Die unvermeidliche Frage, ob der 1. FC Nürnberg sein Saisonziel nun höherschrauben und um den Aufstieg zur Bundesliga mitmischen könne, beantwortete Michael Köllner natürlich nicht konkret. Doch wie begeistert der Trainer nach dem 4:3 (1:1)-Sieg bei Darmstadt 98 vor allem über seine „jungen Burschen“ referierte, die letzte Saison teilweise noch gegen Schalding-Heining oder Garching in der Regionalliga gekickt hatten, legte den Schluss nahe: Er traut es der Mannschaft zu – obwohl sie zurzeit noch zu viele Fehler mache.
Deutlich wurde das Selbstbewusstsein vor allem in zwei Sätzen aus Köllners Nachbetrachtung zur schwierigen Aufgabenstellung für die Nürnberger Zweitliga-Gegner: „Attackieren sie uns hoch, werden sie unser Umschaltspiel erleben. Lassen sie uns in Ruhe, müssen sie mit unserem Positionsspiel klarkommen“, sagte er. Heißt nichts anderes als: Wir haben eigentlich fast immer eine Antwort.
Am Montagabend war es das „erstklassige Konterspiel“ (Köllner), mit dem der Club nach der Pause auf die Siegerstraße einbog und den Bundesliga-Absteiger überforderte. Etwas weniger Egoismus im Strafraum beim zweifachen Torschützen Cedric Teuchert und es wären locker mehr Treffer drin gewesen.
Leipold als „Dosenöffner"
Während für Darmstadts fast wirkungslosen Weltmeister Kevin Großkreutz bereits nach einer Stunde Schluss war, wurde beim Gegner der zur Pause eingewechselte Tim Leibold zum „Dosenöffner“ (Köllner). Nach seiner Erkrankung durfte der körperlich geschwächte Offensivverteidiger alle Kraft in die zweiten 45 Minuten legen, was Leibold eindrucksvoll tat und das mit einer Torvorbereitung und dem vierten Treffer krönte. Ob er über die Saison hinaus in Nürnberg bleiben wird, steht angesichts solcher Auftritte jedoch sehr in Frage.
Nach der 1:2-Niederlage gegen Bielefeld vor der Länderspiel-Pause und dem schnellen Rückstand am stimmungsvollen Böllenfalltor (6. Minute) war die Situation etwas ungemütlich geworden für den Club. Deshalb war Köllner hinterher umso stolzer, „dass die Mannschaft dem Druck standgehalten hat“. Die bestandene Reifeprüfung bescherte bereits den vierten Sieg im fünften Auswärtsspiel und den Sprung auf Relegationsplatz drei. „Aber es kann auch schnell wieder nach unten gehen, alles liegt noch sehr eng beisammen“, sagte Kapitän Hanno Behrens, der vor seiner Nürnberger Zeit drei erfolgreiche Jahre in Darmstadt gespielt hatte und die gelungene Rückkehr genoss. Ganz klar: Wenn der Club in Lauerstellung hinter Fortuna Düsseldorf und Aufsteiger Holstein Kiel bleiben und den Relegationsrang absichern will, muss er am Sonntag im Heimspiel gegen Dynamo Dresden mit drei weiteren Punkten nachlegen.
Bis dahin dürfte der Trainer wohl an der defensiven Stabilität arbeiten, die in Darmstadt zu wünschen übrig ließ und den Sieg trotz zweimaliger Zwei-Tore-Führung bis zum Schluss fraglich machte. Die defensiven Lücken lagen zum Teil auch daran, dass Köllner, wie er selbst fand, „mutig aufgestellt“ hatte mit den zwei Stürmern Mikhael Ishak (1 Tor) und Teuchert (2 Tore) sowie Kevin Möhwald gleich dahinter. „Schon eine gewagt offensive Aufstellung“ war das für Behrens. Drei Gegentore seien zu viel, monierte der Spielführer sanft. Aber er weiß, dass sein Trainer offensiv denkt und lieber 4:3 als 1:0 gewinnt.
Brecko als Vorbild
Für entscheidend hält Köllner neben der intensiven Trainingsarbeit und der Lernbereitschaft seiner Spieler den Teamgedanken. „Jeder spielt bei uns seine Rolle, jeder hat bei uns seine Bedeutung. Wenn wir das über die ganze Saison verstehen, können wir erfolgreich sein.“ Als Vorbild nannte er Miso Brecko. Der langjährige Kapitän hat seinen Platz an Enrico Valentini verloren und bekam in Darmstadt in den letzten Minuten zur Ergebnissicherung einen seiner raren Kurzeinsätze. „Ein hartes Los“, weiß Köllner, „trotzdem macht er in der Kabine bei der Einstimmung des Teams immer einen tollen Job und bringt uns heute das Spiel mit heim.“