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WÜRZBURG: Würzburger Politikwissenschaftler: "Trump ist unberechenbar"

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Würzburger Politikwissenschaftler: "Trump ist unberechenbar"

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    Den Untergang des Abendlandes sieht Stefan Schwaneck mit der Wahl Donald Trumps nicht gekommen. Doch sein Wahlkampf, könnte auch auf Deutschland abfärben.

    Frage: Der nächste US-Präsident heißt Donald Trump. Sind Sie überrascht?

    Stefan Schwaneck: Vor gut einem Jahr, als die Vorwahlen begannen, war ich mir sicher, dass Hillary Clinton diese Wahl für die Demokraten nicht gewinnen kann. Sie war zu unbeliebt und für viele Mitglieder ihrer eigenen Partei ein rotes Tuch. Als dann jedoch Trump als Gegner feststand, schwenkte ich um und war zuletzt fest davon überzeugt, dass sie diese Wahl für sich entscheiden würde. In den vergangenen zwei Wochen bröckelte dieses Bild ein wenig, mit diesem Ausgang hätte ich aber nicht gerechnet.

    Hat man in den letzten Wochen Medien und Politikern in den USA und hierzulande zugehört, gewann man den Eindruck, wenn Trump gewinnt, geht die Welt unter.

    Schwaneck: Trump wird eine faire Chance bekommen, immerhin ist er nun ein demokratisch gewählter Präsident. Und es hilft uns gerade in Deutschland nicht, wenn wir ihm gegenüber eine Verweigerungshaltung einnehmen. Dafür sind die USA zu wichtig. Aber ja, möglicherweise wird er sehr weitreichende und aus unserer Sicht nicht wünschenswerte Entscheidungen treffen, die er im Wahlkampf angekündigt hat . . .

    . . . eine Mauer zu Mexiko etwa. Aber Washington ist keine Wahlkampfbühne. Hat er überhaupt die Macht dazu?

    Schwaneck: Als Präsident hat Trump in der Gesetzgebung zwar ein Veto-, aber kein Initiativrecht. Zudem gibt es in den USA keine „Kanzlermehrheit“, sondern der Präsident muss sich für jeden seiner Pläne eine neue Mehrheit suchen. Da die Republikaner nun in beiden Kammern des Kongresses – dem Senat und dem Repräsentantenhaus – ihre Dominanz für weitere zwei Jahre gesichert haben, sollte es Trump aber nicht allzu schwer fallen, diese Mehrheiten für republikanische Kernthemen zu organisieren. So dürfte er sicher Unterstützer für die Abschaffung von Obamacare finden, möglicherweise sogar für den Bau einer wie auch immer gearteten Mauer zu Mexiko. Unproblematisch wird es auch bei der Ernennung von Supreme-Court-Richtern, was aber sehr ernste Konsequenzen haben wird.

    Inwiefern?

    Schwaneck: Der Supreme Court ist das oberste US-Gericht und entscheidet über richtungsweisende politische Grundsatz- und Verfassungsfragen. Darunter fallen etwa das Recht auf Waffenbesitz, die Todesstrafe oder das Recht auf Abtreibung. Eine der ersten Aufgaben Trumps wird die Berufung eines neuen Richters in den Supreme Court sein, nachdem einer der Richter im Februar gestorben ist. Angesichts der Machtverhältnisse ist davon auszugehen, dass ein republikanischer Hardliner dessen Nachfolge antreten wird. Und es ist gut möglich, dass Trump noch in seiner ersten Legislaturperiode weitere Richter neu benennen kann: Zwei Richter, die dem liberalen Flügel zugerechnet werden, sind 80 Jahre oder älter. Und auch ein dritter eher moderater Richter hat mit 78 Jahren ein bereits hohes Alter erreicht. Da die Richter auf Lebenszeit ernannt werden, könnte sich dort, wo jetzt eine relative Ausgewogenheit zwischen Demokraten und Republikanern herrscht, auf Jahrzehnte hinaus eine Phalanx aus Abtreibungsgegnern, Schwulenfeinden, Waffennarren und anderen Reaktionären etablieren.

    Dennoch ist Trump als Präsident nicht allmächtig. Barack Obama hatte im Kongress keine Mehrheit und war deshalb in vielen Dingen blockiert.

