Wer an Bodybuilding denkt, hat meistens ein Bild voller Klischees im Kopf: Typen mit riesigen Muskeln und solariumbrauner Haut, die im Fitnessstudio die größten Gewichte stemmen, die nur Eiweißshakes trinken und nach dem Training ein paar Pillen schlucken. Doch es gibt eine Bewegung, die zeigt, dass Bodybuilding auch anders funktioniert – auf natürliche Art und Weise. Die Kraftsportler verzichten auf leistungssteigernde Substanzen und setzen auf regelmäßiges Training und gesunde Ernährung. Der Trend nennt sich „Natural Bodybuilding“. Es gibt inzwischen einen separaten Verband, der eigene Wettkämpfe organisiert.
Filip Nikolic hat sich für diese Variante des Kraftsports entschieden, für Muskelzucht ohne Anabolika und zusätzliches Testosteron. Nikolic lehnt Doping ab. Zumindest sagt er das. Das Gegenteil ließe sich ohnehin nur schwer beweisen. Wer es geschickt anstellt und die Präparate rechtzeitig vor einem Wettkampf absetzt, wird trotz vereinzelter Kontrollen unentdeckt bleiben. „Wie in jeder anderen Sportart auch“, stellt Nikolic fest. Der 27-Jährige sagt diesen Satz immer wieder, um in Erinnerung zu rufen, dass nicht nur Bodybuilding dopingverseucht sei. „Gewichtheben, Radfahren, Fußball oder Schwimmen – im Leistungssport, wo es um Geld geht, kommt Doping überall vor“, sagt Nikolic. Allein im Bodybuilding sei das eben wesentlicher Bestandteil der öffentlichen Wahrnehmung.
Wenn Nikolic im April seinen ersten Wettkampf bei einer internationalen Meisterschaft in Koblenz bestreitet, ist auch er sich sicher, dass nicht alle Konkurrenten frei von verbotenen Essenzen sein werden. Chancen auf den Sieg in seiner Kategorie, der Athletenklasse für Bodybuilding-Neulinge, sieht er deshalb nicht. Seine Motivation für den Kraftsport ist eine andere: gut aussehen und gesund bleiben. Er sagt: „Ich will es mir in erster Linie selbst beweisen.“
Den Impuls, sich über Monate auf einen Wettkampf vorzubereiten, bekam Nikolic im vergangenen Herbst bei einem Lehrgang in einem Fitnessstudio, bei einem ehemaligen Mister Universum. Seitdem trainiert der Bundeswehrsoldat aus Laub, der nebenbei als Fitnesstrainer arbeitet, sechsmal in der Woche, eine Stunde lang, drei Tage am Stück mit einem Tag Pause. Maximal sechs Prozent Fett und möglichst viel Muskulatur sollen bei einem Gewicht von 86 Kilogramm bis zur Leistungsschau an seinem Körper sein. Auf der Bühne vor einer Jury müssen die Athleten dann posieren und zeigen, wie sie ihre Muskeln anspannen können.
In den neunziger Jahren erlebte Nikolic die Kultfiguren des Bodybuildings im Fernsehen, die in den USA durch Preisgelder und Werbeeinnahmen Millionen verdienten. Schwarzenegger, Stallone und Van Damme brachten ihn als Teenager ins Fitnessstudio und wenig später zu der Erkenntnis, dass neben dem Training auch die Veranlagung eine Rolle für den Muskelaufbau spielt – und die Einnahme von Aufbaupräparaten. „Irgendwann musste ich feststellen, dass ich nie wie Schwarzenegger aussehen würde“, sagt Nikolic. „Deshalb ergab es auch keinen Sinn, wie er zu trainieren.“ Nikolic entwickelte sein eigenes Programm, das auf Training, Ernährung, Regeneration und Motivation gleichermaßen setzt. Die Gewichte waren aber nur ein Teil in Nikolics sportlicher Vergangenheit: Er versuchte vieles, Karate, Kickboxen, Rennradfahren. Leichtathletik betreibt er noch heute. Als Sprinter geht er für die Turngemeinde Kitzingen an den Start.
Neben dem Krafttraining bestimmt die Ernährung den Tagesablauf von Filip Nikolic. Um alle drei Stunden eine Mahlzeit einnehmen zu können, verschiebt er schon mal Termine. Und spät abends stellt er sich an den Herd seiner Küche, um für den nächsten Tag vorzukochen. „Die Tupperdose ist der beste Freund des Kraftsportlers“, sagt der 27-Jährige, für den die Zahl der täglichen Kilokalorien eine eigene Währung bildet. Auf dem Handy lässt er sich anzeigen, wie viel er noch essen darf. Ausschließlich hochwertige Nahrungsmittel kommen ihm dabei auf den Tisch, Fleisch und Käse aus biologischem Anbau, nichts aus Massentierhaltung. Süßigkeiten, Alkohol und Zigaretten sind für ihn ohnehin tabu. Und – wer hätte das als Laie gedacht? – Nahrungsergänzungsmittel machen nur einen kleinen Teil der Ernährung aus. „Ich gebe im Monat mehr Geld für Essen aus als für die Miete“, sagt Nikolic. „Schließlich zahle ich für ein Kilo Putenfleisch 23 Euro.“
Obwohl Nikolic auf natürliches Muskelwachstum setzt, hat er sich nicht der „German Natural Bodybuilding & Fitness Federation“ angeschlossen, dem angeblich dopingfreien Alternativverband, der stichprobenweise neben Urin- und Bluttests Haaranalysen verlangt und bei dem sich die Teilnehmer an einen Lügendetektor anschließen lassen müssen, um Betrüger zu finden. „Das ist alles nur Show und Geldmacherei“, glaubt Nikolic zu wissen. Die strengen Regeln scheinen ohnehin nicht alle abzuschrecken: Auch beim „Natural Bodybuilding“ hat es schon überführte Dopingsünder gegeben.