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Tennis:: Thomas Heil: Der Tennis-Innenminister

Tennis:

Thomas Heil: Der Tennis-Innenminister

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    Seit einem halben Jahr Vizepräsident des Deutschen Tennis-Bundes: Thomas Heil.
    Seit einem halben Jahr Vizepräsident des Deutschen Tennis-Bundes: Thomas Heil. Foto: Foto: Heiko Becker

    Thomas Heil fährt jetzt regelmäßig nach Hamburg. Im November vergangenen Jahres wurde er zu einem der sechs Vizepräsidenten des Deutschen Tennis-Bundes (DTB) gewählt, der seine Zentrale am Rothenbaum hat. Der 66-Jährige aus Zellingen (Lkr. Main-Spessart) begann seine Funktionärslaufbahn im Tennis-Bezirk Unterfranken und wechselte dann zum Bayerischen Tennis-Verband (BTV), dessen Vizepräsident Sport er seit 14 Jahren ist. Beruflich war Heil bis zu seinem Ruhestand Vorsitzender der Gewerkschaft der Sozialverände in Bayern. Im Gespräch äußert er sich über die Reform des Leistungsklassensystems und über die Qualität von Boris Becker als Funktionär.

    Frage: Boris Becker ist mit dem schönen Titel „Head of mens tennis“ mittlerweile im Deutschen Tennis-Bund aktiv und scheint sich gut in die Verbandsarbeit einzufügen. Haben Sie schon Erfahrungen mit ihm gemacht?

    Thomas Heil: Es ist ein Glücksfall für uns, dass er sich in dieses Ehrenamt – und das ist es ja – hat einbinden lassen. Wenn man ihn erlebt, dann ist das genau der Boris Becker, wie er sich bei Eurosport mit seinem Sachverstand überzeugend einbringt. Er kommt zu Lehrgängen auch der B- und C-Kader, sichtet bei der deutschen Jugendmeisterschaft, ist bei Nachwuchslehrgängen dabei. Und er wird gehört dank seiner Autorität. Bei einem Lehrgang in Hannover habe ich mitbekommen, wie ein Trainer zum anderen gesagt hat: „Da muss der Kleine mit den roten Haaren kommen, dann verstehen es die Spieler.“ Auch das starke Auftreten der Davis-Cup-Mannschaft sehe ich als Erfolg des mit Becker gebildeten Teams. Selbst wenn der Abend etwas länger war, ist Boris morgens einer der Ersten am Trainingsplatz.

    Das internationale Leistungstennis ist aber nicht Ihr Bereich im DTB-Präsidium.

    Heil: Stimmt, ich bin eher der Innenminister, zuständig für die ganze Turnierszene, deutsche Meisterschaften und den Wettspielbetrieb. Für den Leistungssport mit den ganzen Kadern ist Dirk Hordorff zuständig, dazu auch für das Lehrwesen. Aber natürlich gibt es Überschneidungen und Absprachen unter uns.

    Als Turnierleiter haben Sie selbst zehn Jahre lang ihre praktischen Erfahrungen gemacht. Mit den Dittelbrunn Open in Hambach, einem Turnier der untersten Profi-Kategorie Future mit 10 000 Dollar Preisgeld und Spielern, die manchmal in ihrem Auto übernachteten, um Kosten zu sparen. Aber eines Tages hatten Sie keine Halle mehr.

    Heil: Der Hallenbesitzer hat eben gemeint, dass er eine größere Rendite erwirtschaftet, wenn er die Tennishalle als Abenteuerpark für Kinder verpachtet. Wir hatten mit dem Turnier schon den Sprung auf die 15 000-Dollar-Ebene geschafft, die Finanzen waren klar. Drei Wochen später höre ich, dass die Halle nicht mehr zur Verfügung steht. Das war natürlich eine Katastrophe. Mit dem guten Team, das wir hatten, hätten wir das Turnier noch auf Jahre halten können und hätten sich auch den Einstieg in die neue Transition Tour geschafft, die anstelle der Future-Serie eingeführt werden wird.

    Die Einführung dieser Transition Tour wird vom DTB sehr kritisch beurteilt. Warum?