    Schwaneck: Das ist richtig. Und Trumps Mehrheiten in Senat und Repräsentantenhaus sind auch nicht groß. Sollte er zu Beginn seiner Amtszeit in der Wählergunst sinken, könnte er dafür schon in zwei Jahren die Quittung bekommen, wenn ein Drittel des Senats und das Repräsentantenhaus neu gewählt werden. Dann könnte er eine komplett demokratische Mehrheit gegen sich haben.

    In seiner Rede am Wahlabend hat er sich fast schon präsidial gegeben und versprochen Gräben zu überwinden. Macht das Hoffnung?

    Schwaneck: Man hat das vor allem bei der dritten Fernsehdebatte gesehen: Da hat er sich lange Zeit präsidial gegeben, war sehr diszipliniert. Doch nach etwa einer Stunde konnte er sich nicht mehr beherrschen und hat wieder gepöbelt. Die Frage ist, was passiert, wenn er mal in einer Verhandlung mit Mexiko, der EU oder der Nato sitzt. Wenn es länger als eine Stunde dauert. Wenn er auf einem Gipfel mehrere Tage durchverhandeln muss. Wird er sich da unter Kontrolle haben? Das kann man schwer vorhersehen. Und was die USA betrifft, wird das Überwinden von Gräben extrem schwierig.

    Trumps Wahlkampf war auf blankem Hass aufgebaut, der tiefe gesellschaftliche Risse noch weiter verstärkte. Ich glaube nicht, dass sich das nur mit einem etwas freundlicheren Auftreten wieder kitten lässt. Da wird es sehr viel weitgehendere Anstrengungen brauchen.

    Meinungsforscher haben Clinton schon im Weißen Haus gesehen. Angesichts seines Auftretens und seiner Skandale ist Trumps Sieg nicht nur für Sie überraschend. Warum hat er trotzdem gewonnen?

    Schwaneck: Wählerbefragungen in den USA sehe ich grundsätzlich kritisch. Dies gilt insbesondere auf Bundesebene, da bei den Präsidentschaftswahlen Mehrheiten in jedem einzelnen Staat gewonnen werden müssen. Befragt man zufällig 3000 Wähler aus dem ganzen Land, erreicht man in manchen Staaten vielleicht nur 30 oder 40 Teilnehmer. Da sieben Staaten fast die Hälfte der Bevölkerung ausmachen, 20 andere Staaten aber zum Teil deutlich weniger Einwohner als Berlin haben, werden wichtige gesellschaftliche Gruppen oft gar nicht abgebildet oder wichtige Konflikte übersehen. Es gab in den letzten Wochen Umfragen, die am gleichen Tag veröffentlicht wurden und den gleichen Befragungszeitraum hatten: Die einen sahen Trump mit fünf Prozent vorne, die anderen Clinton mit sechs Prozent.

    Jeweils mit einer Fehlertoleranz von bis zu sechs Prozent. Da hätte man genauso gut eine Münze werfen können.

    Und was hat nun den Ausschlag für Trump gegeben?

    Schwaneck: Trump hat mit drei wesentlichen Einschätzungen Recht behalten: Erstens kreisten die Sorgen der Republikaner und der Wahlkampf der Demokraten um Afroamerikaner, Latinos, Frauen, Homosexuelle, Akademiker und andere Fokusgruppen. Dabei wurde die größte Wählergruppe vergessen: weiße Arbeiter. Das hat Trump recht früh verstanden und sich um die seit Jahrzehnten demokratisch geprägten Arbeiterregionen im Nordosten der USA – Pennsylvania, Michigan, Wisconsin – bemüht. Trump setzte hier seinen Willen gegen die Partei durch, die fest davon überzeugt war, dass es dort nichts zu gewinnen gäbe. Nun hat er genau diese drei Staaten gewonnen, die die Demokraten ebenso fest eingeplant hatten wie die CSU Bayern. Zweitens hat er gesehen, dass sich Clinton keine Fehler erlauben konnte. Es war eine Wahl gegen das Establishment, gegen politische Korrektheit. Während Clinton klar dem Establishment zugerechnet wurde, hat sich Trump als das komplette Gegenteil dargestellt. So konnte die Politikerin Clinton selbst kleine politische Skandale wie die E-Mail-Affäre über Monate hinweg nicht abschütteln, der Anti-Politiker Trump aber hatte eine Art Freifahrtschein und konnte sich wie die Axt im Wald aufführen.

