkraften die Therapien besser und der Tumor wächst nicht so schnell. Gerade bei einer Chemotherapie kann die ketogene Diät unterstützen. Hierzu liegen Daten vor. Bei Epilepsie wurde der positive Effekt tausendfach publiziert.

    Warum gerade Epilepsie?

    Kämmerer: Bei den Neuroerkrankungen kommt der Stoffwechsel im Gehirn offenbar mit Zucker nicht zurecht. Bei der Ketose habe ich anstelle von Zucker einen alternativen Brennstoff: Wie beim Fasten versorgen zu 80 Prozent Ketone unser Gehirn. Die Ketonenkörper sind Energielieferanten, die sauberer verbrennen als Zucker. Und durch ihre Verarbeitung im Gehirn stellt sich auch der Neurotransmitterstoffwechsel um. Das bewirkt scheinbar, dass das Gehirn wieder besser arbeiten kann.

    Aber Gehirn braucht doch Zucker.

    Kämmerer: Nein, falsch! Gehirn braucht Energie. Und das kann genauso in Form von Ketonen sein. Zucker nimmt das Gehirn nur, wenn nichts anderes im Angebot ist.

    Also beim Energieloch Bratwurst statt Gummibärchen?

    Kämmerer: Bratwurst statt Gummibärchen. Aber dieses Loch haben Sie bei der ketogenen Ernährung erst gar nicht. Ihr Energielevel bleibt auf einem normal niedrigen Blutzuckerspiegel. Der versorgt die wenigen Zellen, die wirklich auf Blutzucker angewiesen sind: die roten Blutkörperchen, ein paar spezialisierte Nebennierenzellen und ein paar Subzellen im Gehirn. Die Muskulatur steigt komplett auf Fettverwertung um. Fürs Gehirn stellt die Leber aus den Fettsäuren die Ketonkörper her.

    Und was passiert bei Krebspatienten?

    Kämmerer: Sie haben einen veränderten Stoffwechsel. Der Krebs bewirkt, dass die Muskulatur nicht mehr gut Zucker aufnehmen kann. Der Tumor braucht viel Zucker zum Wachsen, für die Zellteilung. Die Muskeln können aber hervorragend mit Fett arbeiten. Damit hat ein Krebspatient wieder mehr Kraft. Die Ketonkörper können den Muskelabbau verhindern und in den Tumorzellen das Wachstum reduzieren.

    Ernährungswissenschaftler bestreiten das, die deutsche Krebsgesellschaft rät von einer ketogenen Diät ab.

    Kämmerer: Es gibt dazu vielfach publizierte Daten aus Zellkulturen und Tiermodellen. Wir haben selbst dazu Mäuseversuche gemacht und die Ergebnisse veröffentlicht. Bei der Mäusegruppe mit ketogener Diät sind die Tumore deutlich langsamer gewachsen als bei der Gruppe mit gewöhnlicher Ernährung, größere Teile in den Tumoren sind abgestorben. Außerdem haben sich die Zellen nicht so schnell geteilt. Tumore wachsen unter ketogener Ernährung schlechter und langsamer.

    Und sind die Erkenntnisse bei Mäusen auf den Menschen übertragbar? Gibt es Studien mit Krebspatienten?

    Kämmerer: Wir haben zwei Studien dazu gemacht und die Daten publiziert. Wir durften aber nur „präfinale“ Patienten behandeln, die "austherapiert" waren. Von ihnen ist immerhin ein Drittel wieder in einen stabilen Zustand gekommen.

    Krebspatienten klammern sich an jeden Strohhalm. Wieviel Hoffnung sollte man ihnen damit machen?

    Kämmerer: Was unseriös ist: Heilung zu versprechen. Das geht definitiv nicht. Was man aufgrund aller Daten sagen kann: Die Ketose bringt körperliche Besserung, mehr Kraft, lindert das Erschöpfungssyndrom bei Krebs. Patienten schlafen besser und halten die Therapien deutlich besser aus. Wir können aber nicht versprechen, dass der Tumor durch die Diät eliminiert wird.

    Viel Fett - ist das nicht schädlich für das Herz-Kreislaufsystem? Man denke an das Cholesterin oder Gicht durch erhöhte Harnsäure?

    Kämmerer: Nein, im Gegenteil. Es gibt seit 2005 internationale Studien, die verschiedenste Diäten an großen Gruppen verglichen haben. Was die Blutfett- Leber-oder Nierenwerte angeht, war die ketogene Diät immer allen anderen Ernährungsformen überlegen. Wir sehen bei unseren Patienten: Der Cholesterienspiegel kann zwar vorübergehend ansteigen. Die Risikofaktoren sind aber die Blutfette, die Triglyceride. Sie sinken dramatisch ab. Und das gute Cholesterin, das HDL, steigt deutlich an.

    Eine aktuelle Studie aus China kommt zu dem Schluss, die ketogene Diät schade der Darmflora und verstärke Entzündungsprozesse.

    Kämmerer: Das ist sehr unwahrscheinlich und nur denkbar, wenn man nicht genug Ballaststoffe zu sich nimmt – also Blattgemüse. Entzündungen werden durch die Ketose sogar gehemmt.

    Und ein Vitaminmangel ist nicht zu befürchten?