    Heil: Das Ziel der ATP (Red.: Vereinigung der männlichen Tennis-Profis) ist es, dass es künftig weniger Profis gibt und die dann auch in der Lage sind, ihren Lebensunterhalt durch Preisgelder zu verdienen. Es gibt bei den Transition-Turnieren daher keine Weltranglistenpunkte mehr, sondern sogenannte Entry-Punkte, die bei einer gewissen Summe einen Startplatz zur Qualifikation für Challenger-Turniere bringen. Es geht aber nach wie vor um ein Preisgeld von 15 000 Dollar, das vom Veranstalter aufgebracht werden muss. Wenn unseren bisherigen Future-Turnierveranstaltern die Sponsoren davonlaufen, weil es keine Weltranglistenpunkte mehr gibt, können wir als DTB nicht tatenlos zusehen. Falls wir künftig mindestens acht Transition-Turniere in Deutschland haben wollen, funktioniert das nicht ohne eine starke finanzielle Beteiligung des Verbandes, zumindest in der Anfangsphase.

    Am liebsten ein Nachfolger aus Nordbayern

    Sie sind seit 14 Jahren Sportwart des Bayerischen Tennis-Verbandes und in Dopppelfunktion tätig, bis im November beim bayerischen Verbandstag ein Nachfolger gewählt wird. Das funktioniert?

    Heil: Auf Dauer könnte ich keine zwei Hüte aufhaben. Als Pensionist will man ja nicht in einen neuen Fulltimejob geraten (lacht). Von der Interessenlage kann ich auch nicht länger zwei Herren dienen. Im BTV sind noch wir dabei, einen Nachfolger für mich zu finden. Am liebsten wäre es mir, wenn er wie ich aus Nordbayern käme.

    In Ihre Amtszeit sind zwei wesentliche Neuerungen für das deutsche Tennis gefallen: das Tennisportal mybigpoint, das es seit sechs Jahren gibt, kommt von der Marketingtochter des Bayerischen Tennis-Verbandes. Das Leistungsklassensystem wurde ebenfalls in Bayern vorwärtsgetrieben.

    Heil: Mybigpoint ist eine Erfolgsgeschichte. Der Ansatz war zunächst, Vermarktungserfolge über Premium-Mitglieder und entsprechende Klickzahlen zu erzielen. Dass mybigpoint die Plattform der Spieler ist, in der sie sich autark vom Verein informieren können, ist erst im Laufe der Zeit in den Vordergrund getreten. Diese Informationsquelle ist mittlerweile für Tennisspieler unverzichtbar geworden, selbst wenn der Businessplan noch nicht so funktioniert, wie wir uns das vorstellen. Weitaus mehr Menschen wählen die kostenlose Basismitgliedschaft statt der Premiumvariante. Für Letztere müssen wir noch einen höheren Mehrwert zu schaffen. Oder darüber diskutieren, ob wir das überhaupt noch wollen.

    Das zentrale Element bei mybigpoint ist die Information über die persönliche Leistungsklasse (LK). Habe ich mich gerade mit meinem Sieg verbessert? Wie viele Siege gegen Gegner welcher Stärke brauche ich noch, um mich zu verbessern? Da lässt sich das persönliche Ego kitzeln, da fühlt sich mancher Freizeitspieler fast wie ein Weltranglistenprofi. Die LK-Turniere als zusätzliches Angebot zu den Medenspielen sind sofort regelrecht geboomt. Wo kamen die Anregungen für alles her?

    Heil: In Belgien und Frankreich gab schon ein LK-System. Die Nachbarn Saarland und Rheinland-Pfalz haben es übernommen. In Bayern fanden wir es interessant, weil wir eine Turnierstruktur unter dem Spitzentennis etablieren wollten. Aus Österreich kam die Idee dazu, ein Turnier mit zwei garantierten Matches pro Tag zu kreieren, anstelle des üblichen K. O.-Systems. Wir wollten einen perfekten Aufschlag für das Projekt, haben uns ein bisschen Zeit gelassen und auch eine bestehende Software für Turnierverstalter weiterentwickelt. Dass es dann so angenommen wird, damit hat keiner gerechnet. Die ganze Tennis-Szene lebt davon. Jetzt müssen wir schauen, dass es auch weiter funktioniert und es sich nicht totläuft.

    Das ist eine Ihrer Hauptaufgaben für die nächsten drei Jahre. Was sind die anderen?

    Heil: Neben der LK-Reform die Angleichung der Wettspielbestimmungen auf Bundesebene. Außerdem müssen wir die Strukturreform vorwärtstreiben, die uns der DOSB wegen der Leistungssportreform aufgegeben hat. Momentan ist der Tennis-Bund über seine Satzung ein schwerfälliger Apparat. Für mich persönlich war eine klarere Struktur mit kürzeren Entscheidungsprozessen schon immer ein Ziel, aber es gibt Gremien, die nicht gerne an Mitsprache verlieren.

