Sport lebt auch von der Kreativität einzelner Sportler. Man denke nur an Techniken wie den vom Hochspringer Dick Fosbury entwickelten Fosbury-Flop, der den Hochsprung revolutioniert hat. Aber nicht immer erweisen sich solche Innovationen als Erfolgsgeschichte. So geschehen in diesem Jahr im Badminton: Eine neue Aufschlagtechnik, die den Gegnern kaum eine Chance lässt, sorgte für Furore und beschäftigte auch die fränkische Badmintonwelt, wie unsere Umfrage ergeben hat. Doch die Regelhüter griffen schnell ein – und verboten diese Service-Variante. Erstmals auf der Bildfläche erschien sie im März bei den Polish Open. Die Technik, die der 20-jährige Däne Marcus Rindshøj zeigte, sorgte für Aufruhr in der Badminton-Szene. „Er dreht sich in so viele verschiedene Richtungen und der Gegner weiß nie, wann der Korken in die richtige Richtung zeigt. Das macht es superschwierig, den Ball anzunehmen“, beschrieb Rindshøj seinen neuen Aufschlag im dänischen Podcast „Tyvstart“.
Dabei entsteht der Spin des Federballs, indem der Korken zwischen Mittelfinger und Daumen eingeklemmt und beim Loslassen mit dem Mittelfinger angedreht wird. Sobald er über das Netz geschlagen wird, dreht sich der Ball mit dem Korken nach oben und gerät derart ins Trudeln, dass es selbst den besten Spielern schwerfällt, das Spielgerät kontrolliert zurückzuspielen.
Dass diese Aufschlagtechnik für Kontroversen sorgen würde, war ihrem Entwickler schnell klar: „Ich würde ihn wahrscheinlich verbieten“, gestand der Däne. Denn wenn mehr Spieler die Technik übernehmen und jeder Ballwechsel bereits mit dem Aufschlag endet: Was macht Badminton, die schnellste Rückschlagsportart der Welt, dann noch spektakulär? Bis zum Erlass des erwarteten Verbots dauerte es nicht lange. Am 12. Mai veröffentlichte der Badminton-Welt-Verband (Badminton World Federation, BWF) zunächst eine bis zum 29. Mai gültige Regeländerung, die den neuen Spin-Aufschlag untersagte. In einer erneuten Mitteilung der BWF am 29. Mai wurde die Verlängerung des Verbots bis nach den Paralympischen Spielen im September 2024 in Paris bekanntgegeben. Laut Regelwerk darf dem Federball also beim Loslassen kein Spin hinzugefügt werden.
Kein Novum
Dass eine Aufschlagtechnik verboten wird, um wieder für längere Ballwechsel zu sorgen, ist im Badminton nicht neu: 1982 untersagte der Weltverband den sogenannten Sidek-Aufschlag. Bei der von den malaysischen Sidek-Brüdern genutzten Technik trifft der Schläger den Federball an den Federn und nicht am Korken. Der Effekt war ähnlich wie bei Rindshøjs neuer Angabe. Konsequenz: Der Federball durfte ab diesem Zeitpunkt laut Regelwerk nur noch am Korken getroffen werden.