    Wahrscheinlich hat dieses Verhalten sogar auf seine Markenbildung als Kämpfer gegen das Establishment eingezahlt.

    Das Verhalten Trumps, das viele als sein größtes Problem gesehen haben, war also ein Trumpf?

    Schwaneck: So muss man es im Nachhinein wohl sehen. Und diesen Aspekt zu erkennen, war sein dritter Schlüssel zum Sieg. Nur so war es ihm möglich Clinton zu diskreditieren, wo immer es ging, und das notfalls auch mit Lügen, weil ihm seine Anhänger diese nicht übel nahmen. Weil Clintons Image aber immer weiter beschädigt wurde, taten sich unentschiedene Wähler am Ende sehr schwer. Viele von ihnen waren gegen Trump, wollten Clinton mit all ihren Fehltritten aber nicht mehr wählen. Stattdessen häuften sich gerade in den Staaten, in denen mit demokratischen Siegen gerechnet wurde und Trump am Ende die Nase vorn behielt, die Stimmen für andere Kandidaten: In Michigan und Wisconsin stimmten zum Beispiel 4,7 Prozent der Wähler für die Kandidaten der grünen oder libertären Partei – bei einem hauchdünnen Vorsprung Trumps von 0,3 bzw. 1 Prozent gegenüber Clinton. Das gleiche Bild sehen wir in New Hampshire, Pennsylvania und in Florida. Wie schon im Jahr 2000, als Al Gore gegen George W. Bush zur Präsidentschaft gerade einmal 537 Stimmen in Florida fehlten, dürften auch diesmal die kleinen Parteien einen entscheidenden Einfluss gehabt haben.

    Was erwarten Sie von Trump außenpolitisch, gerade in Syrien und im Ukraine-Konflikt?

    Schwaneck: Ich bin zwar kein Experte für Außenpolitik, doch es ist davon auszugehen, dass Trump von Europa ein sehr viel stärkeres Engagement in der NATO fordern wird. Vor allem Deutschland wird sehr viel mehr für Verteidigung ausgeben und mehr Verantwortung übernehmen müssen, auch in Krisenregionen. Was die Krim angeht: Er strebt ein gutes Verhältnis zu Wladimir Putin an. Das könnte für Deutschland problematisch werden, wenn er die Annexion der Krim anerkennen würde – worüber er schon laut nachgedacht hat.

    Sie haben den Wahlkampfstil Trumps angesprochen, der zum Erfolg geführt hat. Wird das auf die Bundestagswahl kommendes Jahr abfärben?

    Schwaneck: Es ist davon auszugehen, dass deutsche Parteien diesen Wahlkampfstil sehr genau beobachtet und analysiert haben. Die SPD ließ sich bereits 2015 von US-Wahlkämpfer Jim Messina beraten, der unter anderem für Barack Obama und David Cameron gearbeitet hatte und vor schmutzigen Angriffen nicht eine Sekunde zurückschreckt. Und auch die Ankündigung der AfD im Bundestagswahlkampf Social Bots – also Programme, die im Internet automatisch Texteinträge verfassen – einzusetzen, lässt sich in diese Richtung verstehen.

    Zum Teil sammelt die AfD ja schon heute Erfahrungen mit der Strategie „Wir behaupten einfach alles, ob es stimmt oder nicht“. Sie spielt bewusst mit Empörung, der Wut auf das Establishment und stellt sich wie Trump als neue Kraft gegenüber den „Altparteien“ dar.

    Clinton ist auch keine Heilige. Wäre sie wirklich die bessere Wahl gewesen?

    Schwaneck: Aus der Ferne fallen solche Einschätzungen natürlich immer schwer. Nimmt man aber alles zusammen, wäre sie aus meiner Sicht das viel geringere Übel gewesen. Denn Clinton ist eine Politikerin. Und man weiß, wie Politiker ticken. Trump dagegen ist unberechenbar.

    Zur Person Stefan Schwaneck ist Lehrbeauftragter am Institut für Politikwissenschaft und Soziologie der Uni Würzburg. Der 32-jährige Würzburger besuchte in den vergangenen Jahren mehrfach die USA zu Forschungszwecken in verschiedenen US-Parlamenten. Schwaneck steht in Kontakt zu mehreren amerikanischen Wahlkampfmanagern. Im vergangenen Jahr organisierte er in Würzburg eine Veranstaltung mit dem republikanischen Wahlstrategen Vincent Harris.

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