Es ist einfach toll, was du geleistet hat“, zollte Bürgermeister Andreas Hügerich dem jungen Klosterlangheimer Respekt, als dieser sich kürzlich ins Goldene Buch der Stadt eintrug. Und die verbalen Lorbeeren für Hannes Wagner waren vollauf verdient. Mit seinem Junioren-Europameistertitel in der Klasse bis 74 Kilogramm im griechisch-römischen Stil war dem 20-Jährigen der große Wurf gelungen. Schon bald hat der ehrgeizige junge Sportler gar die Möglichkeit, im ohnehin für ihn schon glänzend laufenden Jahr 2015 noch eins draufzusetzen – Mitte August bei der Junioren-Weltmeisterschaft in Brasilien. Doch der Junioren-Europameister hebt bei all den Erfolgen dennoch nicht ab und beweist, dass Trainingsfleiß und die richtige Einstellung die zwei Seiten einer jeden Ringermedaille sind.
Dieser 27. Juni bleibt unvergessen für Hannes Wagner und für alle, die an jenem Samstag Fingernägel kauend das Finale in Istanbul verfolgt haben. Die Vereinskollegen vom AC Lichtenfels, wo Hannes Wagner als Sechsjähriger zum Ringersport fand, seine Familie, die Freunde und natürlich unzählige Klosterlangheimer ließen nach Möglichkeit alles stehen und liegen und saßen vor dem PC. Und der Traum ging in Erfüllung – Gold für „ihren“ Hannes nach dem 3:1-Finalsieg gegen den Weltmeister des Vorjahres, Furkan Bayrak aus der Türkei. „Eine Wahnsinnsleistung von Hannes“, brachte es Jürgen Lieb, der langjährige Mannschaftsführer des ACL, euphorisch auf den Punkt, auch ACL-Vorsitzender Oliver Dürr war aus dem Häuschen.
„Beim Ringen spielen Schnelligkeit, Kraft und Kondition zusammen“, erklärt der 20-Jährige. Um da national und erst recht international sportlich im Konzert der Großen mitspielen zu können, ist regelmäßiges Training das A und O. „Auf dem Programm stehen natürlich die Techniken und Griffe, aber auch die Körperbeherrschung wird geschult“, erklärt der Klosterlangheimer. Der ganze Körper werde beim Ringen beansprucht. Umso wichtiger sei das Aufwärmen, um Verletzungen vorzubeugen.
Wie ernährt sich ein erfolgreicher Ringer? „Im Prinzip esse ich, was mir schmeckt, ganz normal, ausgewogen halt“, lächelt Hannes. Nur direkt vor Wettkämpfen werde die Ernährung zeitweise umgestellt, auch weil es natürlich gilt, die Gewichtsklasse zu halten, erläutert er hierzu. Nach dem Rückzug des AC Lichtenfels aus der ersten Bundesliga geht Wagner in der im September startenden neuen Saison für den ASV Mainz 88 in der Beletage des deutschen Ringersports an den Start. Emotional ist er ein wenig hin- und hergerissen. Zum einen ist dem jungen Mann sehr bewusst, dass der ACL mit seiner hervorragenden Nachwuchsarbeit die Grundlagen gelegt hatte für seine ansteigende sportliche Erfolgskurve. „Dafür bin ich dem Trainer und allen, die mich beim ACL in all den Jahren unterstützten, auch sehr dankbar“, betont er.
„Es kommt wie immer natürlich auch auf die Tagesform an, aber ich werde versuchen, eine Medaille zu gewinnen!“
Hannes Wagner über sein Ziel für die Junioren-WM in Brasilien
Auf der anderen Seite nahm er das Angebot aus Mainz an, weil regelmäßige Bundesliga-Wettkämpfe nachvollziehbar sehr wertvoll sind, um auch weiterhin national wie international Topleistungen abrufen zu können. „Und Mainz ist ein renommierter Ringerverein, vielleicht vergleichbar mit den Dortmundern beim Fußball“, ergänzt Hannes. Deshalb wird er künftig auch die rund dreistündigen Fahrten zwischen Klosterlangheim und der rheinland-pfälzischen Landeshauptstadt an den Bundesliga-Wochenenden in Kauf nehmen.
Dem AC Lichtenfels, der dem Ringer freilich ans Herz gewachsen ist, bleibt er freundschaftlich verbunden. „Natürlich fanden es alle schade, dass ich künftig für Mainz starte, aber sie hatten auch Verständnis für meine Entscheidung“, so der Klosterlangheimer, dem man im Gespräch anmerkt, dass ihm dieser Schritt nicht gerade leicht gefallen ist. Bevor er in dieser Woche zum Trainingslager in die litauische Hauptstadt Vilnius reiste, fuhr er nach Mainz, lernte auch seinen dortigen Trainer David Bichinashvili kennen. „Ich bin dort sehr gut aufgenommen worden“, freut sich Hannes auf die neue Herausforderung.
Zu schätzen weiß der 20-Jährige, dass er die AC-Halle auch weiterhin hin und wieder als Trainingsstätte nutzen darf. Auch wenn er zu Trainingseinheiten an Stützpunktorten, Wettkämpfen und künftig zu Bundesligaeinsätzen für Mainz viel unterwegs ist, weiß er, wo seine Wurzeln sind, kommt immer gerne in die Heimat zurück. Seine Familie mit den Eltern und den drei Brüdern sind ihm enorm wichtig, als unersetzlicher emotionaler Anker.
In der Förderung des Spitzensports durch die bayerische Polizei kann sich der junge Athlet auf Training und anstehende Wettkämpfe konzentrieren, durch diese „Duale Förderung“ Polizeiausbildung und Sport unter einen Hut bringen. Manfred Werner, Präsident des Deutschen Ringerbundes (DRB), und DRB-Sportdirektor Jannis Zamanduridis hatten eine Aufnahme des Klosterlangheimers in die Sportfördergruppe der bayerischen Polizei erreicht. Bisher war dies vorrangig Wintersportlern vorbehalten – somit ist diese Entscheidung nicht nur als Wertschätzung seiner sportlichen Leistung, sondern auch des Ringersports insgesamt zu werten. Nicht umsonst gehört Ringen seit Beginn der Olympische Spiele der Neuzeit 1896 zum Programm.
Im Winter ist Lernen angesagt
Im Winter im viermonatigen beruflichen Ausbildungsblock ist dann „Büffeln“ angesagt. So charakterfest und beflissen, wie die Ringerfans „ihren“ Hannes kennen- und schätzengelernt haben, wird es der 20-Jährige sicher auch hier nicht an Einsatz fehlen lassen.
Jetzt aber steht die Weltmeisterschaft im brasilianischen Salvador de Bahia in rund drei Wochen vor der Tür – vielleicht mit dem nächsten Coup? Namen wie Thomas Zander, Maik Bullmann und des unvergesslichen Pasquale Passarelli nimmt der 20-Jährige selbst nicht in den Mund, aber auch die Olympiasieger von einst haben klein angefangen.
Motivieren muss man Hannes ohnehin nicht. „Es kommt wie immer natürlich auch auf die Tagesform an, aber ich werde versuchen, eine Medaille zu gewinnen“, gibt sich der Klosterlangheimer auf die Frage nach seinen Chancen realistisch, aber auch ausgestattet mit der nötigen Portion Selbstbewusstsein, die erfolgreiche Ringer auszeichnet. Wenngleich das Niveau noch einmal eine Stufe höher liegt als bei der EM, möchte er diese Gelegenheit gerne beim Schopfe packen. Und nicht nur ganz Klosterlangheim wird dem Polizisten in spe dabei sicher die Daumen drücken.