Alles hat seine Zeit, auch für einen wie Stefan Rückel, von dem man schon den Eindruck bekommen konnte, er mache nie Schluss. Rückel, der scheinbar ewige Trainer beim TSV Geiselwind: In diesem Sommer war es dann doch so weit, nach 37 langen Jahren. Er werde seine Trainerlaufbahn beenden, das war die Info, die er vor einigen Wochen an seinen Heimatverein und die damit verbundene Junioren-Spielgemeinschaft schickte. Der Schritt sei ihm nicht leicht gefallen, gibt der 61-Jährige zu – wie auch bei einem, der in den Jahren teilweise jeden Tag am Fußballplatz zu finden war? Jetzt, da er beruflich in Altersteilzeit sei und damit ein neuer Lebensabschnitt anstehe, hielt er den Moment für geeignet. Schlussstrich also.
"Ein wenig hat auch die Corona-Pause ihren Teil dazu beigetragen", sagt Rückel. "Ich habe nachgedacht, was mir wichtig ist. Ich wollte mehr Freizeit haben und dachte: Jetzt muss ich den Strich machen." Er hatte beim TSV Geiselwind zwar keine offizielle Funktion mehr. Trotzdem mischte er munter mit in der Fußballabteilung, vor allem im Nachwuchs. Nicht immer ging das ganz geräuschlos ab, Rückel eckte auch mal an. "Ich bin jemand, der seine Meinung sagt, auch wenn es mal unbequem ist. Das kommt nicht immer an", sagt er. Als Ratgeber war und ist er dennoch gefragt. Schließlich kennt er die Abteilung wie kaum ein anderer.
Oft übernahm er einen Klub, der ganz hinten stand
Noch heute sagt er, dass er wohl jeden aktuellen Fußballer seines Klubs – von den Kleinsten der G-Junioren bis hin zu den Alten Herren – kenne. Das ist typisch für ihn. Als Trainer hat Rückel zwar keine hochklassigen Meriten vorzuweisen – bei der Kreisklasse war Schluss –, aber das spielte für ihn keine Rolle. Er suchte nicht das Rampenlicht. Häufig übernahm er einen Klub, der in der Tabelle hinten stand, um dort Aufbauarbeit zu leisten, das war es, was ihn reizte. Und das zeigt auch sein Faible für Schwächere. Rückel war nicht nur ein Mann fürs Sportliche, sondern auch sonst eine verlässliche Konstante, einer, der sich stets fragte, was er für seinen Verein und die Gesellschaft tun könne und nicht umgekehrt. So sitzt er seit zwei Jahrzehnten auch im Pfarrgemeinderat.
Beruflich war der gelernte Maschinenschlosser Gruppenleiter bei einem großen Unternehmen. Dort organisierte Rückel auch mal Fußballspiele und -turniere für die Mitarbeiter. Ums Geld ging es ihm beim Sport nie, er sah den Menschen dahinter, die Gemeinschaft. Zu den Jugendlichen fand er auch bei der heute als so schwierig bezeichneten Generation immer einen Draht.
Er gilt denn auch als Menschenfänger. Als einer, der in die jungen Spieler hineinhörte und mehr sah als deren Fassade. „Da hilft mir meine christliche Einstellung“, sagt er zu seiner psychologischen Seite. Der Mensch stand bei ihm im Mittelpunkt, nicht der Sport. Das liegt auch an seiner Prägung. Mit dem Fußball wurde er in den 1960er Jahren groß, „jeder spielte, da gab es für uns nichts anderes. Wir haben stundenlang gebolzt; und dann ging es heim auf den Bauernhof, wir mussten ja zu Hause mithelfen.“ Aufgewachsen ist er mit drei Brüdern.

Schon in den Schüler- und Jugendmannschaften des TSV Geiselwind hatte er meist defensive Rollen. Er galt als laufstarker Kämpfer-Typ, wie sein einstiges Vorbild „Bulle“ Roth von Bayern München. Als Spieler verabschiedete er sich aus Geiselwind Anfang der 1980er Jahre, „am letzten Tag der Wechselfrist zum Letzten der C-Klasse“. Typisch für ihn. 1982 stieg er in Geiselwind ins Trainergeschäft ein, bei der damals neu formierten B-Jugend. Über diesen Weg ging es für ihn zu den Männermannschaften. Für Rückel sollten später zwölf Stationen als Trainer folgen, von Biebelried, Abtswind, Prichsenstadt, bis nach Mittel- und Oberfranken. Nicht selten fuhr er mit dem Fahrrad zum Training, um fit zu sein. Beim Heimatverein sprang er in schwierigen Zeiten auch mal ein, etwa als Co-Trainer für Ex-Profi Alois Reinhardt, der 2009 den TSV Geiselwind kurzzeitig übernommen hatte.
An seiner ersten Trainerstation bekam er 50 Mark im Monat
Dazu betreute er in all den Jahren immer eine Jugendmannschaft in Geiselwind. Und 1980 begann Rückel auch noch als Schiedsrichter in der Gruppe Gerolzhofen. Geschichten aus den früheren Zeiten gibt es einige, die eine oder andere Freundschaft zu Spielern pflegt er noch. „Bei meinem ersten Trainervertrag bekam ich 50 Mark im Monat. Im Nachwuchsbereich habe ich nie was gekriegt, das wollte ich auch nicht“, sagt er heute. Nicht selten hieß früher Stefan Rückels Alltag: Frühschicht, dann Jugendtraining, dann zum Training der Männer. Bei so viel Fußball musste natürlich die Familie mitspielen. Seine Frau und die drei Kinder begleiteten ihn oft zu den Spielen der Vereine, die er trainierte. Die beiden Söhne spielten später selbst, im Jugendbereich oft mit dem Vater als Trainer.
Was sich verändert hat in all den Jahren – beim Fußball, bei den Spielern? Es gebe noch Ausnahmen bei den Jugendlichen, aber die Lust am Sport habe deutlich abgenommen, so Rückel. „Sonst konntest du einen Spieler leichter mal auf die Ersatzbank setzen. Jetzt musst du ihnen in den Hintern kriechen, damit sie überhaupt spielen. Häufig reden auch die Eltern zu sehr mit, das gab es früher nicht.“ Es werde auch anders trainiert, „komplizierter, mit Laufwegen und so. Dabei haben viele gar nicht die Grundlagen, die Technik“.
Ob es ihm nun langweilig wird? Stefan Rückel schüttelt den Kopf. Zum einen helfe er beim Hausbau der Tochter. Dazu hat er sich nun ein anderes, arbeitsreiches Betätigungsfeld gesucht. Im Geiselwinder Kirchenvorstand hat er einiges zu tun, wie er sagt. Ganz ohne Fußball geht es allerdings auch nicht. Als Schiedsrichter will er auf jeden Fall weitermachen. Ab und an werde er beim Training der Kleinsten, der G-Junioren, „etwas mithelfen“. Niemals geht man so ganz. Das gilt auch für einen wie Stefan Rückel.