Vor über zehn Jahren hat er seine Laufbahn beendet, doch mehr denn je wird Ansgar Brinkmann von vielen Fußballfans als unangepasster Kultkicker geliebt. In seiner Karriere lief der „weiße Brasilianer“, so der Spitzname des Mittfeldspielers, für zahlreiche Vereine auf. Die meisten Spiele bestritt er für den VfL Osnabrück, Mainz 05, Arminia Bielefeld und Eintracht Frankfurt. Jetzt beschert dem 48-Jährigen sein Ruf einen Platz im Dschungelcamp, das am Freitag (21.15 Uhr/RTL) beginnt. Ein Schritt, der manchem logisch und anderen widersprüchlich erscheint. Ansgar Brinkmann will sich auch im umstrittenen Erfolgsformat treu bleiben.
Frage: Dschungelcamp – warum jetzt, warum überhaupt?
Ansgar Brinkmann: Die haben mich schon früher gefragt, aber so kurz nach dem Ende der Laufbahn wollte ich das noch nicht. Damals hatte das Format noch kein so gutes Image, obwohl damals schon so viele Leute eingeschaltet haben. Mittlerweile gibt es viele Promis, die sich um einen Platz im Dschungelcamp bewerben. Ich habe auch meinen Freund Reiner Calmund um Rat gefragt, der sich ja auch da auskennt. Sein Urteil: „Es gibt zwar ab und zu Grenzsituationen, aber das ist eine anerkannte Sendung – mach das ruhig.“
Und Geld gibt es ja auch.
Brinkmann: Natürlich. Warum soll ich das bestreiten? Da ist ein hübsches Paket geschnürt worden, und ich kann?s gebrauchen. Mir geht?s zwar gut, aber ich habe keine Millionen auf dem Konto. Ich habe ganz gut verdient in meiner Profilaufbahn, aber ich bin da mit plusminus Null rausgegangen – irgendwie komisch, aber war halt so. Deshalb kann ich das ruhigen Gewissens mitnehmen.
Kein schlechtes Gefühl?
Brinkmann: Nö. Neulich hat einer gesagt: Du lässt dich von denen kaufen. Quatsch. Kaufen kann mich keiner, ich habe früher gut dotierte Verträge einfach zurückgegeben, obwohl ich nichts Neues hatte. Ich leihe denen ein paar Tage meiner Lebenszeit – mehr nicht. Ich vermiete RTL zehn, vielleicht auch 13 Tage meines Lebens, aber ich kenne Leute, die müssen ihr ganzes Leben vermieten.
Was bringen Sie mit für dieses Format?
Brinkmann: Ich habe das Dschungel-Camp genau verfolgt - und fest steht mal eins: Es gibt im deutschen Fernsehen viel, viel Schlimmeres. Es wird Drucksituationen geben, aber ich gehe das gelassen an, denn das kenne ich und hat mir noch nie was ausgemacht. Ich habe schon ein paar Spuren hinterlassen und muss dieses Ding nicht gewinnen. Ich habe schon als Fußballer keinen Titel gewonnen, da brauche ich diese Krone jetzt auch nicht. Ich überlege mir jedenfalls vorher nicht: Was muss ich tun, um da jetzt groß rauszukommen?
Was stellen Sie sich schwierig vor?
Brinkmann: Die größte Herausforderung ist, dass ich da nicht weg kann. Ich habe immer diesen Freiheitsdrang in mir, muss mal ausbrechen. Mit dem Auto rumfahren, auf dem Longboard cruisen – das geht da nicht. Das bin ich nicht gewohnt. Und ich werde nicht alles machen. Wenn's bei den Ekel-Ess-Aufgaben so richtig dreckig wird, dann werde ich sagen: „Hey Leute, wer hat das denn bestellt? Ihr? Na, dann esst es mal schön selber.“
Was nehmen Sie sich vor?
Brinkmann: Ich will gelassen bleiben, auch wenn da Alarm ist. Das ist eine Show. Viele von denen wollen groß rauskommen. Ich will authentisch rüberkommen, aber ich werde da nicht groß aufdrehen – höchstens einen Böller ins Lagerfeuer schmeißen . . . Nein, Spaß! Ich werde da keinem das Leben oder den Fußball erklären. Ich habe Humor, ich kann reden, aber ich werde immer meine Meinung sagen.
Wie haben Freunde und Kollegen aus dem Fußball reagiert?
Brinkmann: Durchweg positiv. Einige haben gesagt, sie hätten schon darauf gewartet. Da hat eigentlich keiner die Hände überm Kopf zusammengeschlagen. Mein alter Mainzer Teamkollege Jürgen Klopp hat sich nachts um eins aus England gemeldet, mir gratuliert und gesagt: „Ich guck jede Folge!“
Und die Fans, die ja Typen wie Sie vermissen? Passt für die Ihr Image des Fußball-Rebellen zum Dschungel-Camp?
Brinkmann: Ich kann verstehen, wenn Fans jetzt den Kopf schütteln und denken: Ausgerechnet der Ansgar, der sich früher gegen alles und jeden aufgelehnt hat, dem Geld nicht so wichtig war und der es nur nicht haben konnte, wenn ihm einer den Ball wegnahm, geht jetzt da hin. Der Zeitpunkt ist wichtig. Ich glaube, jetzt passt es, und das war früher nicht der Fall. Deshalb habe ich ja alles abgesagt; war ja nicht nur Dschungel-Camp, sondern auch Let?s dance oder Big Brother.
Was erwartet RTL von Ihnen?
