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Würzburg: Würzburger Ukraine-Tagebuch: Masha lernt das spießige Leben schätzen

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Würzburger Ukraine-Tagebuch: Masha lernt das spießige Leben schätzen

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    Claudia Görde (Zweite von rechts) und ihr Mann Matthias mit Tochter Fanny und Hund Ava haben Valentyna Stepanenko  (68) und ihre Tochter Masha (46), die aus der Ukraine geflohen sind, bei sich aufgenommen.
    Claudia Görde (Zweite von rechts) und ihr Mann Matthias mit Tochter Fanny und Hund Ava haben Valentyna Stepanenko (68) und ihre Tochter Masha (46), die aus der Ukraine geflohen sind, bei sich aufgenommen. Foto: Thomas Obermeier

    Wenn mir jemand vor zwei Monaten gesagt hätte, dass ich heute morgen in der Küche meiner Mutter sitze und über unsere Erfahrungen mit zwei geflücheteten Frauen in einer Zeitung berichte, den hätte ich für verrückt erklärt. Ehrlich gesagt, konnte ich mir auch nur am Rande vorstellen, was das alles bedeutet und wie es unser Leben verändert.

    In meiner romantischen Vorstellung einer ukrainischen Frau um die 70, erschien mir eine gemütliche, vollbackige mit einem geblümten Kopftuch gekleidete Babuschka, die vor allem backen und kochen kann. Vale erfüllt diese Klischees bis aufs Backen und Kochen mal so überhaupt nicht. Sie ist elegant und super modern. Und dass Masha in meinem Alter ist, in ihrem Herzen aber eher einer 20-Jährigen gleicht, das war ja auch nicht zu erwarten.

    Sie habe sich verändert, sagt Masha diese Woche zu mir. In Charkiw war sie viel mit jüngeren Leuten unterwegs, viel in Clubs, Tanzen, Radfahren, easy-going Life. Für sie begann der Krieg wie ein großes Abenteuer. Dass sie weg musste, um zu überleben, war für sie ein notwendiges Übel. Nun ist es der Beginn eines neuen Lebens. Sie realisiert, dass es nie wieder so sein wird, wie früher. Masha schätzt unser "spießiges" Leben, das geprägt ist von Arbeitsalltag, Kind und Familie und findet Gefallen daran. So etwas kann sie sich nun zum ersten Mal in ihrem Leben auch vorstellen.

    Oma Vale entdeckt ihr Talent, eine neue Sprache zu erlernen

    Valentyna entdeckt ihr Talent, eine neue Sprache zu erlernen. Ich schenke ihr meine alten Bluetooth-Kopfhörer und sie übt fleißig per Youtube deutsche Sätze. Wir tauschen Kochrezepte aus, besuchen meine Schwester. Beim Abendessen überkommt Vale eine tiefe Traurigkeit. Wir können sehen, was ihr durch den Kopf geht: Vorbei sind ihre unbeschwerten Abende mit Freunden, Wein und Gelächter. Wie sehr wünsche ich ihr, dass sie irgendwann auch einmal wieder Urlaubspläne schmieden kann, schmutzige Witze erzählt und drüber nachdenken muss, ob sie noch fahren kann.

    Wir gehen aufs Frühjahrsvolksfest und mit meiner Schwiegermutter zu ihrem Stammtisch beim Italiener. Deren Freunde sind um die 80 und es ist sehr aufregend für sie, einer "echten" Flüchtlingsfrau gegenüberzusitzen. Sie begegnen ihr mit so viel Herzlichkeit, dass einem warm ums Herz wird.

    Der Rest der Woche ist gefüllt mit dem Geburtstag meines Mannes (es gibt traditionellen ukrainischen Schichtsalat und unglaublich gute Windbeutel) und wir fahren nach Lüneburg zu meinen Eltern, wo erstmal Fotoalben herausgezerrt und bei einer Flasche Sekt angeguckt werden. Masha sagt, dass es auf dem Hof aussieht, wie im Museum und Vale meint, dass meine Mutter Eintritt für das schöne Bauernhaus mit den vielen alten Möbeln und Böden verlangen sollte.

    Alle lachen. Wir freuen uns auf die Tage, die vor uns liegen: Osterfeuer auf dem Dorfplatz und Lüneburg. Ich schätze es wird wieder sehr viele Videos und Fotos geben.

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