Aus dem Fenster des alten Gemäuers von Burg Freudenberg wird ein überdimensionaler Drachenkopf lugen. Sein Flügel, vier Meter im Durchmesser, mutiert im Verlauf des Spiels in doppelter Weise zum Brautbett. „Einmal für Siegfried und Kriemhild und einmal für Gunther und Brunhild“, verrät Boris Wagner. Der Würzburger Schauspieler und Regisseur bringt Ende Juni in eigener Fassung das Nibelungenlied auf die Festspielbühne der zwischen Wertheim und Miltenberg gelegenen Burg Freudenberg.
Drei Monate saß Wagner im Sommer vergangenen Jahres an der Bearbeitung der in der Antike angesiedelten, mit mythischen Elementen gespickten Heldendichtung. „Burgunderblut“ heißt sein Stück. Seit März probt er es mit den Amateurschauspielern vom Freudenberger Burgschauspielverein. Uraufführung ist am 26. Juni um 20.30 Uhr.
Die Arbeit ist für Wagner reizvoll und stellt zugleich eine ziemliche Herausforderung dar. Denn weil es sich um ein Amateurensemble handelt, ist Boris Wagner als Allrounder gefragt. Er schrieb also nicht nur das Stück und verantwortet die knapp zweistündige Inszenierung. Auch die Ideen für Bühnenbild und Kostüme stammen von ihm. Zugute kommt ihn, dass er lange den Uniclub am Mainfranken Theater leitete. Auch da hatte er es mit Menschen zu tun, die zwar für ihr Leben gern schauspielern, aber nicht sonderlich firm sind, was den Theaterjargon anbelangt.
Das Nibelungenlied zählt zu den unsterblichen Werken der Weltliteratur. Fast jeder hat schon mal vom Helden Siegfried gehört, der mutig einen Drachen tötete. Fast jeder vermag den Namen „Kriemhild“ grob zu verorten. „Doch im Detail kennen sicher die wenigsten Menschen das Stück“ meint Paul Pagel, der mit seiner Frau Gerda die Burgfestspiele vor 28 Jahren gründete und mehrere Stück schrieb. Dass das Epos nun erstmals auf der Freudenburg gezeigt wird, begrüßt das Würzburger Ehepaar sehr. Denn das Odenwaldstädtchen hat viel mit den Nibelungen zu tun. „Freudenberg ist die Nibelungenstadt nach Worms“, betont Paul Pagel.
Vorkenntnisse nicht erforderlich
Wer sich nicht allzu gut mit dem Personal des Nibelungenliedes auskennt, sollte sich nicht von einem Besuch der Aufführung abhalten lassen. „Mir ging es nicht darum, etwas zu verschlüsseln, sondern vielmehr um Entschlüsselung“, betont Wagner. Das im 13. Jahrhundert entstandene Meisterwerk ist in seiner Inszenierung darum ohne jede Detailkenntnis nachvollziehbar.
Unter seiner Regie werden die Schauspieler die Tragik der Geschichte ergründen, aber auch die humorigen Aspekte aufzeigen. Im Mittelpunkt steht Siegfried, ein Held, der nach Boris Wagners Interpretation kein schlechter Kerl ist – allerdings wäre ihm zu raten, manchmal besser erst nachzudenken, bevor er handelt. Andererseits: Wäre er nicht so impulsiv, würden sich all die Irrungen und Wirrungen der Geschichte ja gar nicht ergeben. Was auch wieder schade wäre.
Brunhild und Kriemhild sind starke, allerdings in den damaligen Frauenrollen gefangene Charaktere. Frauen hatten in der Antike nun einmal deutlich weniger Handlungsmacht als Männer. Auch mag es uns Heutigen merkwürdig anmuten, dass sich eine Frau wie Brunhild im Zweikampf sprichwörtlich erobern lassen möchte. Andererseits ist das Frauenerobern, wenn auch in einer „Light-Version“, ein keineswegs ausgestorbenes Phänomen.
Ob Wagner auch künftig Regisseur der Freudenberger Burgfestspiele sein wird, steht noch nicht fest. „Offen bin ich“, meint er. Doch zunächst will er seine erste Arbeit gut über die Bühne bringen. Für den Festspielverein, der alle zwei Jahre zur Inszenierung eines selbst geschriebenen Stücks einlädt, wäre es wünschenswert, wieder einen festen Regisseur zu haben. Wie damals mit Dominik Neuner. Der leitete das Amateurensemble 16 Jahre lang.
Burgunderblut
„Burgunderblut“ feiert am Samstag, 26. Juni, um 20.30 auf Burg Freudenberg am Main Uraufführung. Weitere Vorstellungen wird es am 27. Juni sowie am 3., 4., 7. 10. und 11. Juli jeweils um 20.30 Uhr geben. Ab 20 Uhr ist Einlass in den Burginnenhof. Karten gibt es zum Preis von 13 bis 23 Euro. Kartenvorbestellungen und weitere Informationen im Internet unter www.burgschauspielverein-freudenberg.de