Ringer-Bundesliga Nord
„Du hast keine Chance, also nutze sie!“, sagt man ja gerne, nicht nur im Sport. Der AC Lichtenfels war zwischenzeitlich auf genau dieser Mission unterwegs am Samstagabend im Bundesliga-Duell gegen den Luckenwalder SC. Letztendlich aber waren die Gäste mit 16:9 ein vollkommen verdienter Sieger.
Ohne den nach wie vor verletzten Miloslav Metodiev und die bei den polnischen Meisterschaften unabkömmlichen Patryk Dublinowski und Mateusz Filipczak hatte man sich nach dem Ab-wiegen auf Lichtenfelser Seite eh keinen Illusionen hingegeben, dass die Revanche für das dramatische 16:17 beim letzten Vergleich in heimischer Halle gelingen würde.
Dass es dennoch ein packender und lange Zeit auch spannender Ringkampfabend wurde, lag am Duell im Schwergewicht (130 Kilo, griechisch). Dort stand nüchtern betrachtet eigentlich nur die Siegeshöhe des liebevoll „Bärchen“ genannten Gäste-Schwerathleten Christian John gegen Romas Fridrikas zur Debatte, zumal der Luckenwalder nicht nur auf seinen eklatanten Gewichtsvorteil von 119,4 zu 96,1 Kilogramm pochen konnte, sondern zu Beginn der zweiten Kampfminute auch bereits standesgemäß mit 10:2 vorne lag.
Dann aber passierte etwas, das so manchem Ringkampf-Haudegen ein „wie damals 1972 Wilfried Dietrich“ entlockte. Der hatte seinerzeit bei den Olympischen Spielen in München gegen den viel schwereren Chris Taylor auch erst herausfinden müssen, ob er im Clinch die Hände im Rücken des Kontrahenten würde wiederfassen können. Als dies gelang, besiegelte damals wie vorgestern ein brachialer Überwurf den sensationellen Kampfausgang per Schultersieg.
Zuvor hatte der zwar bemühte, aber noch nicht in Bestform agierende Bence Juhas (57 Kilo, Freistil) mit 8:13 gegen Sven Cammin verloren. Danach bewahrte Venelin Venkov (61 Kilo, griechisch) seinen Nimbus der Unbesiegbarkeit mit einem schwer errungenen 2:0 über den nahezu gleichwertigen Anar Zeinalov.
Im freien Stil, übrigens nicht nur der Klassen 98 und 66 Kilogramm, lagen die Vorteile – so objektiv musste man sein – klar auf Gästeseite. Während der erneut eingesprungene Daniel Luptowicz (98 Kilo) gegen Mihail Ganev auf Schulter unterlag, musste auch Timur Seidel (66 Kilo) beim 0:6 gegen Michel Schneider anerkennen, dass sein Kontrahent in den engen Situationen einfach die besseren Antworten hatte.
Nach der Pause und einem Stand von 5:8 kreuzten zwei Athleten der absoluten Weltklasse die Klingen in der 86-Kilo-griechisch-Kategorie. Und wie so oft auf diesem Niveau, war es genau eine Aktion, die den Kampf entschied – diesmal ein fast lehrbuchreifer Kopfzug des Europameisters und WM-Dritten Zhan Beleniuk (ACL): Der in der Korbstadt noch immer beliebte letztjährige ACler Laimutis Adomaitis (LSC) lief diesem 0:4 vergeblich hinterher.
Weniger Freunde beim ACL gewann dagegen Kampfrichter Mario Schmidt (SAV Torgelow) mit seinem Urteil, das ausgeglichene Duell in der 66-Kilo-griechisch-Kategorie zwischen dem bis dato unbesiegten Rumen Savchev und Erik Weiß mit einem Verwarnungs-Einser in der Schlussminute zu Gunsten des Gästeakteurs zu entscheiden. Fortan hatten die leidenschaftlichen AC-Fans zwar einen Sündenbock für die heraufziehende Niederlage, doch sahen es im Nachgang sämtliche heimischen Funktionäre wie Mannschaftsführer Kevin Tischer ein wenig anders: „Wir hatten diesmal sicher keinen Heim-Mattenleiter, aber letztlich waren es keine gravierenden oder kampfentscheidenden Dinge.“
Zumal ohnehin in der Folge Sergej Siscov (86 Kilo, Freistil) mit zehn Kilo Gewichtsnachteil gegen Maciej Balawender beim 2:12 auf verlorenem Posten stand und auch aus Simon Pilzwegers Revanche gegen seinen ewigen Rivalen Lennard Wickel (75 Kilo, Freistil) nichts wurde. Kurz vor dem Schlussgong wurde er beim Stand von 4:8 sogar geschultert.
So blieb es letztlich dem ACL-Ausnahmetalent Hannes Wagner (75 Kilo, griechisch) vorbehalten, für einen versöhnlichen Schlussakkord zu sorgen. Nach einem verbissen geführten Abnutzungskampf ohne technische Wertung wurde er aufgrund der als geringfügig größer beurteilten Aktivität beim Stand von 0:0 zum Sieger über Aleksandar Maksimovic erklärt. Doch räumte er von sich aus ein: „Zumindest am Ende war sicher mein Gegner der aktivere Mann – so gesehen ein glücklicher Sieg.“ Keine Frage: Dieser 19-jährige Bursche hat nicht nur sportliche Größe.