Es gibt Sportler, für die ist eine Saison im Niemandsland der Tabelle das Schönste überhaupt. „Dadurch geht zumindest der Abstiegskelch an uns vorüber“, begründen sie. Für die anderen wird es erst interessant, wenn sie – natürlich viel lieber – ganz vorne oder – wenn's denn sein muss – ganz hinten um Punkte kämpfen. „Alles, nur keine Langeweile“ lautet deren Motto. Zur zweiten Kategorie kann man getrost die Fußballer der SGM Taubertal/Röttingen zählen. Seit drei Jahren gehen die Vereine FC Taubertal und TSV Röttingen als Spielgemeinschaft auf Punktejagd. Nach Auf- (2013/14) in und Abstieg (2014/15) aus der Bezirksliga Hohenlohe saß die SGM Taubertal/Röttingen auch am Ende der Spielzeit 2015/16 wieder im Fahrstuhl. Der führte nach oben, zurück in die Bezirksliga Hohenlohe. Damit hat Trainer Stefan Roth, der seinen Vorgänger Uwe Göb nach dessen Relegations-Aufstieg ablöste, bereits in zwei Jahren die gesamte Gefühlswelt eines Übungsleiters durchlebt.
Nach der Meisterschaft sah es zunächst nicht aus. Erst eine Serie von sieben Spielen ohne Niederlage ließ den eher durchwachsenen Saisonauftakt vergessen, für den es allerdings durchaus verständliche Gründe gab. Mit Dominik Lysak hatte der erfolgreichste Torschütze der Bezirksliga-Saison den Verein verlassen und war nach Polen zurückgekehrt. Dazu kam der tödliche Verkehrsunfall eines beliebten Mitspielers kurz vor Beginn der Saisonvorbereitung. „Das hat Spuren hinterlassen. In dem Moment haben wir gemerkt, dass es Wichtigeres als Fußball gibt. Wir haben der Mannschaft alle Zeit gegeben, um damit fertig zu werden“, berichtet Stefan Roth. Außerdem hat sich Jonas Löbert im ersten Spiel verletzt und fiel sechs Spieltage aus. Der Pole Przemyslaw Kotlarz schließlich nahm an der Kleinfeld-Europameisterschaft teil und musste ebenfalls ersetzt werden.
So dauerte es die halbe Vorrunde, bis sich die Mannschaft gefunden hatte. Die zweite Hälfte offenbarte dann jedoch die Möglichkeiten, die in der Truppe steckten. Sieben Spiele wurden ohne Niederlage absolviert. Am letzten Vorrundenspieltag sprang die Spielgemeinschaft auf den zweiten Tabellenplatz. Das war auch die Zeit, in der bei Stefan Roth der Glaube an den Aufstieg wieder zurückkehrte. Ein Unentschieden und erneut eine Schlappe gegen Apfelbach/Herrenzimmern (1:4 nach dem 1:3 im Hinspiel) zum Rückrundenstart ließen nur kurz Zweifel aufkommen, ehe die letzten zwölf Saisonspiele mehr oder weniger zu einem Taubertal-Röttinger Triumphzug wurden. Am Doppelspieltag an Ostern übernahm die SGM erstmals die Tabellenspitze.
Es folgten in den letzten zwölf Saisonspielen nur noch ein Unentschieden gegen Creglingen und eine Heimniederlage gegen Igersheim. Dies war bereits die vierte in der laufenden Runde, was in der Heimtabelle nur den sechsten Platz bedeutet. Dafür ließen es die Roth-Schützlinge auswärts krachen. Zwei Unentschieden und nur eine Niederlage bedeuteten sechs Zähler Vorsprung in der Auswärtstabelle. Genau die Punkte, mit denen sie auch in der Gesamttabelle die Konkurrenz auf Distanz hielten.
Was ist das SGM-Erfolgsgeheimnis in der Fremde? „Die Mannschaft ist unerschrocken und selbstbewusst, aber nicht größenwahnsinnig. Das ist auswärts ein großer Vorteil“, glaubt der Trainer. Die Heimspielschwäche kann er dagegen nicht begründen. Dass seine Mannschaft ein Problem hat, das Spiel selbst zu gestalten, wenn die Gegner in erster Linie auf die Abwehr setzen, lässt der Trainer so nicht gelten. Er gibt aber zu, dass „wir im Konterspiel gefährlicher sind“.
Eine Baustelle sieht der Übungsleiter noch im Angriff. Weil ein echter Knipser fehlt, hat er den offensiven Mittelfeldspieler Alexander Kempl umgeschult. Dessen 14 Treffer lassen auch für die neue Saison hoffen, in der als Ziel der Bezirksliga-Klassenerhalt ausgegeben wird. Große Verstärkungen sind nicht zu erwarten, weil kein Geld fließt. Mit Daniel Walch kommt aber ein guter Mann aus Bieberehren, der für Hollenbach am Ball war und zuletzt das Trikot des Verbandsligisten FV Lauda trug. Der 22-jährige Abwehrspieler wird zwar voraussichtlich nicht das Knipser-Problem lösen, „aber wenn man einen so guten Spieler bekommen kann, ist es mir egal, für welche Position“.
Für die des Co-Trainers konnte Stefan Roth vor der Meister-Saison Florian Wolpert gewinnen. Der ehemalige Tauberrettersheimer Spieler ist in der Mannschaft angesehen und besitze auch die nötigen fachlichen Qualitäten.
Mit ihm zusammen hätte Roth im dritten Jahr als SGM-Trainer vielleicht einmal nichts gegen eine langweilige Saison, wenn an deren Ende dann der Klassenerhalt steht. In der zum Württembergischen Fußballverband gehörenden Bezirksliga Hohenlohe wohlgemerkt, in der die Fahrten für die unterfränkische Spielgemeinschaft Taubertal/Röttingen sicherlich mit (noch) mehr Aufwand verbunden sind, als im zum Bayerischen Fußballverband gehörenden Spielkreis Würzburg. Warum man sich trotz immer wieder einmal auftauchender Überlegungen bisher gegen einen Verbands-Wechsel entschieden hat, habe auch etwas mit über Jahre hinweg gewachsenen Sportbekanntschaften zu tun, erklärt Röttingens Sportleiter Jochen Bergold.
Stefan Roth
In zwei Jahren bei der Spielgemeinschaft Taubertal/Röttingen hat Stefan Roth (46) bereits alle Stimmungslagen eines Fußball-Trainers erlebt. Nach dem Bezirksliga-Abstieg in der Saison 2014/15 schaffte der Holztechniker und Betriebswirt in der abgelaufenen Spielzeit in der Kreisliga A 3 Hohenlohe die Meisterschaft und sofortige Rückkehr in die Bezirksliga. Roth erwarb mit 20 Jahren seine B-Lizenz und war elf Jahre in der Jugendarbeit seines Heimatvereins SV Bieberehren tätig. Eine Saison als Co-Trainer beim Post SV Würzburg (unter Bruno Werner) und eine bei der Bayernliga-A-Jugend des Post Süd Regensburg waren weitere Stationen. In den Spielzeiten 1999/2000 (gleichberechtigt mit Michael Nast) und 2004/2005 hatte er das Traineramt beim SV Bieberehren inne. Roth ist verheiratet und hat zwei Söhne (7, 10).