Um den Schwanberglauf sind im Lauf der Zeit viele Mythen entstanden. Das fängt schon mit der Frage an, wann er erstmals ausgetragen wurde. „1983“, sagt Franz Brosch am Telefon. Der 69-jährige Iphöfer ist der Vater des Laufs, der an diesem Freitag (18.30 Uhr) vor einer weiteren Auflage steht. Er hat ihn seinerzeit – kurz nach seiner ersten Wahl in den Bayerischen Landtag – ins Leben gerufen. In den vergangenen 35 Jahren gingen Zehntausende auf die gut 10,4 Kilometer lange Strecke von Iphofen ins benachbarte Castell. Brosch hat sich vor Jahren aus der Organisation zurückgezogen, aber er steht gerne bereit, um mit ein paar Mythen aufzuräumen.
Hallo, Herr Brosch. Ich würde gerne mit Ihnen über den Mythos Schwanberglauf sprechen.
Franz Brosch: Gern. Was wollen Sie wissen?
Es wird auf der Veranstalter-Homepage eine große Geheimniskulisse um diesen Lauf aufgebaut. Wie war es denn nun in den 1980er-Jahren?
Brosch: Als 18-, 19-Jähriger habe ich oft Wetten veranstaltet. Ich habe alle gewonnen.
Welche Art von Wetten waren das?
Brosch: Es ging darum, mit dem Rad um den Schwanberg bis nach Castell zu fahren. Ich habe gewettet, dass ich es in einer Stunde schaffe. Das waren damals ja alles alte Räder. Mein Wettpartner hat ein Fass Bier verloren. Bei anderer Gelegenheit habe ich gesagt: Ich bin zu Fuß mindestens genauso schnell oben am Schwanberg wie ihr mit dem Auto. Ich habe es in 15 Minuten über den Hohlweg nach oben geschafft.
Sie waren sehr sportlich.
Brosch: Ich bin als Student in Würzburg regelmäßig zur Festung hochgesprintet. Als ich dann in den Landtag kam, wollte ich mich weiter fit halten. Ich war 31 und gerne sportlich unterwegs damals. Dazu kam aber noch etwas anderes: Mich hat die Begegnung mit Langstreckenläufern aus meinem Wahlkreis Kitzingen und Ochsenfurt sehr fasziniert und inspiriert. So kam ich auf die Idee, einen Lauf rund um den Schwanberg zu organisieren. Ich wollte den Leuten begegnen, auf andere Weise als in der Politik. Ich habe Menschen über das Laufen kennengelernt.
Und aus dieser Idee wurde der Schwanberglauf geboren?
Brosch: Mein Gedanke war: in hundert Minuten über den Schwanberg. Ob das jetzt gelaufen oder gegangen wird, war egal. Der Schnellwanderer war mir genauso lieb wie der Läufer, später dann die unterfränkische Elite. Wir wollten mit diesen Menschen ins Gespräch kommen. Der Gedanke, gemeinsam zu laufen, war 1983 nicht so verbreitet. Da gab es dann so einen verrückten Brosch: Jetzt rennt er auf dem Schwanberg umher, haben sie gesagt.
Gab es denn nun eine Wette zwischen Ihnen und dem Fürsten zu Castell, oder eine Einladung zu einem Glas Casteller Wein?
Brosch: Nein. Weder das eine noch das andere. Es gab Wetten, nicht mit dem Fürsten, sondern mit Gleichgesinnten. Ich war sportlich aktiv und wusste, dass ich fit bin – daraus sind diese Wetten entstanden. Dann habe ich gemerkt, dass man den seinerzeit eher unbekannten Laufsport fördern kann, indem man eine nette Atmosphäre schafft und sie in ein Weinfest einbettet. Wir haben ja nicht gesagt: Wir sind Asketen. Der Wein sollte da schon eine gewisse Rolle spielen. Wir saßen nach den Läufen immer noch nett zusammen – das hat eine ganze Fan-Gemeinde hervorgebracht. Als es in den 1980er-Jahren richtig losging, hatten wir bis zu 1500 Starter. Es war ein Hype.
