Was für eine Leidenszeit: Vier lange Jahre war Faeza Al Baadani ans Bett gefesselt. Jetzt kann die Frau aus dem Jemen wieder lachen – vor Glück: Sie umarmt die Therapeuten, die Ärztin im Würzburger impuls Rehazentrum. Dank Unterstützung vieler Beteiligter kann die 48-Jährige wieder auf eigenen Füßen stehen und gehen. Eine bemerkenswerte Erfolgsgeschichte humanitärer Hilfe, mit einem Umweg über Indien.
Vor vier Jahren war die Patientin nach einem Autounfall operiert worden, bekam in Kairo ein künstliches Hüftgelenk. Doch die OP wurde schlecht ausgeführt, die Gelenkpfanne lockerte sich und verrutschte. Selbstständiges Gehen? Unmöglich.
Bruder in Würzburg kämpft für seine Schwester
Es war ihr Bruder Saied Ali, den das Schicksal seiner Schwester im Jemen nicht ruhen ließ. Ali ist in Äthiopien aufgewachsen, lebt seit rund 20 Jahren in Würzburg und hat längst die deutsche Staatsangehörigkeit. Seit einigen Jahren ist er als Hausmeister in der Don-Bosco-Schule beschäftigt und dort sehr geschätzt.
Vor einigen Monaten nahm er den Kampf für seine Schwester auf: Die Hüfte sollte nochmal operiert werden – nun aber ordentlich und von Dauer. Nur: Das Bürgerkriegsland Jemen ist in großen Teilen zerstört, eine Cholera-Epidemie wütet. Vier Fünftel der Bevölkerung überleben nur mit internationaler Hilfe überleben, Zehntausende Zivilisten sind durch Hunger und Krieg schon ums Leben gekommen.
Schwierige Situation im Bürgerkriegsland Jemen
Die deutsche Botschaft in der Hauptstadt Saana ist seit 2015 geschlossen. Um das Visum für eine OP in Deutschland zu beantragen, hätte Al Baadani nach Kairo zur deutschen Vertretung reisen müssen. Ein Ding der Unmöglichkeit. Also suchte Bruder Saied nach Alternativen.
Nur noch wenige Flüge bringen Menschen aus dem Jemen. Und so organisierte Saied Ali von Würzburg aus die Operation seiner Schwester in einer Privatklinik im indischen Neu-Delhi. Unter großen Schmerzen wurde die Patientin Anfang August aus ihrem Haus im Jemen zum Flughafen Aden transportiert, in Neu-Delhi von ihrem Bruder in Empfang genommen und zwei Tage später operiert. Diesmal mit Erfolg.
Solidarität in Würzburg: Viele helfen finanziell
Dass der Don-Bosco-Hausmeister den fünfstelligen Betrag für Transport, Operation und Klinikaufenthalt seiner Schwester stemmen konnte, ist einer fantastischen Würzburger Solidaritätsleistung zu verdanken: Unterstützt von Schulleiter Harald Ebert und der ganzen Caritas wurde im Kollegen- und Freundeskreis gesammelt. Es wurde gespendet und Geld geliehen. Die Caritas engagierte sich.
In Estenfeld widmete das „Ensemble Taktlos“ sein Sommerkonzert diesem humanitären Projekt, der Chor „Heart & Soul“ gab im August ein eigenes Benefizkonzert im Theater am Neunerplatz– stolzer Erlös 2000 Euro. Abgesehen von der finanziellen Unterstützung fühlten sich Schwester und Bruder auch moralisch gestärkt.
Nach OP in Indien: Reha in Würzburg bringt Patientin voran
Nächster Schritt: eine konsequente Reha, dringend erforderlich nach vierjähriger Bettlägerigkeit und der neuerlichen Operation. Doch Faeza Al Baadani hierfür nach Deutschland, nach Würzburg zu bringen – das war eine weitere große Herausforderung. Würde die deutsche Botschaft in Neu-Delhi ein Visum ausstellen?
Auch hier halfen etliche Unterstützer zusammen: Schulleiter Ebert mit einem persönlichen Draht nach Indien, August Stich vom Missio ärztlicherseits, die Stadt Würzburg mit schneller und positiver Bearbeitung des Falles und schließlich: Das impuls Reha-Zentrum in Heidingsfeld mit der Bereitschaft, kostenlos die Reha für die Frau aus dem Jemen zu übernehmen.
„Das ist eine ganz liebe Patientin“
Anfang September trifft Faeza Al Baadani in Würzburg ein – und erlebt hier eine Art Wiederauferstehung. Zunächst noch an den Rollstuhl gefesselt, macht sie mit täglichen Übungen im Reha-Zentrum rasch Fortschritte, wechselt Rollstuhl gegen Gehbock und diesen gegen Krücken. Orthopädin Andrea Müller ist angetan: „Das ist eine ganze liebe Patientin. Sie macht toll und motiviert alles mit.“ Es scheint zu passen zwischen ihr und der Einrichtung in der Winterhäuser Straße. „Das ist wie meine Familie“, sagt Al Baadani, „ich mag alle sehr.“
Die gemeinsame Aufgabe ist fordernd. Wie Ärztin Müller erklärt, muss die Patientin nach der langen Liegezeit erst wieder Kraft finden und Muskulatur aufbauen. Auch die körperliche Koordination will erst wieder eingeübt sein. Es ist noch einiges zu tun, und so darf die Patientin auch im November weiter zu Übungseinheiten in das Reha-Zentrum kommen. Auch das Orthopädie-Haus Haas klinkte sich bereitwillig als Unterstützer ein, das Missio assistiert mit Röntgenbildern.
Mehrere Wochen im Heidingsfelder impuls-Rehazentrum
Impuls-Geschäftsführer Matthias Graeber stellt sich aus Überzeugung hinter dieses persönliche Projekt – der humanitäre Gedanke, das Zusammenwirken vieler Helfer gefällt ihm. Man wolle ein Zentrum für Bewegung sein, so Graeber. Eines, das sich am einzelnen Menschen orientiert.
So passt die Hilfe für Faeza Al Baadani auch zum Konzept der Einrichtung und in den Gesamtkontext dieser Hilfsaktion mit vielen Mitwirkenden, für die eines im Vordergrund steht: Das (Mit-)Mensch sein.