Er sieht nicht aus, als komme er gerade von einem Boxkampf: keine zertrümmerte Nase, kein geschwollenes Auge, nicht einmal ein kleiner Riss an der Lippe. Ein flirrend warmer April-Dienstag in der Würzburger Innenstadt. Alexander Frenkel fährt im weinroten Cabriolet vor, Freundin Tamilla auf dem Beifahrersitz. „Ich liebe Würzburg“, sagt Frenkel. „Es ist meine Heimat geworden.“
Frenkel erzählt von seiner Kindheit in der Ukraine („Ich verstehe jeden, der von dort weg will. Ich weiß, aus welchen armen Verhältnissen ich komme“). Er schildert die Anfänge seines Werdegangs bei den Würzburger Kickers; wie er damals mit dreizehn, als er 43 Kilogramm wog, seinen allerersten Kampf verlor und wie er später, um jeden Tag trainieren zu können, alleine mit dem Zug nach Nürnberg, Frankfurt oder Aschaffenburg fuhr. „Nach Kitzingen bin ich manchmal schwarzgefahren, weil ich kaum Geld hatte. Ich habe mich in der Toilette vor dem Kontrolleur versteckt“, erinnert sich Frenkel. „Ich kam mit blauen Flecken vom Training nach Hause und war glücklich.“
Mit seinen 22 Jahren wirkt Frenkel reif und erwachsen. „Ich weiß nicht, ob ich mich vor Gott schämen soll, weil ich Boxer geworden bin“, ist einer der Sätze, die ein Bild von einem feinfühligen Menschen zeichnen. Man glaubt Frenkel gerne, dass Geld allein ihm im Moment nicht wichtig sei. Ein kleines Auto wolle er sich demnächst kaufen, um sein übriges Gehalt in die Altersvorsorge zu investieren. „Ich weiß ja nicht, was in zehn Jahren ist“, sagt er, dessen Vertrag mit Sauerland zunächst auf drei Jahre befristet ist.
Frenkel sieht es als Chance, durch sein gesellschaftlich legitimiertes Haudrauf den sozialen Aufstieg zu schaffen – vom ungelernten Spross einer jüdisch-ukrainischen Musikerfamilie zum gutsituierten Kosmopoliten. Mit Hilfe eines Privatlehrers will er schon bald den mittleren Schulabschluss und das Abitur nachholen. Und dann überrascht Frenkel noch mit einem Bekenntnis, das nicht unbedingt in das Klischee eines Boxers passt: „Ich höre gerne klassische Musik, am liebsten Chopin.“ Als Kind genoss er Klavierunterricht, bis vor zwei Jahren spielte er regelmäßig.
Eigentlich wollte Frenkel den Schritt zu den Profis behutsamer gehen, zuvor in die Nationalmannschaft kommen und bei Olympia boxen. Doch ohne die deutsche Staatsbürgerschaft kam er bei den Amateuren nicht weiter als zur bayerischen Meisterschaft. Vergangenes Jahr umwarben ihn schließlich die beiden großen Boxställe Sauerland und Universum. Frenkel unterschrieb bei Sauerland. Er sagt: „Hier kann ich schneller Weltmeister werden, komme schneller an die Spitze.“ Seit Februar betreut ihn Ulli Wegner in Berlin.
„Der Junge wird bald Weltmeister“, sagte Wegner nach Frenkels achtem Sieg im achten Kampf, der nach eineinhalb Minuten zu Ende war. Kommendes Jahr will Frenkel nach der Weltmeisterschaft im Cruisergewicht greifen und bis dahin noch ein knappes Dutzend Aufbaukämpfe absolvieren. „Ich spüre, wie ich mich von Tag zu Tag verbessere, vor allem konditionell“, sagt Frenkel. „Ich bin jetzt zehnmal stärker als noch als Amateur und fühle mich als Persönlichkeit selbstsicherer.“