    Zur geplanten LK-Reform haben Sie bundesweit die Spieler an der Basis befragt. Immerhin 37 133 Menschen haben sich beteiligt. Über die Ergebnisse wird man in verschiedenen Ausschüssen beraten. Nicht alle Antworten sind so ausgefallen, wie man das vermuten könnte. Dass Niederlagen im LK-System – und mögen es noch so viele sein – keine Rolle spielen, gefällt Ihnen persönlich nicht. In der Umfrage spricht sich aber eine Mehrheit dafür aus, sie weiter nicht zu bewerten.

    Heil: Das ist eines der heißesten Themen. Der Ranglisten/LK-Ausschuss hatte sich vor der Umfrage schon dafür entschieden, das östereichische ITN-System einzuführen, in dem Niederlagen sehr wohl eine Rolle spielen. Dort wird auch jedes Match in Echtzeit gewertet und die Rangliste wird nicht, wie bei uns, nur einmal im Jahr aktualisiert. Vielleicht hätten wir bei der Umfrage klarlegen sollen, dass Niederlagen nur marginale Wirkung haben, wenn sie nicht gerade in Massen auftreten. Dann wäre das Ergebnis möglicherweise anders ausgefallen. Jetzt müssen wir schauen, wohin wir tatsächlich gehen.

    Heißt das, man will lieber keine Dauer-Spieler verprellen?

    Heil: Das LK-System ist mittlerweile ein Wirtschaftsfaktor. Hier holt sich der DTB über das Teilnehmerentgelt bei den Turnieren einen Großteil seines Finanzvolumens. Da haben bei Veränderungen im Verband viele Angst. Aber es gibt Dinge, die müssen wir machen.

    Zum Beispiel?

    Heil: Die Spieler-Pyramide im LK-System ist so flach, dass man sie fast in der Landschaft nicht mehr erkennt. Über die Hälfte der Spieler tummelt sich in der untersten Region zwischen LK 23 und 20. Das System macht momentan den Aufstieg sehr schwer. Der Frustfaktor steigt. Und diese Spieler sind auch gegen den Malus für Niederlagen. Im österreichischen System ist das besser, wegen der Berechnungsformel aber nicht so durchschaubar. Ich habe aber direkt nach meinem Match das Ergebnis in meinem LK-Wert.

    Warum ist die Vereinheitlichung der Wettspielbestimmungen, Ihrem zweiten großen Job, wichtig?

    Heil: Wir können gerne den Fußball zum Vergleich nehmen. Da ist klar: Ein Spiel dauert 90 Minuten, ist aufgeteilt in zwei Halbzeiten, jedes Tor zählt gleich, für einen Sieg gibt es drei Punkte. Im deutschen Tennis sind vergleichbare Regeln nicht allgemeingültig. In Bayern hatten wir drei Jahre lang die Doppel doppelt gewertet, um dafür zu sorgen, dass sie auch ausgetragen werden. Dann haben wir das wieder abgeschafft. Ich war nie ein Freund davon, habe mich aber der Mehrheit gebeugt. In Bayern haben wir die Experimentierphase hinter uns, andere experimentieren weiter. In einigen Landesverbänden wird beispielsweise der Matchtiebreak anstelle eines vollständigen dritten Satzes immer noch nicht gespielt. Wenn ich von Bayern nach Baden oder Hessen gehe, dann spiele ich unter ganz anderen Voraussetzungen. Das muss weg.

    Machen da alle Landesverbände mit?

    Heil: Das wird eine Herkulesaufgabe, denn sie müssen ihr Gestaltungsrecht an den DTB abtreten. Bei manchen Details, wie dem Spielen in mehreren Altersklassen, wollen wir aber gar nicht eingreifen, das ist für uns nicht relevant.

    Die Sandplätze werden gerade eröffnet, die neue Medenrunde steht bevor. Greifen Sie selbst auch ein?

    Heil: Ich würde gerne noch aktiv spielen, aber mein Rücken macht nicht mehr mit. In Zellingen gebe ich jetzt wieder Kindertraining, weil sonst niemand da ist, der das macht. Ansonsten wird sich das bei mir auf ein paar Doppel im Sommer beschränken.

    „Die ganze Tennis-Szene lebt davon. Jetzt müssen wir schauen, dass es auch weiter funktioniert und es sich nicht totläuft.“

    Thomas Heil über das Leistungsklassenssystem

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