Umrankt von dichtem Laubwald liegt es da. Plácido Domingo hat hier, in der idyllischen Freilichtarena des Aachener Waldstadions, schon gesungen, vor mehr als 23 Jahren. Für eine deutsche Meisterschaft junger Leichtathleten aber ist das in die Jahre gekommene Oval im Süden der Stadt vielleicht dann doch nicht der angemessene Resonanzboden. „Vom Gefühl her nicht so toll“ erlebte Matthias Hofmann an diesem Wochenende die Atmosphäre auf der 1927 erbauten Anlage. „Es war mehr Sportplatz als Stadion“, sagt er. Hätte der erste Auftritt des Eibelstädters auf einer nationalen Meisterschaft auch deutlich stimmungsvoller verlaufen können – der Erfolg bei der Premiere passte: Hofmann kehrte als deutscher Meister im Blockwettkampf Lauf zurück.
Deutsche Leichtathletik-Legenden wie Willi Wülbeck, Carlo Thränhardt oder Tim Lobinger halten Rekorde in diesem Stadion, aber das ist nun auch schon zwanzig Jahre und länger her. Matthias Hofmann war zu dieser Zeit noch nicht mal geboren. Mit seinen 15 Jahren blickt er auf eine Laufbahn, die in der letzten Zeit rasant an Fahrt gewonnen hat. Mal verbesserte er die 35 Jahre alte Unterfranken-Bestmarke über 800 Meter der Altersklasse 12, mal setzte er sich im Mehrkampf ge-gen die Konkurrenz in Bayern durch.
Erst kurz vor dem Trip nach Aachen hatte er mit mehreren persönlichen Bestleistungen den Titel im Freistaat errungen.
Der Blockwettkampf der Jugend ist die Vorstufe zum Mehrkampf der Erwachsenen und bietet breiten Spielraum: Entsprechend seinen Stärken und Neigungen kann der Sportler aus verschiedenen Schwerpunkten (Lauf, Sprint/Sprung oder Wurf) fünf Disziplinen auswählen, ohne sich zu sehr zu spezialisieren. Er bleibt in gewisser Weise Generalist. Für Hofmann heißt das: Er muss sich als Läufer nicht nur über drei unterschiedliche Distanzen von 80 Meter Hürden, 100 Meter und 2000 Meter bewähren, sondern auch noch beim Weitsprung und Ballweitwurf; das fördert die Vielseitigkeit des Athleten.
So besehen, erwies sich Hofmann in Aachenals Paradebeispiel des breit aufgestellten Sportlers. In keiner seiner fünf Disziplinen siegte der für das LAZ Kreis Würzburg startende Eibelstädter. Dass er dennoch den Titel errang, war seiner Ausgeglichenheit geschuldet. Und einem unwiderstehlichen Spurt auf der Zielgeraden.
Über 80 Meter Hürden kratzte er mit 11,58 Sekunden an seiner Bestmarke, über 100 Meter legte er in 11,75 Sekunden ein fabelhaftes Rennen hin, und die 5,74 Meter im Weitsprung konnten sich ebenfalls sehen lassen, während der Ballweitwurf mit 50 Metern seine schwächste Disziplin blieb. Vor dem abschließenden 2000-Meter-Lauf lag Hofmann auf Platz drei, 2181 Punkte hatte er bis dahin gesammelt, und es begann die Zeit der Rechenspielchen. Tobias Hau vom SC Friedrichsthal im Saarland brachte es auf 2186 Zähler, Willy Stollhoff (Chemnitz) sogar auf 2235 Punkte. Hofmann wusste, dass seine Zeit noch kommen würde. Und so war es auch. Wieder einmal geriet der Dauerlauf zum Triumphmarsch des Eibelstädters, der die neunte Klasse des Gymnasiums besucht: 6:09,47 Minuten!
Mit diesem furiosen Finale hatte er seine Konkurrenten noch abgehängt. Hau brauchte 37 Sekunden, Stollhoff immerhin 28 Sekunden länger. Zehn Punkte Vorsprung hatte Hofmann in der Endabrechnung, eine Winzigkeit in der Leichtathletik, die zwei Metern beim Ballwurf oder einer Hundertstel im 100-Meter-Lauf entsprechen. „Ich dachte mir: Ein Platz auf dem Treppchen wäre toll“, sagt Hofmann. Erst hinterher erfuhr er, dass er als Favorit in diesen Wettkampf gegangen war. So etwas würde Plácido Domingo nie passieren.