Liken, posten, teilen. Auch im Profifußball gehört der Umgang mit den sozialen Medien längst zum Alltag. Clubs wie Spieler steigern durch ihre digitalen Aktivitäten Reichweite und Popularität, was ihnen mitunter viel Geld einbringt. Doch was, wenn sich ein Profi mal verbal verdribbelt? Was fällt noch unter Meinungsfreiheit? Wo wird womöglich eine Grenze überschritten?
Nicht selten münden vor allem Diskussionen über politische oder religiöse Ansichten in den Kommentarspalten in Windeseile in einen Sturm der Entrüstung - den die Vereine in der Regel kaum aufhalten können.
Nicht nur Dortmunds Nmecha sorgt für Wirbel
Natürlich habe man mit dem Spieler gesprochen, sagte Borussia Dortmunds Sportdirektor Sebastian Kehl, als er im ZDF unlängst auf umstrittene Postings von Felix Nmecha angesprochen wurde. Der 24-Jährige hatte sich nach dem Angriff auf Charlie Kirk bei Instagram gemeldet, den Tod des US-Aktivisten betrauert - und damit nicht zum ersten Mal einen Shitstorm ausgelöst.
Kirk galt als eines der bekanntesten Gesichter der amerikanischen Rechten. Doch in diesem Fall, so Kehl, sei es nicht darum gegangen, die Interessen von Kirk noch einmal zu untermauern, sondern der Familie Beileid auszusprechen. Das Thema habe Verein und Fans aber durchaus bewegt, erklärte Kehl. Man habe es mit Nmecha «klar besprochen». Und damit sei es dann auch erledigt.
Kryptische Nachrichten von Werders Boniface
Die Causa Nmecha ist kein Einzelfall. Mal lösen die Social-Media-Aktivitäten von Fußballern Kopfschütteln, mal ein Schmunzeln aus. Er finde es «wichtig, auch mal Dinge wegzulächeln» und «nicht alles zu hoch zu hängen», sagte Werder Bremens Sportchef Clemens Fritz, als es im Sport1-«Doppelpass» unlängst um die mitunter kryptischen Nachrichten von Victor Boniface ging.
«So lange das in den Werder-Kompass, zu den Werder-Werten passt, ist das total okay», kommentierte er die Postings des Stürmers, der unter anderem geschrieben hatte: Auch wenn eine Tomate nicht rot sei, könne eine Kuh keine Schlange sein, da Kartoffel und Marmelade keine Zwillinge seien.
«Es ist auch eine andere Generation. Ich will es gar nicht alles verstehen», sagte Fritz. «Wenn etwas passiert, wo wir reingehen müssen, werden wir das tun.»
Schon der Nachwuchs wird sensibilisiert
Doch wie? Nicht wenige Clubs versuchen, bereits ihre Nachwuchskicker mit Briefings für die Wucht, die auch nur kleinste Unachtsamkeiten in der großen weiten Social-Media-Welt mitunter auslösen können, zu sensibilisieren. Wer mehr preisgibt, riskiert auch mehr, dürfte die Botschaft lauten. Vertraglich geregelt ist für gewöhnlich aber nur, dass sich Spieler bei ihren digitalen Aktivitäten an arbeitsrechtliche Treue- und Loyalitätspflichten zu halten haben.
«Wir kontrollieren nicht die Social-Media-Kanäle unserer Spieler», sagte BVB-Boss Kehl zuletzt. «Das sind am Ende auch noch eigenständige Menschen, die eine freie Meinung haben. Wir leben in einem demokratischen Land. Trotzdem weiß jeder um die Verantwortung eines Clubs. Um die Werte und die Haltung.»
In manchen Fällen sogar um eine ganze Unternehmenslinie - wie etwa beim VfL Wolfsburg, der bekanntlich dem Automobilkonzern Volkswagen angehört.
Rechtsstreit zwischen Mainz und El Ghazi
Wer die Reputation seines Arbeitgebers nach dessen Meinung beeinträchtigt, muss also mit Sanktionen rechnen. Im Fall von Anwar El Ghazi mündete das Ganze sogar in einen Rechtsstreit. Der FSV Mainz 05 hatte dem Spieler nach einem propalästinensischen Instagram-Post nach dem Angriff von Terroristen der Hamas auf Israel im Oktober 2023 gekündigt, El Ghazi dagegen geklagt.
Ist angesichts der rasant wachsenden Bedeutung der sozialen Medien zu erwarten, dass sich solche Fälle womöglich häufen? «Es ist eher davon auszugehen, dass andere Profis samt Management durch diesen Fall noch mehr sensibilisiert sind, sich bei politischen und religiösen Themen weitestgehend raushalten, um keine öffentliche Angriffsfläche zu bieten», sagte Jana Wiske, Medienwissenschaftlerin von der Hochschule Ansbach, der Deutschen Presse-Agentur.
«Für Spieler heutzutage nahezu unabdingbar»
Warum nutzen Clubs und Spieler die sozialen Medien überhaupt? Nicht selten ist bei Bundesliga-Partien eine ganze Reihe von Mitarbeitern damit beschäftigt, die verschiedenen Kanäle der Vereine zu bespielen. Der FC Bayern München erreicht allein bei Instagram mehr als 40 Millionen Follower - eine große Zusatzbühne für Werbepartner des Meisters und auch der Liga an sich.
«Für Spieler ist es heutzutage nahezu unabdingbar, in den sozialen Medien präsent zu sein», findet Carsten Meyer von «spirit Kommunikation», einer Agentur, die unter anderem mit Dortmunds Verteidiger Waldemar Anton und Trainer Domenico Tedesco, inzwischen bei Fenerbahce Istanbul, zusammenarbeitet.
«Und doch sind sie Fluch und Segen zugleich», sagte Meyer der dpa. «Auf der einen Seite ist die Chance, die Fans einen Blick hinter die Kulissen werfen zu lassen, mit ihnen direkt zu kommunizieren und vielleicht eine eigene Marke aufzubauen. Auf der anderen Seite sorgen die sozialen Netzwerke schon auch für eine Verrohung der Sitten. Damit muss man als Spieler erst einmal umgehen können – vor allem, wenn man noch nicht so erfahren ist.»
Nmecha. Boniface. El Ghazi. Schon viele Fußballer haben Staub aufgewirbelt. Ihre Clubs suchen mitunter noch die richtige Technik, ihn zusammenzufegen.


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