Die Kluft zwischen Profi- und Amateursport war nie so groß und so klar definiert wie in der Zeit der Corona-Pandemie. National liegt der Amateursport total danieder, während Profisportler, so auch die der Tischtennis-Bundesliga, unter entsprechenden Auflagen ihren Beruf ausüben dürfen. Doch selbst unter Profis gibt es eine Mehr-Klassen-Gesellschaft.
Diesen Schluss lässt jedenfalls die Entscheidung des Tischtennis-Weltverbands ITTF zu, die Serie der Vor-Corona-Weltcup-Turniere zu canceln, bei der in der Regel bis etwa 150 Teilnehmer zugelassen waren. Wo, wenn schon nicht Reichtümer, dann wenigstens Weltcup-Punkte zu sammeln waren. Künftig gibt es Weltranglistenpunkte bei zwölf verschiedenartigen Turnier-Serien.
Große Turniere bringen viele Punkte
Die meisten Punkte mit 2000 werden bei den vier Grand Smashs, den Grand Slams beim Tennis vergleichbar, vergeben, ebenso bei der WM und Olympischen Spielen. 1500 gibt es beim WTT-Cup-Finale und beim World Cup. Um 1000 Punkte geht es bei den WTT Champions, um 600 bei den WTT Star Contender, um 500 beim kontinentalen Cup und Kontinentalmeisterschaften. 400 Punkte werden beim WTT Contender ausgespielt, je 100 bei Multi Sport Games und internationalen Events.
Doch von Weltranglistenpunkten allein kann ein Tischtennis-Profi nicht leben. Preisgelder gibt es von maximal zwei bis drei Millionen US-Dollar (Grand Smash) den zu vergebenden Weltranglisten-Punkten nach gestaffelt bis zu weit weniger. Die Teilnehmerzahlen sollen mindestens 32, höchstens 96 betragen, die Turnierdauer sechs bis zu zehn Tage.
Was bedeutet das für die Spieler? Sofern sie zu jenen gehören, die von ihren nationalen Verbänden nominiert werden oder sich qualifiziert haben, ziehen sie um die Welt, die Allerbesten von Top-Turnier zu Top-Turnier. Gewissermaßen die freie Auswahl haben die Top 20 der Welt, zu denen sechs Europäer gehören, darunter die Deutschen Timo Boll, Dimitrji Ovtcharov und Patrick Franziska.
Und was bedeutet das für die Bundesliga? Was sind dem Weltverband die nationalen Ligen überhaupt wert? Diese Fragen kann man sich stellen, nachdem der Brasilianer Hugo Calderano angekündigt hatte, die TTF Ochsenhausen nach der Saison zu verlassen. "Ich muss mich jetzt auf meine Karriere und die internationalen Turniere fokussieren", begründete die Nummer 6 der Weltrangliste seine Entscheidung.
Ausschlaggebend sei die neue Struktur der Wettbewerbe des Weltverbands ITTF, die lange Abwesenheiten aus der Bundesliga notwendig machen, welche durch Quarantäne-Bestimmungen noch verschärft werden. Obwohl er künftig für den russischen Spitzenklub Orenburg aufschlagen wird, wolle er seinen Lebensmittelpunkt weiterhin in Ochsenhausen haben. „Ich will hier trainieren, weil hier die optimale Struktur gegeben ist“, sagte Calderano.
Ende Februar geht es in Doha los
Der Startschuss für die neuen Strukturen im Weltspitzentischtennis fällt an diesem Sonntag, 28. Februar, mit dem Turnier der Kategorie WTT Contender in Doha. Zu den 24 bereits für die Hauptrunde qualifizierten Spielern sind acht bei Bundesligisten unter Vertrag. Vom Deutschen Tischtennis-Bund (DTTB) wurden Benedikt Duda, Ruwen Filus, Dang Qiu und Ricardo Walther für die Vorrunde gemeldet, Dimitrij Ovtcharov erhielt eine Wildcard.
Bastian Steger und Kilian Ort wären die ersten beiden Nachrücker des DTTB gewesen, die beiden Spieler des TSV Bad Königshofen verzichten allerdings auf eine Teilnahme. Der Bundesligist aus dem Grabfeld wird in Katar von Filip Zeljko vertreten. Der Kroate, die Nummer 4 seines Verbandes, ist für die Vorrunde gesetzt. Beim am 6. März beginnenden WTT-Star-Contender-Wettbewerb - ebenfalls in Doha - ist Zeljko aktuell auf der Nachrücker-Liste notiert.
Wie sieht Kilian Ort diese Entwicklung? "Ehrlich gesagt weiß ich auch noch nicht, in welche Richtung das geht, auch weil über allem noch Corona liegt." Wahrscheinlich, vermutet er, "wird es sogar noch schwieriger nach oben zu kommen, wenn man Turniere, bei denen es viele Punkte gibt, erst gar nicht besuchen darf und die Spieler, die dürfen, noch weiter davonziehen." Oder es sei denkbar, dass "Spieler bei Kontinentalcups in Afrika, Ozeanien oder Amerika leichter Punkte sammeln, während viele in Europa von den Verbänden erst gar nicht für die Europameisterschaften gemeldet werden."
Dass er beispielsweise einen Quadri Aruna aus Nigeria, die Nummer 20 der Welt, in dieser TTBL-Saison zweimal souverän geschlagen hat, aber eben in der Bundesliga, in der es keine Weltcup-Punkte gibt, führt Kilian Ort in seiner Bewertung nicht an. Beschäftigen wird es ihn schon.