Der erste Volkslauf im Landkreis.
Brosch: Ja, mit Abstand. Es kam dabei auch nicht vordergründig auf die Zeit des Einzelnen an. Wenn jemand meinte, das sei wichtig, haben wir es eingetragen – auf Zuruf. Es wurde bis nachts um zwei Uhr aufgeschrieben, und wenn am Tag darauf einer kam und sagte: Ich habe eine andere Zeit, haben wir es auch eingetragen. Uns kam es nicht auf Ergebnisse oder Platzierungen an. Wir haben durch diese Methode viel Geld gespart und insgesamt 100 000 Euro an Spenden eingesammelt.
Sind Sie denn selbst auch mitgelaufen?
Brosch: Immer. Nur die letzten fünf Jahre, in denen ich Veranstalter war, nicht mehr. Ich habe am Morgen des Laufs in Iphofen begonnen, schwarz-weiße Fähnchen entlang der Strecke aufzuhängen, ließ mich von meiner Frau in Castell abholen, und ein paar Stunden später lief ich noch einmal offiziell mit.
Haben Sie die Wegstrecke damals selbst bestimmt?
Brosch: Ja, als Jäger kenne ich mich im Wald aus. Früher ging es zum Teil mitten durch den Wald, weil es noch keine Wege gab. Irgendwann war das zu gefährlich – gerade beim Abstieg. Dann wurden Wege, auch zum Wandern, angelegt. Heute ist ja alles sehr komfortabel. Ich wollte immer genau wissen, wo die Läufer unterwegs sind. Anfangs habe ich das vielleicht etwas schleifen lassen. Da gab's die tollsten Dinge.
Zum Beispiel?
Brosch: Leute haben sich verlaufen im Wald – und haben mich dann geschimpft. Ein Amerikaner kam erst nachts um elf in Castell an. Er fand den Weg nicht, weil die Bänder, die den Weg weisen sollten, zu früh abgenommen worden waren. Es gab helle Aufregung. Die Feuerwehr fuhr dann im Wald umher, um ihn zu suchen. Andere waren unvernünftig, wollten es sich und allen beweisen. Ich habe dann die Regel aufgestellt: Wer anderen an der Strecke hilft, bekommt im Ziel einen Bocksbeutel. Mir war im-mer wichtig, dass dieser Lauf einen guten gemeinschaftlichen Charakter hatte.
Wie hat sich der Lauf aus Ihrer Sicht entwickelt?
Brosch: Die durchschnittliche Zeit im Feld lag damals zwischen 50 und 70 Minuten. Das stimmt heute wahrscheinlich nicht mehr. Man läuft inzwischen viel, viel mehr. Damals war das der Anfang einer Bewegung. Der Schwanberglauf war eine Initialzündung. Dass sich einige hundert oder sogar mehr als tausend Leute zum gemeinsamen Laufen einfinden, gab es nicht.
Wäre es für Sie reizvoll, mal wieder mitzulaufen?
Brosch: Wieso nicht? Dazu müssten aber schon 20, 30 andere meiner Generation mitmachen – so wie das am Anfang auch war. Ich habe immer gesagt: Wir laufen die Strecke gemeinsam, und wenn einer nachlässt, ziehen wir ihn mit. Ich bewundere alle, die es in rund 30 Minuten über den Berg schaffen. Aber so muss es nicht sein. Es geht um das Gemeinschaftserlebnis.
Wie würden Sie Ihren aktuellen Fitnesszustand beschreiben?
Brosch: Ach, ich laufe in der Woche zwei- bis dreimal meine drei bis fünf Kilometer. Das schaffe ich, ohne dass ich außer Atem komme. Ich übertreibe es nicht. Meine Kinder überholen mich auf dem Weg nach oben, aber auf längere Sicht halte ich schon Anschluss.