Johannes Geis, Bundesliga-Profi des FC Schalke 04, war der Überraschungsgast von Fredi Breunig beim Kabarettistischen Frühschoppen am „dritten Feiertag“ in Wargolshausen. „Brezel, Bier und domm?s Gebabbl“ heißt diese Kultveranstaltung, war es aber überhaupt nicht, was „der erfolgreichste und bekannteste Fußballspieler des Landkreises Rhön-Grabfeld“, so Breunig, hinterher im stillen Backstage-Kämmerle sich entlocken ließ. In einem Exklusiv-Interview mit dieser Zeitung gestattete der 50-malige Nationalspieler in den Altersklassen U 16 bis U 21 unserem Mitarbeiter Einblicke hinter die Kulissen, jenseits dessen, was über ihn in den Medien und im Boulevard verbreitet wird. Dabei war erkennbar, was noch außer einem Trainer, einem Manager oder Berater eine sorgfältig geplante Karriere beeinflusst.
Am 17. August 1993 in Schweinfurt als zweites Kind (nach einer Schwester) der Eheleute Ulrike und Roland Geis, Inhaber eines Elektrogeschäfts in Oberstreu, geboren, war Elektriker nie das Berufsziel des Fußball verrückten Jugendlichen. „Wenn ich nicht Profi geworden wäre, dann bestimmt irgendwas mit Sport“, verrät der 22-Jährige, der von der G- bis zur E-Jugend in Mittelstreu/Oberstreu kickte und dann von der D- bis zur C-Jugend in Großbardorf ausgebildet wurde. Von dort wechselte er für die B- und A-Jugend-Zeit und ein Jahr erste Mannschaft zur SpVgg Greuter Fürth und deshalb vom Martin-Pollich-Gymnasium in Mellrichstadt zunächst ans Helene-Lange-Gymnasium in Fürth, danach in die Leopold-Ullstein-Realschule, die er mit der Mittleren Reife abschloss. Zu dem Zeitpunkt war der Weg von Johannes Geis längst vorgezeichnet, zu sehr hatte er mit seinem überragenden Talent auf sich aufmerksam gemacht. Am 1. FC Nürnberg ging der Weg vorbei, „weil die sich nach einer Kontaktaufnahme und einer schweren Verletzung einfach nicht mehr rührten, erst einen Tag, nachdem ich in Fürth unterschrieben hatte.“
„Bastian Schweinsteiger“ nennt er ganz spontan sein Vorbild. Kurzfristig will Geis „mit Schalke auf jeden Fall so lange wie möglich international spielen, mittelfristig „mit S 04 was Großes aufbauen“ und langfristig „in die A-Nationalmannschaft.“ Hauptsächlich mit rechts schießt der Linkshänder seine gefürchteten Freistöße und Eckbälle, die der Stammspieler und wichtige Eckpfeiler der Blauen zu hundert Prozent ausführt, wenn er auf dem Platz ist. Natürlich schießt er beidfüßig gleich stark, „ohne das geht heute nix mehr“, und übt diese Standards „zwei bis drei Mal die Woche mit unserem Ersatztorwart.“ Warum er als defensiver oder zentraler Mittelfeldspieler die Rückennummer 5 trägt? „Weil die Nummer 6 gerade nicht frei war, als ich von Mainz auf Schalke kam. Die 5 ist doch auch eine besondere Nummer, die zum Beispiel Zinédine Zidane, ebenfalls mein Vorbild, auch trug.“ Geis ist anscheinend gar nicht der abgebrühte, harte Hund, der man sein muss, wenn man nach oben will.
Als ob er sich rechtfertigen müsse, widerspricht er der Einschätzung, dass er, im Zeitalter des Kurzpassspiels und hoher Ballbesitz-Quoten bei erfolgreichen Mannschaften, mit auffallend vielen langen Bällen das Spiel in die Hand nimmt und von hinten heraus eröffnet. Ob denn das seine Vorstellung von Fußball sei oder die Philosophie des Trainers? Mit dieser Spielweise sei doch sein eigenes Bewerbungsprofil, eventuell für große deutsche oder ausländische Mannschaften oder bei Jogi Löw, erheblich eingeengt. „Ich übernehme damit aber auch Verantwortung“, kontert Johannes Geis überzeugend. „Zum einen gehe ich damit immer ein höheres Risiko ein, Fehler zu machen, als wenn ich den Ball fünf oder zehn Meter quer spiele. Das ist die Spielweise, die unser Trainer von mir verlangt, dass wir so schnell wie möglich nach vorne spielen. Das macht mich einfach aus, dieses Risiko im Spiel einzugehen und Gas zu geben. Da gibt es schon eine Übereinstimmung von meiner Spielweise und den Vorstellungen des Trainers. Wenn man sich mit meinem Spiel befasst, sieht man aber, dass ich jederzeit auch anders kann und in jedes System passe.
