Eine kleine Quelle des Würzburger Stadtarchivs, Ratsakt 1759, gewährt einen höchst interessanten Einblick in das Angebot von Waren aus dem Mittelmeerraum auf dem Würzburger Markt in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts. Sie zeigt, dass ein reichhaltiges Sortiment südlicher Früchte, Gewürze, Weine und anderer Leckereien schon vor knapp 300 Jahren hier angeboten wurde und keine erstmalige Errungenschaft unserer Zeit ist. Allerdings ist zu bedenken, dass in Würzburg durch den bischöflichen Hof, ausländische Künstler und ein wohl recht verwöhntes bürgerliches Publikum auch die entsprechende Nachfrage bestanden haben muss. In den kleineren fränkischen Landstädten und auf dem Lande dürften derartige Waren damals nicht zu haben, kaum bekannt gewesen sein.
Ratsakt 1759 stellt den schriftlichen Niederschlag von Beschwerden der allhiesigen bürgerlichen Specereyhändler oder Würtzkrämer gegen die so genannten Tyroler Citronen Männer und die Entscheidung von Oberrat [zuständig für Gewerbefragen] und Bischof in dieser Sache dar. Die Gewürzkrämer warfen danach den Zitronenhändlern vor, sich nicht auf den Zitronen- und Pomeranzenhandel zu beschränken, sondern ohne Konzession auch viele andere Waren anzubieten. Bischof und Oberrat hatten aber mehr als die Wünsche der Gewürzkrämer nach einer Beschränkung des Handels der Zitronenmänner das Interesse des Publikums an einem preiswerten Angebot von Südwaren im Auge. Sie wollten durch eine großzügige Konzessionierung der Zitronenhändler die Konkurrenz beleben und so bessere Marktpreise bewirken. In dieser Förderung der Konkurrenz auf dem Markt lagen Bischof und Oberrat auf einer Linie, die sie schon seit dem späten Mittelalter verfolgt hatten. Nach ihrer Entscheidung sollten die Tiroler Zitronenhändler mit folgenden Waren handeln dürfen:
... nemblichen frische Citronen, Lemonien [wohl Limonen], Citronat, Pomerantzen [bittere Orangen], Granatäpfel, trockene mit Zucker überzogene Citronen, Citronat und Pomerantzen-Schaalen, dürr dergleichen, Feigen, Lorber und deren Bletter, Piniolen [wohl Pinienkerne], Pistacien, Brustbeer oder Jujuben [im 18. Jahrhundert als Medizin begehrte Beeren],[ ...] allerhand welsche Früchten und Blühe [wohl getrocknete Blüten], welsche Nüß, Vermicelli [eine Nudelsorte], Parmesan und allerhand welsche Käse, welschen Gersten Schleim, Tonina [gesalzener Thunfisch] Cephali [Meeräsche], linguatili [wohl eine Fischart], allerhand marionirte welsche und frembte Fische, Capheus [Kaffee ?], Oliven, Capern tartofili [?], Champiggons, welsche grose Rosinen, spanische Rosinen, kleine Weinbährlein, Sardellen, italienische, spanische, auch imperial Tabackh, Cerbolat-Würst, Mortadelli, ambrosin [beste, süße Mandelsorte] und welsche Mandlen in und ausserhalb der Schaalen [...] venetische Seiffen, Dattelen, Jasminöel, spanische Büntlein [Gewürzbündel ?], romanische Instrumentensaiten [vermutlich aus Därmen], veritable Parder-Öel [Luchsöl ?] und allerhandt italienische[ ...] und frembte Weine, auch Tyroler, ausser dem spanischen, so Burgermeister und Rath allein hergebracht [den nur Bürgermeister und Rat ausschenken dürfen], allerhand Essentien, allerhandt Liquers, Rossolien [Rosolio, ein süßer Likör], Refraichirung [Erfrischungen] und Limonaten, allerhand welsche Gewächsbäumen Saamen und dergleichen, allerhand Salat zu präpariren, allerhandt roman[ische] und genuesische Handschuhe.
Im Gegenzug zu dieser großzügigen Konzessionierung sollten die Tiroler Zitronenhändler verpflichtet sein, Bürger zu werden; außerdem sollten sie nach Proportion [also nach Vermögen oder Umsatz] zur Schatzung angelegt, d.h. zur staatlichen Steuer veranlagt werden; die städtische Steuer wurde dadurch fällig, dass sie Bürger wurden. Auf diese Weise war auch den "bürgerlichen" Gewürzkrämern, die alle diese Steuern ebenfalls zahlen mussten, Gerechtigkeit widerfahren, denn so hatten die Tiroler Zitronenhändler keine ungebührlichen geschäftlichen Vorteile mehr. Sie wurden strengstens verpflichtet, sich an den Handel mit den hier spezifizierten Waren zu halten, diese von erster Hand [nicht über Zwischenhändler] zu importieren und in dem Preis niemand [zu] übernehmen [übervorteilen].
Eindrucksvoll bleibt die umfangreiche Liste der Waren, mit denen im Jahre 1725 allein schon die Tiroler Zitronenhändler handeln durften. Die eigentlichen Gewürzkrämer dürften ein mindestens ebenso reichliches Angebot anderer exotischer Artikel bereit gehalten haben.
Der Autor ist promovierter Histori- ker und Mitarbeiter des Stadt- archivs. Zur 1300-Jahr-Feier bringt das Archiv eine dreibändige Stadt- geschichte heraus, deren erster Band bereits erschienen ist. In loser Folge veröffentlichen wir Auszüge.