Es gibt diese Orte im Hier und Jetzt, die einem so vorkommen, als ob sie aus der Gegenwart herausgepurzelt sind. Der Schrebergarten, den Khalil Abdel Rahman in Gerolzhofen bestellt, ist ein solches Fleckchen Erde. Der oft leichtfertig verwendete Begriff des Idylls passt zu der Parzelle am Volkach-Bach ausgesprochen gut. Der Garten ist dem aus Syrien stammenden Philosophen über zehn Jahre hinweg zum lieb gewordenen Refugium geworden.
Gerolzhofen/Sennfeld
(Fortsetzung) ... Die Heimat formt den Bürger – nicht aber den Menschen. Vielleicht sollten wir lernen, nicht im Heimatland zu leben, sondern in der Welt. Hier erinnere ich mich an Kants Begriff des „Weltbürgers“, als wollte er sagen: Der Philosoph ist Bürger eines unbekannten Staates. Entfremdung braucht keinen Reisepass – es reicht, von sich selbst entfernt zu sein. Rumi wurde einst gefragt: „Was ist Sufismus?“ – Er antwortete: „Es ist die Freude des Herzens, wenn die Zeit der Traurigkeit naht.“ In diesen wenigen Worten verbirgt sich eine Lebensweisheit: Wahres Wachstum bedeutet, den Schmerz nicht zu bekämpfen, sondern als Teil des Reifens zu erkennen. Doch dorthin gelangt man nur, wenn man einer unbequemen Wahrheit ins Auge blickt: Nicht die anderen fügen uns den tiefsten Schmerz zu – sondern wir selbst. ...
(Fortsetzung) ... Solange der Mensch nicht erkennt, dass die Wurzeln seines Leids in seinem Inneren liegen – und dass auch seine Erlösung dort beginnt – wird er in denselben Kreisen gefangen bleiben, dieselben Fehler wiederholen und denselben Schmerz erleben, nur unter neuen Namen. Wenn du nicht von innen leuchtest, bleibt das Außen dunkel – trotz aller Sonnen, Planeten und Sterne. Als ich das begriff, hörte ich auf zu klagen – und aufzurennen. Ich wählte das Schweigen – nicht weil mir die Worte fehlten, sondern weil ich endlich den Wert des Ungesagten erkannte. Ich wählte die Einsamkeit – nicht aus Menschenfeindlichkeit, sondern weil ich müde war, mich selbst aufzugeben, nur um akzeptiert zu werden. Im Schweigen fand ich meine Stimme. In der Einsamkeit fand ich mein wahres Selbst – jenes, das ich so lange gesucht hatte. Heute renne ich niemandem mehr hinterher. Ich fliehe vor nichts. (...)
(Fortsetzung) ... Ich gehe leicht, gelassen, mit dem inneren Wissen: Frieden wird man draußen nie finden, wenn man ihn nicht in sich selbst erschaffen hat. Das Leben besiegt uns nicht durch seinen Lärm – es besiegt uns, wenn wir nicht wissen, wer wir inmitten dieses Lärms sind. Und die Erlösung liegt nicht in der Flucht – sondern in der stillen Konfrontation mit sich selbst. Hier, in der Stille der Einsamkeit, bereite ich mich auf den Rest der Reise vor... leicht, klar – wie ein Gebet.
Herr Rahman hat gebeten, für ihn folgenden Kommentar zu veröffentlichen: Nicht jede Reise beginnt mit einem Schritt – manche beginnen mit einem stillen Riss in der Seele, mit einer Frage, auf die es keine Antwort zu geben scheint, oder mit einem Schmerz, dessen Ursprung wir nicht kennen. Wir altern nicht nur mit den Jahren, sondern mit dem, was wir verlieren, was wir verstehen – und dem, worüber wir schweigen. Das Leben beginnt wie ein Wettlauf nach Erkenntnis; wir suchen nach Sinn und glauben, dass Verstehen Erlösung sei und Wissen uns retten könne. Doch je weiter sich das Bewusstsein ausdehnt, desto enger wird die Welt – und plötzlich wird das, was man einst zu begreifen hoffte, zur Last für die Seele. Dann erkennt man: Erlösung liegt nicht im Mehr, sondern im Loslassen. Befindet man sich nicht an Orten, die man liebt und an denen die eigene Seele zur Ruhe kommt, so ist man ein Flüchtling – selbst dann, wenn die Umgebung vertraut scheint und die Mauern Sicherheit versprechen. ...
Um kommentieren zu können, müssen Sie angemeldet sein.
Registrieren sie sichSie haben ein Konto? Hier anmelden