Wie stark belasten die Turbulenzen in der Berliner Führungsetage die Vorbereitung auf das Topspiel? Und ist Sportvorstand Stefan Kretzschmar überhaupt noch im Amt, wenn die Füchse den Erzrivalen SC Magdeburg empfangen? Der Machtkampf in der Clubspitze überlagert derzeit die sportlichen Schlagzeilen und rückt den eigentlichen Reiz des Spitzenduells in den Hintergrund. Mit Spannung und vielen offenen Fragen blickt die Handball-Bundesliga an diesem Samstag (15.40/Dyn/ARD) in die Hauptstadt.
Dabei könnte aus sportlicher Sicht nicht mehr geboten sein. Titelverteidiger gegen Vizemeister. Champions-League-Sieger gegen Finalist. Der Tabellenführer von der Spree gegen den Verfolger von der Elbe. «Das wird ein sehr enges und wichtiges Spiel - die Punkte zählen fast doppelt. Da treffen die beiden Teams mit den wahrscheinlich besten Karten im Kampf um die nächste Meisterschaft aufeinander», sagte Bundestrainer Alfred Gislason der dpa.
Gidsel: Wir haben die Liga gedreht
Was früher als packendes Derby zweier ehrgeiziger Handball-Nachbarn begann, hat sich zu einem emotionalen Gipfeltreffen mit nationaler Strahlkraft entwickelt. Es geht um Prestige, Rivalität – und einen ersten Fingerzeig im Titelkampf. «Wir sehen das als eine Möglichkeit, schon einen Schritt in dieser Meisterschaft zu machen und ein Statement zu setzen, dass die Meisterschaft letztes Jahr nicht nur Glück war», sagte Berlins Welthandballer Mathias Gidsel.
In der Vorsaison sorgten die deutschen Topteams mehrfach für Spektakel. Der Sieg der Füchse in der HBL-Rückrunde ebnete den Berlinern den Weg zum historischen Meistertitel. Magdeburg revanchierte sich eindrucksvoll im Finale der Königsklasse. «Wir sind schon ein bisschen stolz, dass wir die Liga gedreht haben. Früher war es immer nur Kiel oder Flensburg. Jetzt ist es Magdeburg oder Berlin», erklärte Gidsel.
Ex-Nationalspieler Kraus: SCM wird alles «zerfetzen»
Für viele Experten ist Magdeburg der Favorit auf den Titel. Der SCM werde in dieser Saison alles «zerfetzen», prognostizierte Ex-Nationalspieler Michael Kraus bei Dyn. Trainer Bennet Wiegert fühlte sich zwar geschmeichelt, appellierte aber an sein Team, sich von derartigen Aussagen nicht ablenken zu lassen. «Nur Berlin als größten Rivalen in die Rechnung zu nehmen, daran glaube ich nicht. Aber wenn es am Ende nur zwei Mannschaften sind, ist es mir auch egal. Eine davon muss auf jeden Fall der SC Magdeburg sein», sagte der Erfolgscoach.
Der Fokus in der ausverkauften Max-Schmeling-Halle wird sich aber nicht nur auf das Geschehen auf dem Parkett konzentrieren. Seit Wochen sorgt der Machtkampf zwischen Füchse-Boss Bob Hanning und Sportvorstand Kretzschmar vor und hinter den Kulissen für Unruhe. Beim Sieg in Göppingen fehlte Hanning am Mittwoch, Kretzschmar wollte sich nach seiner Abschiedsankündigung nicht äußern und beließ es beim Autogrammeschreiben.
Hanning, der sonst um kein Wort verlegen ist, schweigt überraschend laut. Weder auf Instagram noch auf dpa-Anfrage äußerte er sich zu Kretzschmars überraschendem Statement, nach Saisonende bei den Füchsen aufzuhören. In der Handball-Szene wird gerätselt, ob die Berliner sich sogar vorzeitig von der Handball-Ikone trennen könnten. «Die Gesellschafter werden nun unternehmerisch entscheiden, wie die Zukunft des Vereins vor dem Hintergrund dieser Entwicklung bestmöglich zu gestalten ist», hieß es in der Clubmitteilung.
Siewert und Hanning «in Gesprächen»
Das dürfte sowohl Kretzschmars Rolle, aber auch die von Trainer Jaron Siewert betreffen, dessen Vertrag ebenfalls ausläuft. «Wir sind in Gesprächen - und zum jetzigen Zeitpunkt kann ich da noch nichts weiter zu sagen. Für mich persönlich ändert sich jetzt nichts am Binnenverhältnis generell im Verein», sagte Siewert bei Dyn.
Die Mannschaft will sich nicht ablenken lassen und mit einer Jetzt-erst-recht-Mentalität für sportliche Schlagzeilen sorgen. Füchse-Kapitän Max Darj stellte klar: «Wir müssen Handball spielen, das ist unsere Arbeit.»




Um kommentieren zu können, müssen Sie angemeldet sein.
Registrieren sie sichSie haben ein Konto? Hier anmelden