Man hätte als Trainer des 1. FC Nürnberg schon auf trübe Gedanken kommen können vor dem Spiel gegen den Seriensieger Eintracht Frankfurt. Auf die verletzten Mikael Ishak, Eduard Löwen und Ondrej Petrak musste Michael Köllner ohnehin schon verzichten, aber dann erwischte es mit Enrico Valentini am Samstag auch noch eine vierte Stammkraft. „In der ersten Minute des Abschlusstrainings, wo normalerweise gar nichts mehr los ist“, berichtete Köllner leicht kopfschüttelnd, habe sich der Außenverteidiger einen Muskelbündelriss im Oberschenkel zugezogen. Die Vorrunde ist für das Club-Urgestein damit beendet. „Ich bin froh, wenn Valentini im Januar im Flieger ins Trainingslager sitzt“, sagte Köllner.
Die Alternativformation, die er am Sonntag gegen Frankfurt auf den Platz brachte, funktionierte überraschend gut und geschlossen, genauso wie sein taktischer Plan. „Die Mannschaft erwartet keinen Trainer, der sich eingräbt, sondern einen, der Lösungsansätze sucht“, sagte Köllner nach dem 1:1 (0:0) – fast, als wäre das nichts Besonderes. Aber er war schon stolz darauf, wie sich der Aufsteiger die Hessen mit einem fußballerisch hochwertigen Ansatz vom Leibe hielt. „Seit ich hier Trainer bin, ist unser Spiel nicht darauf ausgerichtet, sich mit zehn Mann hintenrein zu stellen“, sagte Köllner. So hatte es vor acht Tagen beim 1:3 gegen die spielstarken Hoffenheimer aber noch ausgesehen. Der Auftritt gegen Frankfurt nun war das beste Saisonspiel und sehr dazu angetan, die lebhaft disktutierte Frage nach der Liga-Tauglichkeit des Aufsteigers wieder optimistischer zu beantworten.
Mit einem Schönheitsfehler allerdings. Es wurde nicht der dritte Saisonsieg, sondern nur der neunte Punkt. Das war bitter. Fast hatte der Club die Frankfurter Torfabrik mit den nicht sonderlich gut aufgelegten Galastürmern Luka Jovic und Ante Rebic schon stillgelegt, dann sorgte eben der eingewechselte Riese Sebastien Haller in der zweiten Minute der Nachspielzeit doch noch für den Ausgleich der Eintracht. Am zweiten Pfosten hielt der Franzose den Fuß hin, nachdem die vertrackte Hereingabe von Danny da Costa die Nürnberger Innenverteidigung ebenso passiert hatte wie Torwart Christian Mathenia. „Mit dem Punkt muss ich natürlich zufrieden sein, man kann ihn auch als glücklich bezeichnen“, sagte Eintracht-Trainer Adi Hütter. Nur 63 Stunden nach dem Europa-League-Auftritt gegen Limassol habe „die geistige und körperliche Frische“ gefehlt. „Aber ich muss der Mannschaft trotzdem ein Kompliment machen, dass sie Mentalität gezeigt und noch das 1:1 gemacht hat.“ Auf den Unterfranken Nicolai Müller, der es in Nürnberg nicht einmal in den Kader schaffte, will der Österreicher derzeit gar nicht zurückgreifen.
Zrelak an beiden Toren beteiligt
Ermöglicht hatte den letzten Frankfurter Angriff vor 42 154 Zuschauern (Saisonrekord dank 5000 Eintracht-Fans) mit einem leichtfertigen Hackenpass, der schiefging, ausgerechnet der Nürnberger Torschütze. Endlich stand Adam Zrelak einmal im Kader und gerade zwei Minuten nach seiner Einwechslung verwertete er eine Flanke von Virgil Misidjan mit dem Kopf zur viel umjubelten Führung (78.). „Es war meine erste oder zweite Ballberührung, genau weiß ich es nicht“, sagte der Slowake, der das Tor seiner Großmutter widmete, die vergangene Woche gestorben ist (in einer früheren Version hieß es, sein Großvater sei gestorben. Das war falsch). Nach seiner langen Verletzung sei er nun fit und wolle spielen, sagte Zrelak. Aber da macht ihm Köllner nur wenig Hoffnung. „Schon letzte Saison hat er in Ingolstadt mit seinem späten 1:1 viel für unseren Aufstieg getan. Aber mit Ishak und den Neuen ist die Konkurrenz groß für ihn.“
Taktisch gewiefter als Zrelak beispielsweise agiert schon jetzt Törles Knöll, der aus der zweiten Mannschaft des Hamburger SV nach Franken gewechselt ist. Als der 20-Jährige den Ball nach feiner Flanke von Tim Leibold im Fallen aufs Tor lenkte, aber am Pfosten scheiterte, hätte das im Regen schon die Führung für den Club bedeuten können (17.).
Köllner zaubert Rhein aus dem Hut
Robert Bauer, der Valentini vertrat, fügte sich viel besser ein als noch gegen Hoffenheim. Sebastian Kerk, der eine Woche nach seinem Comeback gleich in die Startelf rutschte, darf natürlich nicht an seiner großen Form vor seinem Achillessehnenriss im August 2017 gemessen werden. Ins Rampenlicht rückte ein anderer, Unbekannter: Simon Rhein – mit einem erstaunlich abgeklärten Auftritt bei seinem Bundesliga-Debüt. Köllner hatte den 20-Jährigen, der zwölf Jahre lang in Leverkusen ausgebildet worden war und die zweite Saison bei den Club-Amateuren spielt, ohne Ansage aus dem Hut gezaubert und an die Seite von Kapitän Hanno Behrens ins defensive Mittelfeld gestellt. „Die Idee hatte ich schon länger, aber es hat Vorbereitung gebraucht. Er trainiert ja schon länger bei uns mit“, sagte Köllner.
Lange grämen kann sich der Club wegen des entgangenen Sieges nicht. Schon am Mittwoch geht es für die Nürnberger mit der Pokalpartie in Rostock weiter. „Das wird genauso schwer wie ein Bundesligaspiel“, warnte Köllner. Aber eigentlich schaut er ganz zuversichtlich in die nahe Zukunft.