Seit fast sechs Jahren gibt es die Sinti-Kirchengemeinde in der Region. Die Zahl der Gläubigen ist überschaubar, ihre Gottesdienste feiern sie sonntagnachmittags in der evangelischen Kirche in Margetshöchheim. Die Speisung von Obdachlosen und Bedürftigen an Weihnachten war bisher die größte öffentliche Aktion der Gemeinde.
Die Möglichkeit, in der eigenen Sprache bei einem Gottesdienst zu beten oder zu singen, kann man nicht hoch genug schätzen, sagt der deutsche Sinti Renaldo Göb. „Für uns ist es wichtig, dass wir eine eigene Kirchengemeinde haben, in der wir Gemeinschaft leben können.“ Knapp 100 000 Sinti und Roma leben nach Schätzungen der Gesellschaft für bedrohte Völker als deutsche Staatsbürger in der Bundesrepublik.
Dazu kommen noch mehrere zehntausend Flüchtlinge vor allem aus den Nachfolgestaaten Jugoslawiens. Die meisten deutschen Sinti und Roma seien katholischen Glaubens, sagt Göb. Er zweifelt, dass sich die katholische Kirche um die religiösen Bedürfnisse dieser Volksgruppe kümmere. Anders die „Maranatha Sinti Baptistengemeinde Zell“. Seit bekannt ist, dass diese Kirchengemeinde in der Region Fuß gefasst habe, kämen die Sinti aus Würzburg, Zell, Zellingen und Himmelstadt zu den Gottesdiensten.
Die Gemeinde wird von dem amerikanischen Pastor Bruce White aus Neuendettelsau betreut. „Dessen Vater Jim hat uns missioniert, daraus ist die Gemeinde entstanden“, erläutert Göb den Hintergrund. Das erklärt auch, warum der Gottesdienst nicht ausschließlich in Romanes, der Sprache der Sinti, gehalten wird. „Grundsätzlich wird Deutsch gesprochen, Lieder und Gebete in Romanes werden übersetzt.“
Alles begann in Zell – in der 40 Quadratmeter großen Wohnung von Göbs Großmutter Sonja Krause. Die Großfamilie lebt schon seit Jahren im Landkreis Würzburg. Eines Tages lernte die Großmutter Pastor Jim White von der „Maranatha Sinti Baptisten Gemeinde e. V.“ aus Nürnberg/Fürth kennen. Es entstand ein kleiner Hauskreis. Nach und nach kamen die Familienmitglieder zum christlichen Glauben, erzählt der Enkel. „Dann hat es sich unter den Sinti herumgesprochen, mit der Zeit wuchs dieser Kreis, bald platzte die 40 Quadratmeter Wohnung aus allen Nähten.“ Ein neuer Raum musste her.
Eine geeignete Räumlichkeit fand die neue Kirchengemeinde schließlich bei der evangelischen Kirche in Zell. Immer mehr Sinti aus dem Raum Würzburg hätten dort den Glauben gefunden, und nach kurzer Zeit habe sich ein Chor gebildet, berichtet Göb. Wegen Parkplatzproblemen in Zell sei man nach Margetshöchheim ausgewichen. Zurzeit besteht die Gemeinde aus 30 Familien. Laut Göb gewinnt die Jugendarbeit unter dem Vorsatz „Die Jugend von der Straße zu Gott zu bringen“ besonders unter den Sinti-Jugendlichen an großer Bedeutung.
Zum ersten Mal veranstaltete die Sinti-Kirchengemeinde ein Weihnachtsessen für bedürftige Menschen in Würzburg. Für diesen Zweck wurde ein Zelt vor dem Jugendzentrum in der Zellerau aufgeschlagen. Tage zuvor hatten die Gemeindemitglieder Flyer in der Stadt verteilt. Es kamen nicht so viele Menschen, wie sie erhofft hatten. Immerhin genossen über 30 Personen die Atmosphäre im Zelt. Serviert wurden Gulaschsuppe, heiße Getränke und selbst gebackene Plätzchen. „Es ist schön zu sehen, wie sich die Menschen über das Essen freuen und dass wir ihnen an Heiligabend eine kleine Freude machen können“, findet Pastor Bruce White.
Gottesdienste finden sonntags um 15 Uhr statt.