Rein sportlich betrachtet wird das 0:0 zwischen der DJK-SV Pilsach und der DJK-SV Oberwiesenacker den wenigsten der 150 Zuschauer länger im Gedächtnis bleiben. Ein gutes und umkämpftes A-Klassen-Spiel zwar im Kreis Neumarkt Jura (Oberpfalz), dem allerdings die Tore abgingen. Und im Fußball sind Tore bekanntlich das Salz in der Suppe. Der absolute Höhepunkt der Partie ereignete sich schon vorher, genauer gesagt: mit dem Anstoß. Um 16 Uhr pfiff Hamdi Al-Kadri am letzten Sonntag seine erste Begegnung als bayerischer Fußball-Schiedsrichter an.
Höhepunkt: die WM 2006
Warum das etwas Besonderes ist? Al-Kadri ist kein gewöhnlicher Debütant, sondern startet seine zweite Schiedsrichter-Karriere. Bis zum Fifa-Referee hatte es der gebürtige Syrer in seinem Heimatland schon geschafft, berichtet der Bayerische Fußball-Verband (BVF). Der Höhepunkt seiner Laufbahn: Die WM 2006 in Deutschland, bei der Al-Kadri als vierter Offizieller zu drei Einsätzen kam.
Zehn Jahre ist das her und in dieser Zeit hat der Krieg in Syrien das Leben von Hamdi Al-Kadri komplett auf den Kopf gestellt: Durch zwei Luftangriffe wurde das Haus des Familienvaters zerstört, mit seiner Frau und seinen vier Kindern ergriff er die riskante Flucht nach Deutschland. Dort angekommen, wollte der 51-Jährige endlich wieder seinem größten Hobby, das einst sogar sein Beruf war, nachgehen. In Zusammenarbeit mit dem SV Postbauer kümmerte sich Oliver Johannes, Obmann der Schiedsrichter-Gruppe Neumarkt, umgehend um die Lizenz. Im Rahmen einer Sitzung der Schiri-Gruppe erhielt Al-Kadri am 19. September schließlich unter dem Applaus seiner neuen Kameraden den Ausweis.
Großzügige, aber klare Linie
Gut vier Wochen später leitete er nun in Pilsach seine erste Partie. „Es hat riesigen Spaß gemacht, endlich wieder auf dem Platz zu stehen“, freute sich der 51-Jährige nach dem Schlusspfiff.
Neben Oliver Johannes, der ihm am Samstag als Pate zur Seite stand und gemeinsam mit ihm den elektronischen Spielbericht ausfüllte, hatten ihm seine ganze Familie sowie Betreuerin Gudrun Baars vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge am Spielfeldrand die Daumen gedrückt.
„Jeder hat heute gesehen, dass Hamdi vor sechs Jahren noch höherklassig gepfiffen hat. Seine Linie war großzügig, aber stets klar. Mimik und Gestik waren herausragend und haben jedes gesprochene Wort überflüssig gemacht“, urteilte Johannes. Zwei Verwarnungen hatten Al-Kadri genügt, um sich den Respekt der Spieler zu verschaffen. Höher als bis zur Kreisliga kann er wegen der Altersgrenze aber nicht mehr aufsteigen. In seiner Heimat war er Geschäftsführer der Schiedsrichter-Kommission und trat als TV-Experte auf.