Zwar begrüßte die Mehrzahl der Aktiven auch das Verbot des Spin-Aufschlags, einige wunderten sich aber darüber, wie schnell es erlassen wurde. Einer von ihnen ist der deutsche Nationalspieler Marvin Seidel: „Ich bin ein bisschen enttäuscht, dass wir es nicht in einem großen Turnier ausprobieren durften. Ich glaube, die besten Spieler der Welt können den Aufschlag annehmen, wenn sie es trainieren.“ Was auf das Profilager zutreffen mag, ist im unterklassigen Sport allerdings nur schwer vorstellbar. Denn dieses neue Verbot gilt nicht nur auf internationaler Ebene, sondern betrifft auch das fränkische Badminton. In der Spielordnung des Bayerischen Badminton-Verbands (BBV) steht in §2 Abs. 1: „Alle Spiele von Einzelspieler*innen und Mannschaften des BBV, seiner Bezirke sowie deren Vereine werden nach den vom DBV [Deutscher Badminton-Verband] anerkannten Spielregeln des Badminton-Welt-Verbands (BWF) [...] durchgeführt.“
Das heißt im Klartext: Der BBV hat gar keine Handhabe, wenn der Weltverband neue Regeln erlässt. Da der DBV die BWF-Regeln anerkannt hat, gelten diese auch in allen BBV-Wettbewerben. Entsprechend schnell wurde das Thema in München abgehakt, wie BBV-Schiedsrichterobmann Robert Nebel erzählt. „Natürlich haben wir das Thema bemerkt und auch kurz diskutiert. Aber ich glaube nicht, dass schon viele diesen Aufschlag ausführen können“, so Nebel. „Auch deshalb hatten wir, soweit ich weiß, noch keinen Fall in unserem Spielbetrieb.“
Bamberger testen Aufschlag
Etwas ausführlicher hat sich Markus Renninger damit beschäftigt: „Durch soziale Medien sind die Profis ja heute viel näher, deshalb haben wir das Thema natürlich mitbekommen“, erzählt der Vorsitzende des BV Bamberg. Die Aktiven des Bayernligisten haben den Spin schon getestet. „Da der Spielbetrieb bei uns bereits beendet war und die Turniere noch nicht begonnen haben, konnten wir den Aufschlag aber nur im Training ausprobieren“, berichtet Renninger, der auch Teil des Spielausschusses im BBV-Bezirk Oberfranken ist. Sein persönliches Fazit: „Es hätte dem Sport keinen Gefallen getan, wenn dieser Aufschlag erlaubt geblieben wäre.“ Zwar ging es auch aus Renningers Sicht von erstmaliger Ausführung im März bis zur Regeländerung im Mai „erstaunlich schnell“, dass eine längere Zeitspanne den Spielern ermöglicht hätte, das Annehmen besser zu lernen, glaubt er aber nicht. Auch Jörg Schnappauf von der TS Kronach begrüßt die Entscheidung, den Spin-Aufschlag nicht zuzulassen. „Bei uns im Verein stand das nie zur Debatte“, sagt Schnappauf, der dort unter anderem als Trainer fungiert. „Wie soll denn sonst ein richtiges Spiel entstehen? Natürlich versucht man, sich auch ein Stück weiterzuentwickeln, aber immer im Sinne des Sports.“ Einzig die Frage, warum die Regelung nicht dauerhaft getroffen wurde, stellt sich Schnappauf.
„Eher eine Art Social-Media-Gag“ war der Aufschlag für Jan Schwarzmann. Der Spieler der SpVgg Jahn Forchheim hält nicht viel von der neuen Aufschlagsvariante: „So kommt überhaupt kein vernünftiges Spiel zustande. Ich kenne auch niemanden, der diese Technik ausprobiert hat, weil sowieso klar war, dass das verboten wird“, erzählt Schwarzmann, der zudem das Amt des Sportwarts im Bezirk Oberfranken bekleidet. Dass der Spin-Aufschlag über 2024 hinaus verboten bleibt, hoffen Schwarzmann, Renninger und Schnappauf gleichermaßen. Renninger: „Selbst, wenn manche den Aufschlag ein wenig besser annehmen könnten – das würde den Attraktivitätsverlust des Sports nicht auffangen.“ Zu wichtig sind die spektakulären Ballwechsel für das Badminton. So ist es nicht unwahrscheinlich, dass Rindshøjs Aufschlag das gleiche Schicksal ereilen wird wie die Idee der Sidek-Brüder: Ihr Aufschlag ist auch über 40 Jahre nach dem ersten Erlass des Verbots nicht erlaubt.