Das war auf den ersten Blick ein schwerer Happen für die Verantwortlichen bei der Stadt Würzburg, den sie da schlucken mussten: 9511 Einwohner weniger als bislang angenommen – nur 124 927 statt der bislang stets als amtlich verkündeten 133 808 Einwohner – hat die Stadt. So jedenfalls lautete die Botschaft des Zensus 2011, dessen Ergebnisse nach anderthalb Jahren Auswertung nun verkündet wurden.
Nicht mehr auf Rang fünf der bayerischen Großstädte rangiert Würzburg jetzt, das lange Kopf-an-Kopf-Rennen mit der Rivalin Regensburg ist entschieden. Aktuell belegt Würzburg sogar nur Rang sechs der acht bayerischen Großstädte mit über 100 000 Einwohnern. Selbst Ingolstadt ist größer, was in dortigen Medien mit deutlicher Freude kommentiert wurde. Der Würzburger an sich wird damit leben können, es bleibt ihm ja nichts weiter übrig, doch was sagt die Stadtverwaltung? Hat dieser „Einwohnerschwund“ Konsequenzen etwa in finanzieller Hinsicht?
„Dass die Meldedaten der Stadt sehr weit weg von den amtlichen Daten des statistischen Landesamtes sind, war uns schon länger bekannt“, sagt Georg Wagenbrenner, Pressesprecher der Stadt. „Diese amtlichen Daten mussten wir aber verwenden, weil sie verbindliche Kennziffern im landesübergreifenden Vergleich sind.“ Im Rathaus habe man intern aber immer mit den selbst ermittelten und fortgeschriebenen Daten gearbeitet. „Wobei wir den Abstand geringer einschätzten, also mit 128 888 Einwohnern gerechnet haben.“
„Diese amtlichen Daten mussten wir aber verwenden.“
Stadtsprecher Georg Wagenbrenner über die veraltete Einwohner-Statistik
Eine Möglichkeit für die Ungenauigkeit von immer noch rund 2000 Einwohnern zu den jetzt im Zensus ermittelten Zahlen sieht Wagenbrenner in den hohen Studentenzahlen in der Einwohnerschaft, wo schon mal der eine oder andere „vergessen“ haben könnte, sich ab- oder umzumelden. Würzburg sei aber kein Einzelfall, so große Abstände gebe es auch in anderen Städten, sagt der Stadtsprecher. Dass auch die anderen bayerischen Großstädte gerne mit den höheren Zahlen des statistischen Landesamtes arbeiteten, zeigt ein Blick auf die Grafik unten, deren Einwohnerzahlen von den offiziellen Webseiten der Städte stammen.
Ob und inwieweit sich diese Schrumpfung in finanzieller Hinsicht bei der Stadt auswirken werde, dazu gebe es noch keine klare Äußerung, so Wagenbrenner weiter. Da müssten verschiedene Faktoren in Rechnung gezogen werden. Betrachte man jedoch verschiedene Zahlen wie Zuwendungen, Umlagen, etc., die etwa 90 Prozent der Einwohnerabhängigen Zuwendungen ausmachen, so rechne Kämmer Christian Schuchardt mit etwa einer Million Euro weniger für den Stadthaushalt des kommenden Jahres.
Doch fehle auch dazu noch ein klare Aussage der Regierung. „Allerdings werden für solche Berechnungen auch immer sogenannte Zehn-Jahres-Mittel der Einwohner herangezogen, so dass die Einschnitte wohl nicht so gravierend sein werden“, hofft Wagenbrenner. Die Zensus-Zahlen stammten auch vom Herbst 2011, müssten also auch schon wieder fortgeschrieben werden, so der Stadtsprecher. „Mittlerweile haben wir ja auch schon den doppelten Abiturjahrgang und wir tun ja alles, damit sich die Studenten hier mit erstem Wohnsitz einschreiben.“
Zensus 2011
Die Bevölkerung in Deutschland wurde vor zwei Jahren mit Hilfe von Registerdaten und Befragungen statistisch erfasst. Allein in Bayern wurden für den Zensus 1,13 Millionen Menschen befragt. Etwa 3,6 Millionen Menschen im Freistaat sollten zudem schriftlich Auskunft für die Gebäude- und Wohnungszählung geben. Wer angesprochen wurde, musste teilnehmen, wer sich weigerte, dem drohte ein Zwangsgeld. Die neuen amtlichen Einwohnerzahlen dienen unter anderem der Zuschneidung der Bundestagswahlkreise, der Stimmenverteilung im Bundesrat oder der Vertretung Deutschlands auf europäischer Ebene im Ministerrat und Europäischen Parlament. Im kommunalen Bereich sind sie entscheidend für die Berechnung des kommunalen Finanzausgleichs oder Rahmenplanungen im Bereich der Nahversorgung. Alle EU-Mitgliedsstaaten, so schreibt eine EU-Verordnung aus dem Jahr 2008 vor, müssten in einem Turnus von zehn Jahren bestimmte Daten zur Bevölkerung erheben. Die bis dahin letzte Zählung in der damaligen Bundesrepublik hatte es unter großen Protesten im Jahr 1987 gegeben. Auch gegen den Zensus 2011 waren Bürgerrechtler und Datenschützer vor das Karlsruher Bundesverfassungsgericht gezogen. Dort steckten sie aber eine Niederlage ein.