Brinkmann: Tja, zunächst mal, dass ich am Samstag pünktlich am Flughafen war . . . Vor ein paar Wochen habe ich auf meiner Facebook-Seite geschrieben, es könnte auch passieren, dass ich anstatt in den Flieger zu steigen ins Kino gehe, wenn mir der Sinn danach steht. War natürlich nur ein Spaß, aber die Jungs von RTL haben an den Freigeist Ansgar gedacht und sicherheitshalber angerufen: Es gibt da einen Vertrag . . .
Die werden schon wissen, warum sie Sie geholt haben. Zehn Jahre nach Karriereende ist der weiße Brasilianer immer noch und vielleicht mehr denn je ein Publikumsliebling. Gibt es Typen wie Sie nicht mehr?
Brinkmann: Nein, wohl nicht. Da hat sich der Fußball schon verändert. Ich habe keine Lösung, aber ich sehe die Probleme. Ich weiß nur eins: Der Spaß am Fußball geht verloren, die Originalität bleibt auf der Strecke, es ist die Stunde der Konformisten. Wenn ich schon sehe, wie die Jungs sich ständig die Hand vor den Mund halten, damit keiner mitkriegt, was sie sagen – das kann doch nicht sein, das hätte ich nie gemacht. Der Wolfram Wuttke hat den Linienrichter noch vor laufender Kamera angebrüllt: „Du scheißt dir doch vor dir selber in die Hose.“ Ich bin sicher: Eines Tages holt sich die Straße den Fußball zurück.
Was Sie zuviel hatten an Unangepasstheit, das haben heute viele Kicker zu wenig.
Brinkmann: Stimmt. Das ist heute alles Schablone.
Sie sind vielfältig und ungebunden unterwegs. Hier eine Kolumne, da mal ein Benefizkick, dann eine Talkrunde, dazu ein bisschen Werbung und Beratung. Hätten Sie es nicht mal gern ein bisschen gesetzter und ruhiger? Vielleicht als Trainer oder Manager?
Brinkmann: Warum nicht? Ich hätte gern mal die Chance bekommen, ich traue mir das auch zu. Ich habe ein Auge, ich kann ein Spiel lesen und vor allem habe ich die Empathie, um mit den Spielern, gerade den jungen, so zu reden, dass sie zuhören. Ich bewege mich in allen drei Ligen, ich kann Talente entdecken und ich habe ein gutes Netzwerk. Vieles von dem, was ich hinter den Kulissen mache, wird doch gar nicht öffentlich.
Unser Eindruck ist anders: Ihnen gefällt am Ende doch das ungebundene, flippige Leben, das Sie jetzt führen, besser als ein durchgetakteter Alltag.
Brinkmann: Ja, kann schon sein. Ich fühle mich frei und ungebunden, in vielen Phasen kann ich machen, was ich will. Mein Talent bezahlt mein Leben, ich habe keine hohen Ansprüche. Das liebe ich, das ist wohl richtig. Vielleicht bekomme ich nochmal die Chance, bei einem Verein als sportlicher Leiter eine Mannschaft aufzubauen. Zutrauen würde ich es mir. Aber ob ich es wirklich will? Das weiß ich selbst nicht mal...
Werden Sie im Dschungelcamp fußballerisch auf Entzug sein?
Brinkmann: Völlig, ich werde nicht mal die Ergebnisse erfahren und sehe auch keinen, mit dem ich über Fußball reden könnte. Aber das ist auch gut so, denn diese Show hat mit Fußball nichts zu tun und soll es auch nicht. Um das kurz zu erklären: Ich habe von den Ultras von Eintracht Frankfurt mal eine Jacke bekommen, ein total seltenes Stück, auf das ich stolz bin. Die Jungs haben zu mir gesagt: Ansgar, die Jacke wollen wir im Dschungel sehen. Aber ich habe geantwortet: Ganz sicher nicht, denn unsere Farben und diese Jacke haben im Dschungel nichts verloren.
Blick zurück: Die Fußballer im Dschungelcamp Der erste Kicker im RTL-Dschungelcamp gab Jimmy Hartwig 2004. Der Ex-Nationalspieler des HSV behauptete nach seinem vierten Platz, er habe Angstzustände und Alpträume gehabt und kündigte an, sich in psychologische Behandlungen zu begeben. 2008 ließ sich der frühere Nationaltorwart Eike Immel (Borussia Dortmund, VfB Stuttgart) nach seiner Privatinsolvenz anheuern, um das Geld für eine Hüft-OP aufzutreiben. Im Camp hatte er panische Angst vor Ratten und Spinnen, fiel sonst nicht auf und wurde Fünfter. Der brasilianische Kugelblitz Ailton (Werder Bremen) lag meistens in der Hängematte, fiel durch sein putziges Deutsch auf, ass gerne und schlief viel – Platz 6. Die Kicker-Bilanz besserte Thorsten Legat auf. Der Bochumer Junge zog im Camp voll durch, redete, wie ihm der Ruhrpott-Schnabel gewachsen ist, und erreichte Platz drei – Kassalla! 2017 quartierte sich ein leibhaftiger Weltmeister ein: Thomas Häßler blieb auch im Camp bescheiden, ehrlich und leise; laut wurde er nur, als man ihm die Zigaretten wegnahm, Er wurde Vierter und verabschiedete sich mit dem Urteil: „Kindergarten!“ Drei weitere Sportler quartierten sich in Australien ein, ebenfalls mit bescheidenem Erfolg: Ex-Hochsprung-Star Carlo Thränhardt wurde in der Premierenstaffel 2004 als erster rausgewählt. 2009 war Eiskunstläufer Norbert Schramm dabei, 2011 startete Schwimmer Thomas Rupprath. HPi