Schiedsrichter Marcel Krauß aus Heufurt, der für den FC Bayern Fladungen pfeift, hat auf seiner Karriereleiter die nächste Stufe erklommen und leitet in der neuen Saison 2022/2023 zusammen mit sieben weiteren Kolleginnen und Kollegen aus Unterfranken Spiele in der Fußball-Bayernliga. Er ist mit 23 Jahren der jüngste Bayernliga-Schiedsrichter in der 94-jährigen Geschichte der Schiedsrichtergruppe (SRG) Bad Neustadt, in der bislang Kai Steinmetzer und Heinz Trenk den Sprung in Deutschlands fünfthöchste, zu Zeiten Trenks die dritthöchste Spielklasse, schafften.
Das "Aushängeschild" der SRG Bad Neustadt wechselt außerdem in der U 19-Bundesliga von der Seitenlinie in die Mitte des Platzes und pfeift ab der dieser Runde in der höchsten deutschen Nachwuchsklasse.
Marcel Krauß hat selbst nie aktiv Fußball gespielt
Marcel Krauß, der nie in einer Junioren- oder Seniorenmannschaft gespielt hat, begleitete schon als Kind seinen Vater Michael, der Anfang der 90er Jahre und wieder seit 2019 Schiedsrichter ist, oft zu dessen Einsätzen. "Da habe ich gedacht, das wäre auch was für mich. So bin ich seit 2015 Schiedsrichter." Bislang stehen mehr als 400 Einsätze als Unparteiischer bzw. Assistent auf seiner Vita, angefangen von der Kreisliga (2016/2017) über Bezirksliga (2017 bis 2019) bis hin zur Landesliga (2019 bis 2021).
Vorläufiger Höhepunkt war die Ernennung zum Bayernliga-Schiedsrichter durch den Verbandsschiedsrichterausschuss (VSA). Vorausgegangen waren in der letzten Saison u. a. zehn Einsätze in der Landesliga, dabei wurden seine Leistungen in sechs Partien von einem Schiedsrichterbeobachter/Coach bewertet. "In diesen Partien hatte ich mit der Leitung wenig Probleme und konnte meine Leistung abliefern", so Krauß rückblickend. "Es wäre ärgerlich gewesen, wenn man z. B. fünf Partien super pfeift und in einem Spiel einen gravierenden Fehler macht."
Ein weiteres Kriterium, um nach der Ernennung in der Bayernliga pfeifen zu dürfen, bildet der Leistungs- und Regeltest (u. a. 40 Bahnen á 75 Meter Sprint und 25 Meter Gehphase; 40-Meter-Sprints in 6,2 Sekunden). Dieser fand in diesem Jahr in der Sportschule Oberhaching statt.
Krauß wünscht sich einen respektvollen Umgang miteinander
Neben seinen Einsätzen in der Bayernliga wird Krauß als Referee für die U 19-Bundesliga nominiert, dort stand er bislang als Assistent an der Außenlinie. Zu Terminüberschneidungen kommt es jedoch nicht. "Spielaufträge für die U 19-BL erhalte ich meist vier Wochen vor dem Spieltag, meine Einsätze in der Bayernliga bekomme ich meist 14 Tage vorher mitgeteilt." Egal ob im Herren- oder Juniorenbereich, Krauß will auch in Zukunft seiner Philosophie bezüglich seiner Spielleitung treu bleiben. "Ich strebe eher einen freundschaftlichen Umgang mit den Spielern an, beide Seiten sollen respektvoll miteinander umgehen. Sollte das nicht funktionieren, muss halt ein anderer Weg her."
Wann immer möglich, will Krauß Spiele sowohl in der Bayernliga als auch in der U 19-Bundesliga mit denselben Assistenten ("das ist schon von Vorteil, man ist aufeinander eingespielt") leiten. Es kommen weitere Einsätze in der Landes- bzw. Bezirksliga und auf Kreisebene dazu.
Nicht voreingenommen gegenüber "Schwalbenkönig" oder "Raubein"
Hinsichtlich seiner Vorbereitung will sich Krauß treu bleiben. "Wenn möglich, schaue ich mir im Vorfeld Videos von beiden Mannschaften an, bin mit meinen beiden Assistenten dann eineinhalb Stunden vor dem Anpfiff am Spielort und mache mich mit der Beschaffenheit der Anlage vertraut." Voreingenommen gegenüber einem Spieler, der als "Schwalbenkönig" oder "Raubein" bekannt ist, ist Krauß nach eigener Aussage nicht. "Mein Motto auf dem Platz: Situation wahrnehmen, eventuell Signale der Assistenten mit einbeziehen und eine Entscheidung treffen."
Zu seinen Stärken als Schiedsrichter zählt er u. a. ein sicheres Auftreten ("diesbezüglich sind die Bundesligaschiedsrichter Benjamin Brand und Deniz Aytekin meine Vorbilder") sowie die Kommunikation mit den Spielern. "In der ein oder anderen Situation muss ich dennoch souveräner und cleverer agieren", resümiert Krauß, wenn es um Verbesserungspotenzial geht.

