Dr. Peter Mainka, Jahrgang 1961, ist wissenschaftlicher Angestellter am Lehrstuhl für Geschichte der Frühen Neuzeit der Universität Würzburg. Von 1999 bis 2002 war er Gastdozent an einer brasilianischen Uni und erfuhr von der Stadt, die noch heute ihre deutschen Wurzeln nicht verleugnet. Caio Koch-Weser, 1944 in Rolandia geboren und unter Gerhard Schröder Staatssekretär im Bundesfinanzministerium, nennt Mainkas kürzlich veröffentlichtes Buch über Rolandia „außerordentlich verdienstvoll“. Die Entstehung hat Volkswagen do Brasil finanziell unterstützt.
Bessere Zukunft
Die Geschichte der deutsch-brasilianischen Beziehungen beginnt gleich nach der Entdeckung Brasiliens. Immer wieder besuchten Abenteurer und Forschungsreisende wie Alexander von Humboldt (1769 – 1859) das Land. Seit dem 19. Jahrhundert kamen deutsche Einwanderer in größerer Zahl. „Die Hoffnung auf ein einträgliches Auskommen und eine insgesamt bessere Zukunft veranlasste insbesondere die Bewohner ärmlicher Gegenden wie etwa des Hunsrücks, das Wagnis der Auswanderung auf sich zu nehmen“, erläutert Mainka.
In die 1932 gegründete deutsche Kolonie Rolandia im Norden des brasilianischen Bundesstaats Paraná zogen zunächst vor allem Siedlungswillige, die dem durch Massenarbeitslosigkeit und den Aufstieg der NSDAP geprägten Deutschland entkommen wollten. Weil einige der Pioniere aus Bremen stammten, nannten sie ihre etwa 500 Kilometer östlich von Sao Paulo im Landesinneren gelegen Siedlung nach der Symbolfigur der Hansestadt. Unter ihnen war der ehemalige liberale Reichsinnen- und Reichsjustizminister Erich Koch-Weser (1875 – 1944).
In der Nähe lag die 1927 von Engländern gegründete Stadt Londrina, die heute in Deutschland vor allem als Heimatstadt von Giovane Elber bekannt ist, des langjährigen Stürmers von Bayern München.
Als sich 1934 abzeichnete, dass das totalitäre Naziregime keine kurze Episode bleiben würde, ließen sich auch zahlreiche politisch, rassisch oder konfessionell verfolgte Deutsche in Rolandia nieder; viele widmeten sich dem Kaffeeanbau.
„Was Rolandia von Anfang an von anderen deutschen Siedlungen unterschied, war die Tatsache, dass ein Teil seiner Siedler aus den höchsten politischen und wirtschaftlichen Kreisen der Weimarer Republik kam“ schreibt Peter Mainka.
Dieser illustre Kreis von ehemaligen hochrangigen Politikern und Juristen, Ingenieuren, Agronomen und Geschäftsleuten, Intellektuellen und Künstlern entfaltete ein reges kulturelles Leben mitten im Urwald.
Pater Mainka „Nachdem die elementaren Probleme der Pionierzeit überwunden waren, wurden regelmäßig Vorträge über Kunst und Literatur, Philosophie und aktuelle politische Fragen veranstaltet, Konzerte und Liederabende organisiert sowie vielfältige Kontakte innerhalb Brasiliens und nach Europa, besonders ins Nachkriegsdeutschland unterhalten.“ In Rolandia gab es privat organisierte deutsche Schulen, deren Absolventen ohne größere Schwierigkeiten das deutsche Abitur ablegen konnten.
So kam es, dass nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs nicht nur viele Flüchtlinge selbst wieder nach Deutschland zurückkehrten, sondern bald auch ein großer Teil der jüngeren Generation, die sich für ihr berufliches Fortkommen bessere Möglichkeiten in der aufstrebenden Bundesrepublik versprachen. Während diese Rückkehrer sich problemlos in Deutschland integrierten, wuchsen jene, die sich zum Bleiben entschlossen hatten, immer mehr in ihre neue Heimat hinein.
Die Verbindung zwischen Bremen und Rolandia blieb lebendig: Anlässlich des 25. Gründungsjubiläums der Siedlung wurde 1957 eine Nachbildung des Roland von Bremer Kaufleuten gestiftet und in Rolandia aufgestellt.
Peter Johann Mainka, Roland und Rolandia im Nordosten von Paraná: Gründungs- und Frühgeschichte einer deutschen Kolonie in Brasilien (1932 -1944/45), Sao Paulo 2008, 25 Euro, 326 S., zahlreiche Abbildungen. Bestellung per E-Mail: jmtiemann@hotmail.com