“ Für zehn Millionen Euro Ablösesumme ist Geis auf Schalke gewechselt. Im Lauf der Hinrunde ist sein Marktwert auf 15 Millionen gestiegen. Wird einem da nicht schwindelig, verursacht das denn nicht einen ungeheuren Druck im Spiel? „Überhaupt nicht. Im Gegenteil, es motiviert mich eher“, antwortet er voller Überzeugung, als ob er die Lektionen eines sehr guten Psychologen sehr gut verinnerlicht habe. „Ich weiß von diesem Marktwert. Den will ich aber auch erreichen und übertreffen, ich will ja mehr erreichen. Wenn man mal in den Dimensionen von Ronaldo oder Messi ist, dann kann man sich vielleicht einen Kopf drüber machen. Meine Hauptaufgabe ist es gut Fußball zu spielen“, mit ebenso wenig Fehlern etwa wie ein Elektriker? „Ja schon, deswegen laufe ich aber nicht mit einem großen Rucksack herum, weil die so viel Geld für mich hingelegt haben.“
„Meine Hauptaufgabe ist es gut Fußball zu spielen“
Fußball-Profi Johannes Geis über seinen Job
Verliert man dabei nicht auch ein Stück Unabhängigkeit und Selbstbestimmung über die eigene Person? Man kann ja nicht immer da spielen, wo man gerade möchte. „Das ist ja sogar mein Ziel, dass man mich haben will. Ich habe mich für Schalke ausgesprochen, weil dort in den nächsten Jahren was Großes entsteht und ich da mitmachen will. Jetzt bin ich auf Schalke. Diesen Weg will ich gehen. Natürlich hat man als Fußballer nicht alle Freiheiten und ist eingeschränkt in seiner Lebensweise, kann nicht immer und überall hin gehen, wo man will. Für das, was man von den Leuten auf den Rängen zurück bekommt, verzichtet man gerne darauf.“ Gibt es das Thema Ausland? „Dafür bin ich noch zu jung. Wenn ich mal älter bin und was von der Welt sehen will, kann man das nicht ausschließen.“
Welche Musik liebt der 22-jährige Jungprofi in seiner Freizeit? „In allen Richtungen: House Music, R&B, Hip-Hop, Rap.“ Seine Hobbys: „Mit Kumpels Playstation 4 spielen, mit meiner Freundin (Irina Schelenz aus Nürnberg) ausgehen, mit meinem kleinen Hund Gassi gehen.“ Gibt es noch Kontakte zu Freunden in der Heimat? „O ja, sehr intensive, zu Jonas Schirber, Thomas Köhler und anderen. Entweder sie besuchen mich oder ich komme, wie jetzt in der Weihnachtszeit, wo wir viel zusammen unternehmen.“
Welches Auto fährt Johannes Geis? „Einen VW Touareg von Schalke und privat einen Mercedes.“ In Urlaub geht es in der kurzen Winterpause nicht. „Wir gehen ja schon in ein paar Tagen nach Orlando/USA ins Trainingslager. Da ist es auch schön warm.“ Tattoos, wie sie manche seiner Kollegen exzessiv bis unters Kinn tragen, hat er nur in ganz begrenztem, sensiblem, sehr zurückhaltendem Rahmen. Am linken Oberarm innen steht „God bless my family“ (Gott segne meine Familie): „Ich habe mir das nur stechen lassen wegen dem Sinn, der dahinter steht. Familie ist das A und O, für mich, das Wichtigste überhaupt. Die geben dir Rückhalt, sagen dir, wenn du was falsch machst und wie du?s richtig machen kannst. Ich habe ihr sehr viel zu verdanken.“