Im Gegensatz zu seinem Vater Michael, der glühender HSV-Fan und ab und zu auch sein Kritiker ist, hat Marcel Krauß keinen Lieblingsverein. "Ich würde mich als positiv Fußballverrückten bezeichnen, der gerne – wenn es die Zeit zulässt – mehrere Spiele oder Stadien an einem Wochenende besucht, meist mit meinem Schirikollegen und stellvertretenden Obmann Norbert Hemmerich. Mich interessiert kein spezieller Verein, sondern der Fußball im Allgemeinen."
Handgreiflichkeiten gegenüber Marcel Krauß
Überwiegend positive Erfahrungen hat Krauß während seiner siebenjährigen Schiedsrichtertätigkeit gemacht. In jüngster Erinnerung ist ihm das Landesligaspiel in der Aufstiegsrunde zwischen dem 1. FC Herzogenaurach und dem TSV Kornburg (Erster gegen Zweiten) geblieben. "Es war ein intensives Spiel. Ich hatte alle Hände voll zu tun und nach dem Abpfiff gratulierten mir beide Seiten zu meiner Leistung. Das ist der Idealfall."
Im krassen Gegenzug stand ein Match im Jahr 2016. "Da war ich als 17-Jähriger bei einem Rhöner Relegationsspiel Assistent. Nach dem Abpfiff kam es zu Handgreiflichkeiten vonseiten eines Zuschauers mir gegenüber im Kabinengang."
Positiv sieht er die Einführung der Zehn-Minuten-Zeitstrafe, die jetzt nach 30-jähriger Unterbrechung wieder in Kraft tritt. Als Vorteil von unschätzbarem Wert stuft er den Videobeweis und die Aktivitäten im "Kölner Keller" ein. "Trotz massiver Kritik von verschiedenen Seiten halte ich dieses technische Hilfsmittel für sinnvoll. Sie sorgen für mehr Gerechtigkeit bei kniffligen Situationen."
Krauß begrüßt die Altersgrenze bei den Bundesligaschiedsrichtern
Auch der Tatsache, dass die Altersgrenze bei Bundesligaschiedsrichtern bereits bei 47 Jahren liegt, steht Krauß neutral gegenüber. "Auch wenn diesbezüglich die Meinungen weit auseinandergehen, irgendwann muss ein Schlussstrich gezogen werden. Die Kollegen, die dort ausscheiden, können ihren Erfahrungsschatz an die junge Generation weitergeben. Das ist doch auch eine super Sache."
Große Sorgen bereitet Krauß die rasante Rückwärtsentwicklung im Schiedsrichterwesen in den letzten Jahren. "Verschiedene Kampagnen, dem entgegenzusteuern, hält er für lobenswert. Allerdings wird es noch einige Zeit dauern, bis Besserung eintritt", so sein Resümee.
Bislang ist es dem gelernten Bankkaufmann und angehenden Betriebswirt nach eigenen Aussagen problemlos gelungen, Beruf und sein zeitintensives Hobby, für das er ca. 26 Stunden pro Woche investiert, unter einen Hut zu bringen. "Um das alles bewältigen zu können, braucht es ein entsprechendes Umfeld. Das habe ich dankenswerterweise", so Krauß.
"Meine Eltern und Großeltern haben mich von Anfang an unterstützt, ebenso mein Arbeitgeber bzw. meine Kolleginnen und Kollegen, wenn ich während der Woche mal einen kurzfristigen Spielauftrag hatte und früher Feierabend machen musste. Nicht zu vergessen die Schiedsrichtergruppe Bad Neustadt und meine Schiedsrichterkolleginnen und -kollegen, die mich unterstützt haben, vor allen meine Assistenten und Coaches, die mich über die Jahre begleitet haben."
Bei so einem straffen Programm bleibt kaum noch Zeit für weitere Freizeitaktivitäten. Wenn doch, wirkt Krauß als Trompeter in der Ostheimer Stadtkapelle mit oder sucht Ruhe und Entspannung. "Ich habe während der Coronazeit meinen Angelschein gemacht."
Schiedsrichterei ist eine Lebensschule
Wie sieht die Zukunft aus? "Ich will mich mit meinem Gespann in der Bayernliga etablieren und dort ankommen. Ob es noch eine Sprosse nach oben geht, bleibt abzuwarten. Für mich ist es wichtig, von Spiel zu Spiel zu schauen und eine gute Performance zu zeigen. Der besondere Reiz, in Sekunden von Bruchteilen Entscheidungen zu treffen, gefällt mir und stellt in gewisser Weise eine Herausforderung dar. Aber es ist nicht allein die Spielleitung, die mich an meinem Hobby fasziniert, sondern alles um das Fußballspiel herum. Deshalb bin ich Schiedsrichter geworden. Solange es mir Spaß macht und möglich ist, bleibe ich dabei. Ich kann jedem nur empfehlen, Schiedsrichter zu werden. Die Schiedsrichterei ist eine Lebensschule."