Ein Fußballer klagt gegen seinen Verein – bei den Profis kann's schon mal vorkommen, bei den Amateuren ist's ungewöhnlich, befremdlich gar. Der wechselwillige André Koob hat's trotzdem getan, weil ihn sein Verein nicht mir nichts, dir nichts hatte gehen lassen wollen. Und so trafen sich der 21-jährige Torhüter und Klaus Lemmer, der Vorsitzende des Bayernligisten TSV Großbardorf, vor dem Arbeitsgericht in Schweinfurt. Wäre es ein Fußballspiel gewesen, man würde sagen: Am Ende gab es ein Unentschieden, das den Großbardorfern mehr nutzt. Koob darf zu den Würzburger Kickers, der TSV bekommt 800 Euro dafür. Die er offenbar ganz gut brauchen kann, denn am Rande der Verhandlung wurden erneut Spekulationen über finanzielle Schwierigkeiten des Klubs aus dem 1000-Einwohner-Dorf laut.
Dass das nicht sein Alltagsgeschäft ist, war Richter Ludwig Walter anzumerken. Der Fußballer wolle doch gehen, der Verein ihn nicht halten, wo liege das Problem? Dass da eine Ablösesumme im Raum stehe, darüber musste ihn erst Klaus Lemmer aufklären. Und um die ging es vornehmlich. Doch der Reihe nach. André Koob, der Wülfershausener, der zu Saisonbeginn vom thüringischen Oberligisten FSV Wacker Gotha zurück ins Grabfeld gekommen war, fand in Großbardorf nicht die erhoffte Berücksichtigung, kam an Stammtorhüter Klaus Freisinger nicht vorbei. Außerdem „war der TSV Großbardorf mit drei Monatsgehältern im Rückstand“, so Koob, der zwar inzwischen eine verspätete Zahlung erhalten hat, aber noch auf das Dezember-Salär wartete. Ohne das Gespräch mit einem Vereinsverantwortlichen gesucht zu haben, ließ das Torwart-Talent dem TSV am 22. Dezember seine Kündigung per Einschreiben zukommen. Da hatte er bereits ein Probetraining bei Regionalligist FC Würzburger Kickers absolviert und dort verlauten lassen, ablösefrei zu sein.
Dem freilich widersprach nun Klaus Lemmert. Die Tabelle des Bayerischen Fußball-Verbandes (BFV) sehe beim Wechsel von der Bayern- in die Regionalliga utopische 3750 Euro vor, der TSV-Vorsitzende forderte realistischere 1000 Euro, „doch mit den Kickers konnten wir keine Einigung erzielen“. Koob und sein Anwalt wollten deswegen vor dem Arbeitsgericht eine einstweilige Verfügung erwirken, die einen ablösefreien Wechsel ermöglichen sollte – sofort, weil am Tag der Verhandlung, am 31. Januar, um 23.59 Uhr die Transferperiode für Vertragsamateure endet. Diesem Ansinnen erteilte Richter Walter jedoch eine klare Absage: „Sie bekommen so kurzfristig keine rechtskräftige Entscheidung durch die Justiz.“
Ob der drängenden Zeit und der Ausweglosigkeit der Lage beantragten Koob und sein Anwalt eine Besprechung vor der Tür, wo schon der als Kläger-Zeuge vorgesehene Spielervermittler Egon Pfister wartete. Kaum wieder im Saal, offerierte der Rechtsbeistand dem TSV-Vorsitzenden – aus wessen Tasche auch immer – 800 Euro Ablöse als Gegenleistung für die sofortige Freigabe und den beidseitigen Verzicht auf mögliche weitere Ansprüche. Lemmer nickte zufrieden, des Richters Segen folgte auf dem Fuß. Und so machte wenige Stunden später ein Großbardorfer Fax an den BFV den Weg für Koob frei zu den Kickers.
Dass er dort gehörig Zeit brauchen wird, um vielleicht einmal an Stammkeeper Daniel Tsiflidis vorbei zu kommen, ist dem 21-Jährigen, der in Würzburg Geografie und Sportwissenschaften studiert, klar: „Aber ich bin ja noch jung und muss nichts vom Zaun brechen.“ Dass er sich für mögliche spätere Wechsel in Unterfranken mit seiner eigenwilligen Klage gegen einen Verein ein Eigentor geschossen haben könnte, verneinen Spieler wie Berater unisono. Der Handlungsbedarf sei einfach zu groß gewesen. „Es gibt in Großbardorf Spieler, die haben seit sieben, acht Monaten kein Geld bekommen“, so Koob. Und Pfister beteuert: „Wir haben alles versucht, das mit Gesprächen aus der Welt zu schaffen. Irgendwer musste dem Treiben ja ein Ende setzen.“
Das sieht Lemmer, der den Richterspruch als Erfolg für seinen Verein verbuchte, ganz anders: „Das mit den sieben, acht Gehältern stimmt nicht. Da würde ja keiner mehr spielen bei uns.“ Dass der TSV Großbardorf aktuell finanziell gesund da stehe, wollte oder konnte er aber nicht mit einem klaren „ja“ beantworten („wir Vereine haben doch alle Probleme“). Zumindest rücken mit den geäußerten Vorwürfen durch den scheidenden Torwart die Abschiede von Christian Laus, Christian Heilmann (beide zum FC 06 Bad Kissingen), Sebastian Knüttel (Laufbahn beendet) und Wajos Dinudis (nur noch TSV-Reserve) in ein etwas anderes Licht. Sportlich nimmt der Bayernliga-Dritte Koobs Weggang relativ gelassen: Julian Schneider (U19) und Michael Jäger (U23) können einspringen, wenn Freisinger ausfallen sollte, und Marius Moede, der in Köln studiert und seinen Pass in Großbardorf gelassen hatte, hat auch wieder zu trainieren begonnen.