    Kämmerer: Nein, im Gegenteil, weil sich die Leute bewusster ernähren und eher das nährstoff- und weniger zuckerreiche Obst essen. Nehmen Sie Äpfel, Bananen, Orangen: Zucker, Zucker, Zucker – wenig Inhaltsstoffe. Was wir dagegen unter Obst verstehen: Beeren mit viel mehr wertvollen Inhaltsstoffen. Und beim Gemüse enthalten die verwendeten Sorten deutlich mehr Mikronährstoffe als in der Standardernährung.

    Und wer einfach abnehmen möchte? Was raten Sie dem?

    Kämmerer: Das wäre die klassische Atkins-Diät mit deutlich weniger Kohlenhydraten.

    Das heißt, Krebspatienten nehmen zu, die anderen nehmen ab?

    Kämmerer: Ja. Wenn der gesunde Mensch auf Fettstoffwechsel umstellt, kann er abnehmen. Patienten mit Krebs oder chronischen Entzündungen haben einen anderen Stoffwechsel. Sie sprechen auf die ketogene Ernährung anders an, so dass sie ihr Normalgewicht von unten her wieder erreichen können.

    Sie haben gerade einen großen internationalen Kongress über die ketogene Ernährung in Würzburg organisiert. Was waren die wichtigsten Erkenntnisse?

    Kämmerer: Der positive Einfluss bei Alzheimer war hochinteressant. Was ich auch nicht wusste: der Einsatz bei Autismus, vorgestellt von einer Kinderärztin aus den USA und davon ausgehend, dass Autismus eine Stoffwechselerkrankung des Gehirns ist. Spannend auch die Wirkung bei Multipler Sklerose.

    Und was gab es zu essen bei Ihrem großen Kongress?

    Kämmerer: Wir hatten zwei Tage lang ketogenes Essen für alle Teilnehmer. Als Vorspeise gab’s ketogenes Brot ohne Getreide mit Aufstrichen, eine cremige Blumenkohlsuppe mit Kokosraspeln, als vegetarischen Hauptgang so genannte Zudels, in Nudelform geschnittene Zucchini mit Tofu und Champignons in Sahnesauce, dazu einen Salat, und für die Fleischesser ein Schweinefilet in Kaffeekruste mit Blaubeersauce und als Püree keine Kartoffeln, sondern Sellerie-Pastinaken-Sahnepüree mit Salat. Als Nachtisch gab’s eine gemischte Platte unter anderem mit Pancakes mit Mascarpone-Himbeer-Füllung, ein Vanille-Kokos-Eis, etwas Papaya-Fächer dazu – und noch Cookies mit einem Nutella-Ersatz. Also man kann auch ketogen sehr gut essen!

    Ketogene Diät Bei der ketogenen Ernährung handelt es sich um eine streng fettreiche, kohlenhydratarme, weitgehend zucker- und stärkefreie Kost mit moderatem Proteinanteil. Der Anteil der Kohlenhydrate beträgt nur fünf bis zehn Prozent. Der Körper bezieht damit seinen Energiebedarf überwiegend aus Fettabbauprodukten, Fettsäuren und Ketonkörpern. Sie werden als organische Verbindungen in der Leber gebildet. Ob eine Ketose – also ein Stoffwechsel mit deutlichem Anstieg von Ketonkörpern – vorliegt, kann durch Blut- oder Urintests nachgewiesen werden. Durch diese Ernährungsform wird der Hungerstoffwechsel imitiert. Während beim Hungern der Körper auf Fettreserven und Muskelprotein zurückgreift, wird bei einer Keto-Diät über die Nahrung ausreichend Fett und Eiweiß zugeführt. Damit wird bei Patienten die Körpersubstanz vor einem Abbau geschützt. Zusätzlich bremsen Ketonkörper den Abbau von Eiweiß im Muskel was dem Gewichtsverlust bei Krankheit entgegenwirken kann. Auch Ausdauersportler nutzen einen ketogenen Ernährungsplan für die Trainingsphase vor dem Wettkampf, um ihren Fettstoffwechsel für längere Belastung zu stärken.  Beispiel für einen ketogenen Speiseplan: Frühstück: 1 Be. Sahnequark (40%) mit 50 ml Sahne + 30 ml Kokosöl + 5 ml Leinöl, Beerenobst (ca. 20g) + 50 g Macadamianüsse (gehackt) Omelette mit Speck, Avocado, Butterkäse, Mozarella, Oliven in viel Kokosöl gebraten Snack: 50 g dunkle Schokolade (85-90%) Käse (fett), Avocado oder Teewurst auf Butter-Keto-Brot Mittagessen: überbackene Zucchini mit Feta, fettem Käse und Olivenöl Bratwürstchen mit Speckkraut + in Kokosöl gebratenen Selleriescheiben Dessert: Macadamia-Schokocreme, Kokos-Panna Cotta Kaffee: Keto-Riegel / Keto-Kuchen (z.B. Mascarpone-Nuss-Erdbeere) Abendessen: Blattsalat mit: 1 Avocado, ¼ Tomate, 10 cm Gurke, ½ Karotte, ½ Mozarella, 50g Macadamia frische Kräuter, ½ Teel Balsamico und 50 ml Olivenöl. „kalte Platte“ mit Forelle, Lachs, Antitipasti, fettem Käse, fetter Wurst, Butter auf Ketobrot Getränke: Tee (grün, Kräuter), Kaffee (mit Sahne, Kokosöl), Wasser (5% Fruchtsaft)                                    (Quelle: U. Kämmerer)

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